Salzburg

ÖBB lassen erstmals seit 20 Jahren Wohnhaus enteignen

Über sechs Jahrzehnte hinweg baute Adolf aus Salzburg immer wieder an seinem Elternhaus – mit Liebe zum Detail. Nun wurde es enteignet.

06.08.2021, 21:09
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Links im Bild der strittige Bahnübergang in Golling, rechts das Haus von Adolf Gründl und seiner Schwester
Google Street View

Mit nur zehn Jahren half Adolf Gründl mit, sein Elternhaus in Golling (Bezirk Hallein) aufzubauen. Später wurde er Handwerkermeister, erbte das Haus, baute und zimmerte jedes Detail ganz nach seinen Vorstellungen. Für den Kamin, den er aus Flusssteinen mauerte, schleppte er jeden Stein eigenhändig aus der Lammer und dem Bluntautal.

Mittlerweile ist er 76, immer wieder kamen neue Herzensprojekte im Haus hinzu, um ganz seinen Wünschen zu entsprechen. Dem "ORF Salzburg" gegenüber schwärmt er auch von seiner Fußbodenheizung: "Da ist eine Heizschlange aus Nirosta drinnen – da werden die ganzen 40 Quadratmeter Fußboden mit der Glut geheizt. Das ganze Erdgeschoß wird mit dieser Fußbodenheizung geheizt. Die wäre im neuen Haus nicht zugelassen."

Unterführung

"Im neuen Haus"? Eigentlich will er überhaupt kein neues. Trotzdem ist das seinige seit Freitag von einer Baustelle umzäunt. Dieser soll auch sein Grundstück weichen, es wurde enteignet. Ein Bescheid des Landesgerichts habe das laut "ORF Salzburg" bereits bestätigt. Es ist die erste Enteignung eines bewohnten Hauses durch die ÖBB seit 20 Jahren.

Diese will (und wird) an dieser Stelle bis Dezember 2022 eine Unterführung der Tauernstrecke errichten. Die aktuelle Situation ist sehr suboptimal, wie der Projektverantwortliche Christian Höss von den ÖBB erklärt. Der Schranken führt in eine Bundesstraßen-Kreuzung, immer wieder bleiben Lkw auf den Schienen stehen, weil sie sich nicht Einordnen können.

Utilitarismus

"Es ist sicher eine bittere Pille, dass der Herr Gründl da aus diesem Haus heraus muss. Aber wir müssen einfach das übergeordnete öffentliche Interesse – insbesondere die Sicherheit an dieser Stelle – vor das Interesse des Einzelnen stellen. So ist uns schlussendlich nach Jahren der Bemühungen leider nichts anderes übriggeblieben als die Enteignung einzureichen", so Höss zum "ORF Salzburg".

Von einem Ersatzhaus inklusive Umbau nach seinen Wünschen will Adolf Gründl aber nicht wissen. Jeder Stein, jedes Holz habe seine eigene Geschichte, die mit nichts zu ersetzen sei. Auch der Enteignungsprozess habe seine Spuren hinterlassen. "Ich schlafe fast nichts, weil das ganze Unseriöse, das kommt Tag und Nacht. Kaum wirst du munter, musst du aufstehen und das von der Seele reden." Er hofft, trotz allem doch mit seiner Schwester hier wohnen bleiben zu können.