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Wildnis und Wildkatze erobern Thayatal zurück

Die Thaya hat sich an der österreichisch-tschechischen Grenze tief ins Gestein gegraben. Ich besuche das Naturparadies im Nationalpark Thayatal.

Heute Redaktion
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Eine große Artenvielfalt zeichnet den Nationalpark im Norden Österreichs aus. Das bemerke ich kurz nach Beginn des Rundganges. Denn wenn Nationalparkdirektor Christian Übl auf eine Stelle am Boden zeigt, schüttelt er sofort acht verschiedene Pflanzennamen aus dem Ärmel.

Die "Big Three" des Nationalparks

Auch die Tiervielfalt ist enorm. Von intakter Natur zeugen die vorkommenden 950 Schmetterlings- und 20 Fledermausarten. Es sind jedoch die Wildkatze, der Schwarzstorch und der Edelkrebs, die zu den "Big Three" gezählt werden.

Comeback der Wildkatze

Die scheue Wildkatze galt in Österreich lange Zeit als ausgestorben. Im Nationalpark Thayatal wurde sie wiederentdeckt. Tiefe Schluchten und unzugängliche Hangwälder bieten ideale Versteckmöglichkeiten.

Aus der Nähe sieht die Wildkatze aus wie eine zu groß geratene Hauskatze mit einem buschigen Schwanz samt schwarzen Kringeln. Zwei Exemplare – Frieda und Carlo – sehe ich bei der Schaufütterung aus nächster Nähe. Das ist nur möglich, weil sie nie in freier Wildbahn gelebt haben.

Nationalpark Thayatal:
Der 2000 gegründete Nationalpark ist 1.360 Hektar groß und liegt an der tschechischen Grenze. Auf der anderen Seite liegt der 1991 gegründete und mit 6.260 Hektar wesentlich größere Národní Park Podyjí. In den beiden Nationalparks wurden 1.288 von insgesamt 2.950 in Österreich vorkommenden Pflanzenarten gezählt. Die 2007 wiederentdeckte Wildkatze, der Schwarzsstorch und der Edelkrebs gehören zu den besonderen Tieren des Nationalparks.

Das Wildkatzen Camp

Bis 2018 entsteht im Nationalpark das Wildkatzen Camp. Dieses bietet Kinder- und Jugendtruppen zukünftig die Möglichkeit, mehrere Tage im Nationalpark zu verbringen. Bis zu zwei Schulklassen können hier gleichzeitig den Wald und seine Bewohner erforschen, sich am Abenteuerspielplatz austoben und den Abend am Lagerfeuer verbringen.

Der Jugend soll ein Bewusstsein für die Natur mitgegeben werden: "Wenn man etwas schätzt, ist auch das Schützen nicht mehr weit", meint Parkdirektor Übl treffend.

Into the wild: Der Nationalpark soll noch ungezähmter werden

Das Gebiet, in dem sich heute der Nationalpark auf tschechischer Seite befindet, war in Zeiten der Tschechoslowakei lange Zeit Sperrzone und wurde streng bewacht. Während diese Restriktionen die Bürger zweifellos einschränkten, konnte sich die Flora großteils uneingeschränkt und ohne Eingriffe durch den Menschen entwickeln.

Diese ungestörte Entwicklung der Natur ist Ziel des Nationalparks auf österreichischer Seite. Lange Zeit störten Eingriffe durch die Holzwirtschaft den Lauf der Natur. Nadelbäume, denen der Nationalpark nicht einmal ideale Bedingungen bietet, wurden gepflanzt, umgefallene Bäume entfernt. Dieser Praxis wurde ein Ende gesetzt.

Es werden keine neuen Pflanzenarten ausgesetzt und das Totholz bleibt liegen. Dieses ist Nährboden für Insekten, von denen wiederum mehrere Spechtarten profitieren. Wird im Wald ein Platz frei, beginnt ein spannender Wettkampf zwischen Bäumen in Richtung Himmel, erklärt Wolfgang Riener, Hüter des Waldes im Nationalpark.

Thaya als fragiler Lebensraum

Die Talsperre des Kraftwerks Vranov mit dazugehörigem Stausee hat enorme Auswirkungen auf das Leben in der Thaya. Kaltes Tiefenwassen fließt aus dem Stauboden ab, in der einstigen Barben-Region sind jetzt Forellen dominant, Ablagerungen mit Flussschotter wurden ausgeschwemmt, Laichplätze für Fische fehlen.

Seit 2014 gibt es Vereinbarungen mit dem Kraftwerksbetreiber. Waren früher oft drei Turbinen an einem Tag aktiviert und gab es somit dreimal täglich Hochwasser, ruft der Betreiber nur noch selten die volle Leistung ab, erklärt mir ein tschechischer Ranger.

Gemeinsamer Wille statt eiserner Vorhang

Die Ranger beider Nationen treffen sich heute oft an der Thayabrücke in Hardegg, die mit knapp unter 90 Einwohnern die kleinste Stadt Österreichs ist. Aus rostigen Eisentraversen, auf die in Zeiten des Eisernen Vorhangs der strenge Blick der Grenzsoldaten gerichtet war, ist wieder ein verbindendes Element entstanden. "Es ist uns wichtig, dass wir uns intensiv mit der tschechischen Seite absprechen", sagt Nationalparkdirektor Christian Übl.

Das ist am Projekt "Thaya 2020" bemerkbar. Laut Übl werden drei Ziele verfolgt. Ein grenzüberschreitender Fischlaichplatz soll geschaffen und die Ablagerung zusätzlicher Sedimente verhindert werden. Außerdem sollen die Fischereizonen auf beiden Seiten der Grenze angeglichen werden.

Jeder der Beteiligten tut alles dafür, dass die Thaya wieder ein natürlicher Lebensraum wird.