Bürger bangen um Existenzen

Wegen Mega-Straße – Landwirte verlieren Grund und Boden

In Greifenburg brodelt der Widerstand: Die geplante Ortsumfahrung bedroht Natur und Landwirtschaft – und könnte sogar das Hochwasserrisiko erhöhen.
Hannah  Maier
03.06.2025, 06:15
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Bodenversiegelung, Bedrohung für Flora und Fauna, Hochwasserrisiko, Verlust wertvoller Agrarflächen – kaum ein Straßenbauprojekt in Kärnten hat in den letzten Jahren für so viel Aufsehen gesorgt wie die geplante Ortsumfahrung in der Gemeinde Greifenburg. Der Baustart für die parallel zur Bahntrasse verlaufende Straße ist für den Herbst angekündigt. Doch der Widerstand wächst: Rund 100 Landwirte und Grundeigentümer stellen sich gegen das Vorhaben.

Michael Dünhofen lebt seit vielen Jahren in Berg im Drautal. Auf rund drei Hektar bewirtschaftet der 47-jährige Landwirt seinen Hof – genau dort, wo die geplante Trasse der Ortsumfahrung verlaufen soll. Dadurch würde er 130 Quadratmeter der Fläche verlieren. Dünhofen ist zudem Sprecher der Bürgerinitiative "Lebensraum Oberes Drautal" und äußert scharfe Kritik an dem Vorhaben: "Die bahnparallele B100-Trasse ist kostenintensiv, überdimensioniert und schnellstraßenartig: Sie verursacht mit 63,5 Millionen Euro extremen Steuergeldaufwand, versiegelt weitläufig landwirtschaftliche Flächen und zerstört Erholungsraum als Grundlage des Tourismus. Zufahrten für die Landwirtschaft werden vielfach erschwert und machen Umwege notwendig."

"Es geht hier auch um Existenzen"

Dünhofen selbst sei – wie er sagt – noch "relativ gering betroffen". Andere trifft es deutlich härter: Herwig und Anna Leitner betreiben ein Restaurant in Greifenburg; die Straße würde 20 Meter vor ihrer Restaurantterrasse vorbeiführen. Ein anderer Landwirt wiederum würde durch das Straßenprojekt über ein Viertel seiner Grundstücksfläche verlieren. "Wir haben hier viele junge Menschen, die bereit sind, die Landwirtschaft in die Zukunft zu führen – und genau diese Perspektiven werden durch das Projekt zunichtegemacht", betont Dünhofen.

Hier würde die Trasse verlaufen.
Lebensraum Oberes Drautal

Ähnlich sieht es Günter Emberger, Grundeigentümer und Professor für Verkehrswissenschaften an der TU Wien. Er bewirtschaftet in der Gemeinde Ackerland. Aufgrund des Straßenbauprojektes ist eine Unterführung quer durch sein Grundstück vorgesehen. "Das Feld wird somit unbrauchbar. Es geht hier um viele Existenzen", erzählt er. Verkaufsangebote habe er bis dato nicht unterschrieben; es könne die "Enteignung" wohl bald eingeleitet werden, denkt er.

Für Alternative gab es bereits Zuspruch

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt der Bürgerinitiative betrifft die geplante Funktion der B100 als Ost-West-Verbindung: Durch den Ausbau zur Schnellstraße würde die Strecke deutlich attraktiver für den Transitverkehr. Man befürchtet eine spürbare Zunahme des Durchzugsverkehrs – und das in einer Region, die bereits jetzt stark unter Verkehrsbelastung leidet. "Es gibt im Drautal ein Verkehrsproblem. Dem sind wir uns als Bürgerinitiative auch bewusst", sagt Emberger. Doch er kritisiert das Vorgehen der Politik, denn alternative Varianten hätte es gegeben, "die wurden aber nicht mehr diskutiert", sagt er.

