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Wladimir Putin setzt Atom-Vertrag mit den USA aus

Wladimir Putin ließ in seiner Rede an die Nation nach wortgewaltigen Hasstiraden gegen den Erzfeind "Westen" auch eine nuklear Bombe platzen.

Wladimir Putin hat am 21. Februar den Atom-Abrüstungsvertrag "New START" ausgesetzt.
Wladimir Putin hat am 21. Februar den Atom-Abrüstungsvertrag "New START" ausgesetzt.
Everett Collection / picturedesk.com; Sputnik/Ilya Pitalev/Pool via REUTERS

Kurz vor dem Jahrestag des von ihm befohlenen Einmarsch in die Ukraine hat Präsident Wladimir Putin vor der Föderalen Versammlung – Staatsduma und der Föderationsrat – seine lange erwartete Rede zur Lage der Nation gehalten. 

Nach mehr als anderthalb Stunden, in denen Putin sich und Russland in der Opferrolle suhlten, den zum Erzfeind stilisierten "Westen" für alles Schlechte verantwortlich machte und gleichzeitig vollmundig seiner Bevölkerung unzählige Finanz-Zuckerl in Aussicht stellte, zündete der russische Präsident noch eine – im übertragenen Sinne – nukleare Bombe:

Putin setzt Atom-Vertrag aus

Russland setzt seine Beteiligung am Atomwaffen-Kontrollvertrag "New START" (Strategic Arms Reduction Treaty) aus. Dies ist der letzte großen atomare Abrüstungsvertrag des Kremls mit den USA. Putin betonte aber deutlich: Es handle sich nicht um einen Ausstieg, sondern um eine Aussetzung. 

Dabei ging es um eine 2010 zwischen Barack Obama und Putins Platzhalter im Kreml, Dmitri Medwedew, ausgehandelte weitere Reduktion der Atomwaffen. Ende Jänner 2021 hatten Wladimir Putin und Joe Biden noch die Verlängerung des Vertrags um weitere fünf Jahre unterschrieben. Darin wird eine Reduktion des Atomarsenals auf maximal 1.550 Nuklearsprengköpfe und gegenseitige Rüstungskontrollen festgelegt.

"Theater des Absurden"

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Jahr auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Putin warf den Amerikanern ein "Theater des Absurden" vor – mit Blick darauf, dass Washington unlängst Moskau beschuldigt hatte, keine Experten zur Inspektion der atomaren Verteidigungsanlagen ins Land zu lassen. Wenn in Zeiten solcher Spannungen jemand im Westen ernsthaft erwarte, dass Russland diesen Zugang gewähre, sei das "Blödsinn", meinte Putin.

Die Aussetzung von "New START" begründete Putin vor allem damit, dass etwa Frankreich und Großbritannien ihre Atomwaffenarsenale weiter entwickelten und die Nuklearpotenziale gegen Russland ausrichten würden. Putin wertete auch Äußerungen der NATO dazu als Einmischung und Grund, den Vertrag zu überdenken.

Bereits seit 2019 ist auch der Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF), der die Vernichtung aller Flugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Metern regelt außer Kraft gesetzt. Dieser war 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion im Weißen Haus abgeschlossen und ein halbes Jahr später in Moskau ratifiziert worden.

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    IMAGO/ITAR-TASS

    An allem "Schuld ist der Westen"

    Seine Rede an die Nation nutzte Putin auch zur Rechtfertigung seines Einmarsches und seither andauernden Krieg in der Ukraine. In der "militärischen Spezialoperation" kämpfe Russland gar nicht gegen das ukrainische Volk sondern nur gegen dein "Neonazi-Regime" in Kiew, das eine reine Marionette des Westens sei, behauptete der Kreml-Despot.

    "Sie haben diesen Djinn selbst aus der Flasche gelassen", donnerte er in Richtung Westen und schob damit jegliche Verantwortung an den Opfern seiner Invasion von sich weg: "Die Verantwortung für das Anheizen des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die Zahl der Opfer, liegt vollständig bei den westlichen Eliten und natürlich dem derzeitigen Kiewer Regime, dem das ukrainische Volk im Grunde fremd ist." 

    Der Westen wolle "Russland ein für alle Male erledigen", verängstigt Putin sein Volk. "Das heißt, sie beabsichtigen, einen lokalen Konflikt in eine globale Konfrontation zu verwandeln. So verstehen wir das und werden entsprechend reagieren", so der Präsident weiter. Und: "Sie sind es, die den Krieg angefangen habe. Und wir setzen Gewalt ein, um ihn zu beenden."

