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Ist Schneckenschleim der Superkleber der Zukunft?

Napfschnecken kleben sich so fest an Felsen, dass sie selbst den stärksten Wellen trotzen können. Forscher haben nun ihr Geheimnis enträtselt.

Roman Palman
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Forscher zeigen: Napfschnecken (Patella vulgata) haften so fest an Felsen, dass man diesen an ihnen hochheben kann.
Forscher zeigen: Napfschnecken (Patella vulgata) haften so fest an Felsen, dass man diesen an ihnen hochheben kann.
picturedesk.comAFP/Viktor Kang

Eine spezielle Eigenschaft einer ganz unscheinbaren Kreatur versetzt Forscher in Erstaunen. Die Rede ist von Gemeinen Napfschnecken (Patella vulgata). Sie kleben bombenfest an Felsen, so dass sie selbst hoher Wellengang nicht fortspülen kann. Dennoch sind sie mobil und legen auf der Suche nach Algen und Mikroorganismen täglich rund eineinhalb Meter Wegstrecke zurück – im Schneckentempo natürlich.

Ein Team um die österreichische Wissenschaftlerin Birgit Lengerer hat sich nun an die Erforschung der herausragenden Klebefähigkeiten dieser Tiere gemacht und Erstaunliches entdeckt, wie es jetzt im Fachblatt "Open Biology" berichtet.

Die Lösung des Rätsels um die unglaubliche Fähigkeit mariner Napfschnecken liegt demnach in ihrem besonderen Schneckenschleim verborgen. Die Analysen der Forscher haben gezeigt, dass die Tiere nicht etwa vorrangig mittels eines Saugnapf-Prinzips am Felsen haften bleiben, sondern einen stark klebrigen Schleim dazu nutzen, den sie an ihrer Unterseite produzieren. Das Rezept dieses "Superklebers" ist äußerst komplex und besteht aus 171 Proteinsequenzen.

Schneckenschleim gibt weitere Rätsel auf

Manche der Zutaten in dieser Mixtur waren laut den Forschern bereits von anderen marinen Spezies wie Seesternen, Seeigeln, oder Seeanemonen bekannt. Im Gegensatz zu den mobilen Napfschnecken haften sich diese Tiere jedoch permanent an Oberflächen an.

Fressspuren der Gemeinen Napfschnecke (Patella vulgata) auf einem Felsen in der Brandungszone einer Küste
Fressspuren der Gemeinen Napfschnecke (Patella vulgata) auf einem Felsen in der Brandungszone einer Küste
picturedesk.com/FLPA/Steve Trewhella

Ihre Flexibilität könnte die Napfschnecke besonderen Enzymen verdanken, die die Proteine ihres eigenen Klebers wiederum abbauen können. Das und spezielle Zuckerverbindungen dürften die Tiere dazu befähigen, sich bei Bedarf wieder loszueisen, vermuten die Forscher, die gleichzeitig in ihrer Arbeit aber betonen, dass der genaue Mechanismus dahinter noch nicht völlig geklärt sei.

"Superkleber" der Zukunft?

Die Erkenntnisse Lengerers und ihres Teams sind aber nicht nur für Biologen interessant. Auch aus technologischer Sicht birgt der Schneckenschleim enormes Potenzial, das in naher Zukunft unser aller Leben verändern könnte. Denn: der klebende Schleim der Meerestiere ist nicht nur äußerst stark, sondern haftet schnell und nahezu überall – eben auch unter Wasser – und ist dabei noch biologisch abbaubar und für uns Menschen ungiftig. 

So sieht Patella vulgata unter ihrem schützenden Schneckenhaus aus
So sieht Patella vulgata unter ihrem schützenden Schneckenhaus aus
picturedesk.com/FLPA/Steve Trewhella

Da diese natürlichen Verbindungen den handelsüblichen Klebern in vieler Hinsicht deutlich überlegen sind, wird bereits über die Entwicklung von derartigen Bio-Klebstoffen nachgedacht. "Mit der Analyse des Napfschneckenklebstoffes ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung getan", so Lengerer. Diese Kleber könnten dabei nicht nur in Haushalt und Industrie zum Einsatz kommen, sondern vielleicht auch in der Biomedizin. Vielleicht werden wir dereinst sogar verletzte Organe damit wieder zusammenpicken.

Patella vulgata ist aber nicht die einzige Schneckenart mit einer erstaunlichen Fähigkeit. So schafft etwa die äußerst seltene Schuppenfußschnecke (Chrysomallon squamiferum) etwas, das kein anderer Organismus auf dem Planeten Erde kann. Der Tiefseebewohner kann in seinem Körper Eisen herstellen und in seinem Schneckenhaus einlagern.