Das Wiener Gesundheitssystem kommt bei der Bevölkerung nicht gut weg. Die Stadt erhält im aktuellen Gesundheitsbarometer der Ärztekammer nur die Note 2,6 – auf der bekannten Schulnotenskala. Auch wenn Wien damit leicht über dem österreichweiten Schnitt von 2,8 liegt, zeigen sich viele Wiener zunehmend enttäuscht.
"2,6 ist nicht hoffnungslos, aber es gibt Luft nach oben", sagte Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart bei der Präsentation der Umfrageergebnisse. Vor allem ein Wert sticht hervor: 41 Prozent der Befragten suchten im letzten halben Jahr eine Wahlarztpraxis auf – teils freiwillig, teils aus Frust über das öffentliche System.
Die größten Sorgen betreffen die Zukunft: Zwei Drittel der Wiener Bevölkerung fürchten, dass die Gesundheitsversorgung weiter leidet. Besonders Frauen, Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad und Bewohner von Flächenbezirken zeigen sich laut Umfrage besonders kritisch.
Auch die Spitäler geraten in die Kritik: Nur 16 Prozent vergaben ein "Sehr Gut", während 51 Prozent mit "Eher gut" bewerteten. Aber fast die Hälfte der Spitalspatienten fühlte sich nicht ausreichend betreut – der Vorwurf: zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit vonseiten des medizinischen Personals.
Laut Umfrage wünschen sich 57 Prozent der Befragten, dass der Staat deutlich mehr in die Gesundheitsversorgung investiert – deutlich mehr als in Bildung oder Soziales. Das Thema Gesundheit steht für die Wienerinnen und Wiener ganz oben.
Die Ärztekammer zieht klare Schlüsse: Es brauche mehr Kassenarztstellen, zusätzliche Spitalsteams und bessere Bezahlung. Auch interdisziplinäre Facharztzentren seien notwendig, um Patientinnen und Patienten schneller und umfassender zu behandeln.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage zeigt: Nur 30 Prozent der Wiener nehmen regelmäßig eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch. 28 Prozent verzichten ganz darauf. Dabei wird gerade die Prävention immer wichtiger, um langfristig Kosten und Engpässe zu vermeiden.
Die Ärztekammer fordert deshalb auch mehr Anreize – etwa in Form von Bonusmodellen wie bei der SVS, wo Versicherte 100 Euro erhalten, wenn sie Gesundheitsangebote nutzen. Der Fokus müsse künftig stärker auf Gesundheitserhalt statt bloßer Reparaturmedizin liegen.
Auch die Wiener Grünen melden sich zu Wort. Spitzenkandidatin Judith Pühringer und Gesundheitssprecherin Barbara Huemer zeigen sich alarmiert: "Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in das Wiener Gesundheitssystem. Das Gefühl von Sicherheit schwindet – das ist ein alarmierendes Signal."
Sie fordern einen Ausbau von Kassenstellen, bessere Arbeitsbedingungen in Spitälern sowie wohnortnahe Gesundheitsangebote. "Jetzt ist die Zeit zu handeln, bevor noch mehr Vertrauen verloren geht", so Pühringer und Huemer.