Bereits 2015 hatte der Gemeinderat in Greifenburg einstimmig eine alternative Trassenführung beschlossen – eine überwiegend ortsnahe Variante, die zum Teil sogar als Unterflurtrasse geplant war. Für diese Lösung lag bereits seit 2008 eine gültige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vor. Dennoch wurde das Projekt vom Land Kärnten zurückgezogen. Stattdessen kehrte man zur bahnparallelen Variante mit einem Doppelstock-Kreisverkehr zurück.

Boden versiegelt; Hochwasserrisiko verschärft

Für Diplomingenieur Robert Unglaub ist klar: Die alternative Trasse wäre die deutlich bessere Lösung gewesen – insbesondere im Hinblick auf Natur- und Umweltschutz. Denn die nun geplante, 6,6 Kilometer lange Strecke verläuft in unmittelbarer Nähe zum Natura-2000- und Ramsar-Schutzgebiet "Obere Drau". Mehr als sieben Hektar Boden würden durch das Projekt versiegelt; wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere wäre bedroht.

Der Umweltexperte warnt außerdem vor einer Verschärfung der ohnehin bestehenden Hochwassergefahr: "Durch die in Dammlage geplante Straße gehen 8,5 Hektar Retentionsfläche verloren – also Flächen, die für den Hochwasserschutz von zentraler Bedeutung sind", erklärt Unglaub. Die als Ausgleich vorgesehenen fünf Hektar Ersatzfläche, mehrere Kilometer flussabwärts gelegen, seien aus seiner Sicht unzureichend. "Die Hochwassersituation würde sich verschlechtern – und das steht im klaren Widerspruch zu den Zielen des Hochwasserrisikomanagementplans. Zudem passt das Vorhaben nicht zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen Verkehrspolitik", betont der Sachverständige.

Die geplante 6,6 Kilometer lange Straße verläuft parallel zur Bahntrasse.
Grafik: L-OD

Bürger kämpfen vor Gericht

Die Bürgerinitiative fordert konkrete Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung – darunter eine Tonnagebeschränkung mit Nachtfahrverbot für Lkw, einen Transit-Stopp für Mautflüchtlinge sowie Tempo 30 im gesamten Ortsgebiet von Greifenburg. Kritik üben die betroffenen Grundbesitzer an der mangelnden Bürgerbeteiligung im bisherigen Verfahren: "Seitens des Landes und der Gemeinden gab es keine ausreichenden Informationsveranstaltungen zur Trassenführung, zu den Auswirkungen des Projekts oder zu möglichen Alternativen. Selbst den unmittelbaren Anrainern wurde keine Parteistellung eingeräumt", so Dünhofen.

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Die Initiative hat daher das Verwaltungsgericht eingeschaltet und wartet derzeit auf eine Entscheidung. Auch das Wasserrechtsverfahren sowie ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof zur Frage der UVP-Pflicht sind noch anhängig.

Land treibt Bauprojekt voran

Aus dem Büro des zuständigen Straßenbaureferenten und Landeshauptmann-Stellvertreters Martin Gruber (ÖVP) wird mitgeteilt, dass die bahnparallele Trasse aufwendig geprüft wurde und in einer Nutzwertanalyse als die am besten geeignetste hervorgegangen sei. Die Variante aus den früheren Jahren hätte mehr Fläche verbraucht, die Landschaft in größerem Ausmaß zerschnitten und wäre nicht finanzierbar gewesen.

Das Land Kärnten hält somit weiterhin an der geplanten Ortsumfahrung fest. Nach den Grundeinlöseverfahren soll die EU-weite Bauausschreibung starten. Parallel laufen die Planungen für die weiteren Abschnitte bei Dellach und Berg. 16 Hektar Ausgleichsfläche sollen im Gegenzug zur Straße geschaffen werden.

{title && {title} } HTM, {title && {title} } Akt. 04.06.2025, 08:27, 03.06.2025, 06:15
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