Absetzungs-Hammer

Woran scheiterte dieser "Jedermann" wirklich?

Auch zwei Tage, nachdem bekannt wurde, dass das gesamte "Jedermann"-Ensemble der Salzburger Festspiele ausgetauscht wird, weiß noch kaum jemand warum.

Fabian J. Holzer
Woran scheiterte dieser "Jedermann" wirklich?
Valerie Pachner & Michael Maertens im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen 2023
Franz Neumayr

War es die bauchfreie Buhlschaft, die gleichzeitig auch der Tod war? War es der weibliche Teufel, der trotzdem einen beeindruckenden Penis trug? War es der Glaube mit Babybauch? Oder vielleicht der Kuss zwischen Jedermann und Mammon? Oder war es vielleicht der düstere Unterton der ohnehin schon düsteren Grundstimmung des heurigen "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen, die nun zur Absetzung des gesamten Ensembles von 2023 durch die neue Schauspielchefin Marina Davydova am letzten Mittwoch per Mail geführt hat? Tatsache ist: Der heurige "Jedermann" war unter Kritikern und Besuchern so umstritten wie schon lange nicht. Aber reicht das für die Absetzung? Die Salzburger Festspiele bleiben den tatsächlichen Grund weiter schuldig. 

Das waren die umstrittenen Kostüme der nun abgesetzten "Jedermann"-Inszenierung 2023:

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    Michael Maertens als Jedermann im Büsserhemd und Valerie Pachner als Tod.
    Michael Maertens als Jedermann im Büsserhemd und Valerie Pachner als Tod.
    Franz Neumayr

    Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser fühlte sich im ORF-"Kulturmontag" zwar sichtlich unwohl, ging aber in die Offensive: "Es ist doch nichts Unanständiges, wenn man sagt: 'Ok, jetzt ist es bewältigt, diese Sichtweise auf den 'Jedermann'". Den öffentlichen Aufschrei kann der Intendant nicht nachvollziehen: "Es wird ja so getan, als würde jetzt der Supervulkan in der Nähe von Neapel ausbrechen." Hinterhäuser spielt die Entrüstung in der Kultur-Szene sogar soweit runter, als wäre die gesamte Absetzung eines "Jedermann"-Ensembles etwas Alltägliches: "Wir machen eine neue "Zauberflöte" und einen neuen "Don Giovanni". Wir machen alles mögliche neu…"  

    Die Absetzung des Ensembles kostet die Festspiele jetzt viel Geld:

    Am Geld kann die Absetzung nicht gelegen haben, denn der "Jedermann" ist seit jeher eine Cashcow der Festspiele: Auch 2023 war jede Vorstellung ausverkauft. Die Entscheidung im nächsten Jahr mit einem neuen Regisseur - oder vielleicht auch einer neuen Regisseurin - und einem neuen Ensemble anzutreten, ist auf alle Fälle eine teuere, denn Neuinszenierungen sind automatisch kostspieliger als Wiederaufnahmen. Und die heurige dritte Inszenierung von Regisseur Michael Sturminger war ja bereits eine Neuinszenierung gewesen.   

    Man kann doch nicht sinnvollerweise eine Neuinszenierung für ein Jahr machen!
    Michael Sturminger
    Ex-"Jedermann"-Regisseur

    "Wir wussten, es kommt eine neue Schauspieldirektion", erklärt Sturminger im "Heute"-Talk über die Pläne zur Neuinszenierung im letzten Jahr, "und wir haben gesagt, dass wir es trotzdem nur machen können, wenn sie das übernimmt. Sonst müssen die sich eine andere Lösung suchen." Doch mit der "Lösung" von Davydova, das gesamte Ensemble zu entbinden, hatte damals niemand gerechnet. "Man kann doch nicht sinnvollerweise eine Neuinszenierung für ein Jahr machen!", ist Sturminger jetzt entsetzt. 

    Teuer wird der Neustart des "Jedermann" jetzt auf alle Fälle. Denn abgesehen von den Zusatzkosten für die Neuinszenierung im nächsten Jahr dürfte es auch Kompensationen für das abgesetzt Team geben. Schriftliche Verträge haben den den rund 50 Personen des heurigen Ensembles nur die wenigsten, so wie etwa Hauptdarsteller Michael Maertens, den die Festspiele wohl in jeden Fall entschädigen müssen. Bei den anderen werden nun die Juristen der Festspiele klären, ob mündliche Zusagen seitens der Direktion zu Zahlungen führen werden. Auch Sturminger hat rechtliche Schritte angekündigt, die bis hin zu einer Sammelklage des Ensembles führen können. 

    Das Direktorium der Festspiele hat längst das Ensemble für 2024 gefunden, verrät aber nichts…

    Der "Jedermann" 2024 wird also ein ganz neuer werden, ohne dass Schauspielchefin Davydova oder Intendant Markus Hinterhäuser Einblick gewähren, wohin die Reise gehen könnte. Das könnte von einem Schritt zurück zu einer klassischen Variante bis bin zu einer avantgardistischen Auslegung des Stoffes gehen. Namen für Ensemble und Regie dürfte es offenbar auch schon geben. "Ich könnte es sagen", meinte Hinterhäuser im "Kulturmontag" mit dem Anflug eines Lächelns, verkniff es sich dann aber und meinte nur "wir werden das zur gegebenen Zeit bekanntgeben…"   

    Die VIP-Bilder des Tages:

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      Schauspieler Florian David Fitz transportiert seinen Hund auf die etwas andere Art.
      Schauspieler Florian David Fitz transportiert seinen Hund auf die etwas andere Art.
      Instagram/florian.david.fitz
      fh
      Akt.