Lewis Hatchett löste mit seinem Tiktok-Video eine große Diskussion aus. Als nachts auf dem Heimweg eine Frau vor ihm unterwegs ist, realisiert der britische Content Creator, dass seine Anwesenheit als 1,83 Meter großer Mann in der dunklen Straße von ihr als einschüchternd empfunden werden könnte. Er will von den Frauen darum wissen, wie er sich in einer solchen Situation verhalten soll, damit sie sich sicher fühlen können. Auch die 20-Minuten-Leserschaft bewegt die Frage – sowohl Frauen wie auch Männer.
Joana (34) aus Wald ZH kennt dieses Gefühl gut: "Ich spüre das immer wieder, wenn ich nachts unterwegs bin." Beruhigend sei es für sie, wenn der Mann abgelenkt wirke – zum Beispiel, weil er auf sein Handy schaut oder telefoniert. Auch Chenda (33) aus Pfungen ZH findet, dass telefonierende Männer weniger bedrohlich wirkten. "Am entspanntesten finde ich aber, wenn er die Straßenseite wechselt." Besonders unangenehm sei es, wenn der Mann im gleichen Tempo hinter der Frau gehe. "Manchmal tue ich dann so, als würde ich etwas im Rucksack suchen und lasse den Mann überholen."
"Wenn ein Mann merkt, dass eine Frau vor ihm anfängt, schneller zu gehen, sollte er langsamer werden, um die Distanz zu vergrößern", findet Chuka (34) aus Walenstadt SG. Dass der Mann die Straßenseite wechsle, verlange sie aber nicht: "Ich erwarte nicht, dass ein Mann extra einen Umweg geht – aber er sollte ein Bewusstsein dafür haben." Lara (35) aus dem Kanton Bern empfindet vor allem Männer mit Kapuzen oder Hüten bedrohlich: "Es wäre hilfreich, wenn Männer in solchen Momenten die Kapuze abnehmen oder die Straßenseite wechseln."
Außer sich hinzusetzen und zu warten, bis die Frau weg ist, oder die Straßenseite zu wechseln, sei es auch in Ordnung, die Frau kurz anzusprechen und zu sagen: "Keine Angst, ich muss nur vorbei", findet Martina (36) aus dem Kanton Zürich. Eine andere Leserin pflichtet ihr bei und findet, kurz "Hallo" zu sagen und dann vorbeizugehen, eine gute Lösung.
Auch viele Männer kennen die beschriebene Situation. Tristan (23) aus Chur schreibt: "Ich bin groß und oft dunkel gekleidet. Deshalb versuche ich, wenn möglich, die Straßenseite zu wechseln oder einen anderen Weg zu nehmen." Wenn das nicht möglich sei, gehe er langsamer, um Abstand zu halten. Auch Hamid (36) aus Zürich wechsle oft die Straßenseite und achte darauf, Frauen nicht anzustarren. "Das ist eine kleine Geste – aber sie kann helfen, jemandem ein sichereres Gefühl zu geben."
Andere Männer berichten, dass sie so tun, als seien sie mit der Freundin am Telefon, oder warten, bis die Frau außer Sicht sei. Ein Leser schreibt, dass er die Frau jeweils kurz anspreche und ihr erkläre, warum er gerade in die gleiche Richtung gehe und er ihr auch anbiete, vorauszulaufen. Manchmal kämen so sogar gute Gespräche zustande.
"Ich bin 1,88 Meter groß und komme als Schichtarbeiter oft spät nach Hause. Es ist schon vorgekommen, dass Frauen vor mir fast gerannt sind", erzählt Bo (40) aus Wil SG. In solchen Momenten habe weder Rufen noch Telefonieren oder aufs Handy starren etwas gebracht. "Abends bin ich einfach der Fremde."
Als großer und muskulöser Mann geht es Michael (33) aus St. Gallen ähnlich. Vor kurzem sei er in einer engen Altstadtgasse hinter einer deutlich kleineren Frau gegangen, wo das Überholen schwierig war. "Also fragte ich sie, ob ich vorbei dürfe. Sie drehte sich sofort um – mit Pfefferspray in der Hand." Er habe sich ihr dann vorgestellt, ihr erklärt, wo er hinmüsse und sie gefragt, ob er sie begleiten soll, aber sie habe ihn nur beschimpft. Er sei darum ratlos: "Ich kann nichts für mein Aussehen – nicht alle Männer sind böse."
Einige Leser haben wenig Verständnis für das Problem: "Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht", schreibt ein Mann. Seiner Meinung nach könne es nicht sein, dass man sich aufgrund seines Geschlechts über mögliche Ängste von Frauen Gedanken machen muss. Ein anderer fragt sich: "Warum müssen sich Männer ständig einschränken, weil sich ein paar wenige wie Hinterwäldler verhalten?"