Gesundheit

Wie das Immunsystem bei Post Covid verrückt spielt

Eine neue Studie deutscher und österreichischer Forscher zeigt erhöhte Werte im Immunsystem von Post-Covid-Betroffenen.

Sabine Primes
Die Forschergruppe stellte eine erhöhte Konzentration von Immunzellen im Blut fest. (Symbolbild). 
Die Forschergruppe stellte eine erhöhte Konzentration von Immunzellen im Blut fest. (Symbolbild). 
Getty Images/iStockphoto

Seit 2020 die Corona-Pandemie die Welt in Geiselhaft genommen hat, hat sich vieles geändert. Zum einen gab es seitdem eine Reihe an neuen Virusvarianten, die klinische Versorgung und Medikation hat sich verbessert und durch die Impfung und durchgemachten Infektionen hat auch die Immunität der Bevölkerung ein hohes Level erreicht. Auch die täglichen Infektionszahlen bewegen sich mittlerweile auf einem niedrigen Niveau.

Jetzt gilt es, sich verstärkt jenen Patienten zu widmen, bei denen die Infektion bleibende Spuren hinterlassen hat. Long-Covid-Syndrom, Post-Covid-Syndrom, POTS und ME/CFS heißen die Beschwerdebilder, die Betroffenen die Lebensqualität nehmen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass insgesamt zehn bis 20 Prozent der Covid-19-Betroffenen in irgendeiner Form länger anhaltende Folgen der Infektion verspüren.

BEGRIFFSKLÄRUNG
Long Covid bezeichnet Beschwerden, die wenigstens vier Wochen nach der Infektion bestehen
Post Covid bezeichnet Beschwerden, die wenigstens zwölf Wochen nach der Infektion bestehen.
POTS: Das posturale Tachykardiesyndrom (POTS) ist eine Erkrankung, bei der die Patienten beim Wechsel in die aufrechte Körperlage an einem erhöhten Puls und an Benommenheit, Schwindel leiden. Die Beschwerden lassen nach, wenn sich die Betroffenen hinlegen.
ME/CFS: Das Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt, weil es eine Vielzahl an Beschwerden mit sich bringt.

Dass es sich bei Long Covid bzw. Post Covid um ein immunologisches Problem handelt, wird in der Wissenschaft immer klarer. Ein deutsch-österreichisches Forscherteam hat jetzt in einer Vergleichsstudie bei Post-Covid-Betroffenen eine immunologische Charakteristik herausgefunden, die die Patienten verbindet. Der Wiener Neurologe Michael Stingl ist Experte und macht auf die Studie in einem Tweet aufmerksam.

Die Wissenschaftler beobachteten die immunologischen Parameter von drei Gruppen von Personen zwischen April und Dezember 2020. 16 Probanden hatten nach Genesung der Corona-Infektion ein Post-Covid-Syndrom entwickelt, weitere 16 Erkrankte wiesen keine derartigen Probleme (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Geruchs- und Geschmacksstörungen etc.) auf. Zehn Nicht-Infizierte waren die Kontrollgruppe. Alle Studienteilnehmer waren nicht geimpft, was zum damaligen Zeitpunkt (April bis Dezember 2020) noch nicht möglich war.

Erhöhte Konzentration an Immunzellen

Es zeigte sich, dass das Immunsystem bei Post-Covid-Betroffenen offenbar längerfristig aus dem Lot gerät. "Patienten mit PCS (Post-Covid-Syndrom; Anm.) wiesen bereits nach sechs Wochen sowie auch sieben Monate nach Auftritt der Symptome eine erhöhte Zahl von auf SARS-CoV-2 spezifisch reagierenden CD4-positiven und CD8-positiven T-Lymphozyten auf, die Interferon Gamma und Tumornekrosefaktor freisetzen (...)." Erhöhte Tumornekrosefaktor-Werte im Blut gelten als Merkmal von entzündlichen Prozessen. Auch sogenannte dendritische Zellen, hochspezialisierte Abwehrzellen, wurden bei den PCS-Betroffenen verstärkt festgestellt. 

Dem gegenüber wurde aber auch eine erhöhte Konzentration von Interleukin-4, ein Botenstoff mit anti-entzündlichen Eigenschaften, im Blut der Betroffenen gefunden. Alle diese Ergebnisse sprechen für eine anhaltend hohe Aktivierung des Immunsystems und unterstreichen den Standpunkt anderer Studien.