Gesundheit

Neuer Covid-Impfstoff für Immunschwache in Entwicklung

Am Universitätsklinikum Tübingen ist ein neuartiger Peptidimpfstoff in Entwicklung, der in Verabreichung und Immunantwort anders ist als die anderen.

30.11.2021, 21:46
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Der neue Impfstoff soll speziell immunschwache Menschen vor Corona schützen.
Getty Images/iStockphoto

Immungeschwächte und Krebspatienten zählen in der Corona-Pandemie zur Hochrisikogruppe. Der Grund: Aufgrund ihrer Medikation ist das Immunsystem geschwächt und kann aufgrund dessen nicht angemessen auf die Impfung reagieren. Deshalb bilden diese Menschen wenige bis gar keine Antikörper. Das bietet dem SARS-CoV-2-Virus die optimale Möglichkeit, sich auszutoben. Forscher aus Tübingen wollen das mit ihrem Impfstoffkandidaten CoVac-1 ändern.

Same same, but different: Der Peptidimpfstoff 

Prof. Dr. Juliane Walz leitet die Studie zu CoVac-1. Walz ist Fachärztin für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie in Tübingen. Im Interview mit dem "Stern" erläutert sie die Wirkweise des geplanten Peptidimpfstoffes, an dem sie aktuell forscht. Der Ansatz dazu stammt aus Tumorimmunologie und Krebsimmuntherapie, erzählt sie. "Wir nehmen kurze Eiweißstücke, die spezifisch für bestimmte Tumorerkrankungen sind und impfen diese den Tumor-Patienten, um so eine Immunantwort gegen die Tumorzellen zu erzeugen. Genau dieses Prinzip haben wir bei der Entwicklung des Impfstoffs gegen Sars-CoV-2 genutzt."

Während gängige Corona-Impfstoffe wie die bekannten mRNA-Vakzine den Bauplan für das Spike-Protein liefern, nutzt der neue Impfstoff Peptide aus vielen verschiedenen Proteinen des Virus. Das Ziel: Eine breitere und stärke T-Zell-Antwort auslösen.

Um Viruserkrankungen effizient abwehren zu können, braucht das Immunsystem zwei Zellarten: Die T-Zellen, die erstens virusbefallene Zellen direkt zerstören können und zweitens die Bildung von effizienten, Virus-neutralisierenden Antikörpern durch B-Zellen ermöglichen. Diese beiden Zelltypen spielen auch für die Abwehr der SARS-CoV-2-Infektion eine entscheidende Rolle. Während Antikörpertests bereits routinemäßig durchgeführt werden, ist über die T-Zellantwort gegen SARS-CoV-2 bislang wenig bekannt.

Pilotstudie erfolgreich, Phase I/II läuft

Die Pilotstudie ist bereits abgeschlossen und brachte erfreuliche Ergebnisse. Zunächst wurden damit Menschen mit "durchschnittlicher Gesundheit" geimpft. Darunter junge, ganz gesunde, aber auch ältere bis 80 Jahre mit gewissen Vorerkrankungen wie Bluthochdruck. Neue Medikamente würden immer zuerst an gesunden Probanden getestet, um die Verträglichkeit und Reaktion des Immunsystems zu beweisen, so die Ärztin.

Alle Probanden der Pilotstudie bildeten eine ähnlich starke Immunantwort wie nach einer natürlichen Infektion. Jedoch war die T-Zell-Antwort deutlich stärker als bei mRNA-Vakzinen. Außerdem sei die Immunantwort nicht auf das Spike-Protein begrenzt, sondern würde breiter ausfallen. Davon könnte jeder profitieren, sagt Walz. Aber "jemand mit gesundem Immunsystem ist durch die zugelassenen Impfstoffe absolut ausreichend geschützt, weil er Antikörper und auch T-Zellen entwickelt. Daher sehen wir unsere Impfstoffentwicklung aktuell spezifisch im Bereich von Immunsupprimierten."

Dazu wurden in den aktuell laufenden Phase I/II Studien bereits 14 immunsupprimierte Probanden geimpft. 12 davon hatten eine Krebserkrankung, 2 einen angeborenen Immundefekt. Jeder Proband wurde nur einmal geimpft. 93 Prozent zeigten eine starke T-Zell-Antwort, sodass mit Phase II gestartet werden konnte. Diese läuft nun seit Mitte Oktober, 12 Probanden wurden seither geimpft.

Nicht in den Muskel, sondern ins Fett

Der geplante Impfstoff unterscheidet sich in seiner Verabreichungsform von sonstigen Impfungen. Er wird nämlich nicht  in den Muskel des Oberarms geimpft, sondern unter die Haut am Bauch. Der Impfstoff beinhaltet eine ölige Lösung, die ein Depot an der Impfstelle bildet und nicht binnen 24 oder 48 Stunden nach der Impfung abgebaut wird. Das Depot sorge dafür, dass das Immunsystem an dieser Stelle kontinuierlich trainiert und stimuliert wird. "Deswegen sehen wir auch keine systemischen Nebenwirkungen wie Fieber und Schüttelfrost, dafür aber häufiger als bei anderen Impfstoffen lokale Reaktionen. Die Leute bekommen einen Knoten unter der Haut, eine Rötung oder eine Schwellung in dem Bereich. Wenn wir eine solche Reaktion sehen, wissen wir, dass das Immunsystem reagiert und wir eine Antwort bekommen", sagt Walz. Und aus Erfahrungen mit Krebspatienten, die nach dem selben Prinzip gegen ihren Tumor geimpft wurden, wisse man, dass so ein Depot bis zu 3 Jahre wirkt. 

Ausrollung dauert noch

Die Studienleiterin geht davon aus, dass die Phase II-Studie bis März, April 2022 die Ergebnisse ausgewertet sein wird. Danach folgt Phase III. Eine genaue Prognose, wann der Impfstoff auf den Markt kommen könnte, kann Walz aktuell noch nicht abgeben, aber: "Es wäre in einem Jahr zu schaffen."