    Putin schimpft auch gegen Österreich

    Dann holte er weit aus: Seit den 1930er Jahren wolle der Westen nichts anderes, als Russland zu destabilisieren. Dieses "Projekt" habe unter anderem schon mit Österreich-Ungarn begonnen, behauptete Putin in seiner geschichtsrevisionistischen Ausschweifung. Das einzige Ziel: "Die historischen Gebiete, die man heute Ukraine nennt, uns wegzunehmen."

    Historische Gebiete, auf denen es schon lange vor dem Russischen Kaiserreich (1721-1917) eigenständige Nationen, allen voran die Kiewer Rus, gegeben hatte – aber sowas ist Putin, der sich gerne selbst mit Zar Peter dem Großen vergleicht, egal.

    Vor seinem eifrig klatschenden Publikum machte Putin dann den Spagat vom angeblich armen unterdrückten ukrainischen Volk zur vollständigen Ablehnung der Ukraine als eigenständiger Staat. Seinen Krieg werde er natürlich weiterführen: "Wir werden alles tun, um den lang ersehnten Frieden in unser Land zurückzubringen."

    "Sie quälen Kinder bis zur Pädophilie."

    Der zum Erzfeind stilisierte "Westen" würde auch versuchen, die russische Jugend zu korrumpieren, "weil sie verstehen, dass man Russland auf dem Schlachtfeld nicht besiegen kann."

    Daraufhin ließ der Kreml-Chef eine zutiefst homophobe Schimpftirade los: "Sie lügen ständig, sie hören nicht auf, unsere Kultur und die russisch-orthodoxe Kirche anzugreifen. Sie zerstören die Familie, die kulturelle Identität. Sie quälen Kinder bis zur Pädophilie."

    Nur in seinem Russland, wo auf traditionelle Werte und Religion ("Eine Ehe besteht aus Mann und Frau") geschaut werde, sei die Welt noch in Ordnung.

    Russland soll massiv aufrüsten

    Weiters machte Putin Ansagen zur weiteren Aufrüstung Russlands mit "modernsten Systemen", Fördertöpfen für Kriegswitwen und Rüstungsforschung und dergleichen. So sollen die Löhne in der Rüstungsindustrie steigen und Arbeiter ihre Wohnungsmieten vom Staat subventioniert bekommen.

    Natürlich fanden auch die Sanktionen gegen Russland Einzug in die Rede des Präsidenten. Diese seien unwirksam und würden stattdessen den Europäern schaden, sagte Putin weiter. "Ihre Rechnung geht nicht auf, die russische Wirtschaft hat sich als viel stabiler herausgestellt, als von ihnen gedacht".

    BIP gesunken, aber alles bestens

    Das Bruttoinlandprodukt (BIP) sei um 2,1 Prozent gesunken. Für Februar sowie März sei ein Zusammenbruch der Wirtschaft vorhergesagt worden. Dies sei nicht eingetreten. Der Anteil des Rubels im internationalen Zahlungsverkehr habe sich verdoppelt.

    "Wir werden weiter mit den Partnern an der Unabhängigkeit vom Dollar arbeiten". Beim Wohnbau sei ein neuer Rekord "in der modernen Geschichte" an Fläche geschaffen worden.

    Russland habe zudem eine Rekord-Ernte von 150 Millionen Tonnen Getreide eingefahren. Russland rechnet damit, dass die Gesamtexporte von Getreide 60 Millionen Tonnen erreichen werden.

    Die Arbeitslosigkeit befände sich auf einem historischen Tiefstand, sagt Wladimir Putin. Vor der Pandemie habe sie 4,7 Prozent betragen, nun noch 3,7 Prozent.

    "Wir können Freunde sein"

    Zum Abschluss machte Putin noch ein Versprechen, das für viele wohl nur nach Hohn klingt: "Russland ist ein offenes Land. Wir können Freunde sein. Wir werden niemandem in den Rücken fallen."

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    Russische Truppens stehen tief in der Ukraine im Land.
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    APA-Grafik / picturedesk.com
    Die Milliarden-Zahlungen an Kiew.
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    APA-Grafik / picturedesk.com
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      Bilder von der Schlacht um Bachmut im Osten der Ukraine, 2022.
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