Politik

So kam es zu Nehammers Wahl-Rekordergebnis 

Das hätten die wenigsten erwartet: Karl Nehammer wurde einstimmig zum neuen ÖVP-Chef bestellt. "Heute"  war live dabei.

14.05.2022, 19:02
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Karl Nehammer darf sich über eine einstimmige Zustimmung beim ÖVP-Parteitag in Graz freuen.
ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com

Die Helmut-List-Halle in Graz war prall gefüllt. Alle Granden der ÖVP waren gekommen, um „ihren Karl“ die Zustimmung und Unterstützung auszudrücken. Von Wolfgang Schüssel bis zu Sebastian Kurz betraten auch ehemalige Kanzler der Volkspartei die Bühne in der steirischen Landeshauptstadt.

75 Prozent als Minimalziel

Für Nehammer war es sichtlich eine wichtige Wahl. Nach den Ereignissen der letzten Woche mit Rücktritten und Regierungsumbau wollte sich der Kanzler auf kein Ergebnis festlegen. Nur besser als SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, entlockte „Heute“ Nehammer eine erste Annäherung einer Zahl. Die Oppositionschefin hatte von ihrer Partei zuletzt 75 Prozent Zustimmung erhalten.

Von der Volkspartei man jedenfalls bemüht interne Geschlossenheit zu zeigen. Tirols Parteiobmann Günther Platter ließ sich sogar zu einem Liebesbekenntnis hinreißen und sagte vor vollem Haus in Richtung Bundeskanzler „Ich lieb den Karl Nehammer“.

Vor Platter hatte sich aber die Entourage der Ex-Kanzler der Volkspartei auf der Bühne mit Lobeshymnen auf die eigene Partei und Nehammer überboten. So strich Ex-Regierungschef Wolfgang Schüssel das pro-europäische Antlitz der Volkspartei heraus: „Wenn es die EU nicht geben würde, müsste man sie hier und jetzt erfinden“.

Kurz kehrt mit Schüssel auf Politikbühne zurück 

Mit Schüssel auf die Bühne, die dieses Mal nur einen leichten türkisen Schimmer trug, Sebastian Kurz. Seine Siege bei den Nationalratswahlen 2017 und 2019 hatten die Volkspartei erstmals seit elf Jahren wieder ins Kanzleramt gebracht – ein Umstand, der dem ehemaligen Parteiobmann schon vor seiner Rede einen tosenden Applaus einbrachte.

In seinen Ausführungen rückte Kurz sein neues Leben als Manager und Familienvater in den Mittelpunkt, das auch immer wieder Herausforderungen bringen würde. Er sei derzeit besonders froh über jede freie Minute, die er gemeinsam mit seinem Sohn Konstantin und seiner Freundin Susanne, die nicht am Parteitag anwesend war, verbringen könne. Ratschläge an seinen Nachfolger als Parteiobmann Nehammer, wollte Kurz keine Ratschläge erteilen, er wünsch sich jedenfalls nur von Karl Nehammer, dass dieser "so bleibt, wie er ist".

Letztlich legte auch Klubobmann August Wöginger noch einen nach und sorgte dafür, dass die Stimmung neuerliche einen Peak erreichte. Die prall-gefüllte Halle war nach den Ausführungen vom "Gust“, wie Wöginger von allen in der Volkspartei liebevoll genannt wird, nicht nur wegen der Hitze am Siedepunkt, denn dieser peitschte die Massen nochmal auf Nehammer ein und bat auch um Nachsicht. So hätte der Bundeskanzler seit seiner Amtsübernahme eine Krise nach der anderen bewältigt.

Der Mann der Stunde ließ sich dann eine ganze Stunde Zeit und führte in seiner Rede aus, wie herausfordernd die Zeit zuletzt gewesen sei. Nehammer sprach von der Teuerungswelle, dem Krieg in der Ukraine und der erst kürzlich vorgestellten Pflegereform.

Nehammer: DNA der Volkspartei heißt "Freiheit" 

Nehammer betonte, er werde sich nicht einschüchtern lassen, auch wenn man seine Familie mit hineinziehe und man habe ein Wertefundament, das man auch dann nicht verlassen würde, wenn man eingeschüchtert würde. Die ÖVP stehe zudem dafür, dass man das Thema Korruption transparent angehen werde. "Freiheit ist unsere DNA. Freiheit heißt, dass man die Meinung des anderen nicht teilen muss. Aber dass man sie tolerieren soll", so Nehammer. Das lebe die ÖVP, "das ist der Unterschied zwischen uns und den Linken."

Nehammer erzählte weiter über den Besuch des israelischen Außenministers, dessen Großvater in einem Konzentrationslager ermordet wurde. Österreich stelle sich seiner Verantwortung, so der Kanzler, der damit zum Ukraine-Krieg überleitete. "Es ist ein unglaubliches Privileg in einem so sicheren wie schönen Land leben zu dürfen", so Nehammer, man müsse den Kriegsflüchtlingen helfen und sei ein neutrales Land, habe aber "eine Meinung". Das Massaker in Butscha sei für Nehammer noch vor dem Terroranschlag in Wien das prägendste Erlebnis gewesen. "Butscha zeigt in einer unglaublichen Brutalität die Fratze eines Krieges", so der Kanzler, "wenn man das gesehen hat, spürt man es in einem drinnen, dass alles gut ist, was getan wird", um einen Waffenstillstand zu erreichen, so Nehammer.

Nehammer schreibt für die ÖVP Geschichte

Im Anschluss an Nehammers Ausführungen waren schließlich die Delegierten am Wort. Wie der Kanzler hielten sich diese aber nicht an die 30 Minuten, die für die Abstimmung bzw. die Rede des Kanzlers veranschlagt waren. Mangelnde Zustimmung war jedenfalls nicht Grund für die Verzögerung. Denn nach knapp 60 Minuten war klar: Nehammer ist der erste ÖVP-Parteiobmann, der einstimmig von den Delegierten zum Parteiobmann gewählt wurde.

Sichtlich berührt, trat der Regierungschef nach der Verkündigung des Ergebnisses nochmal auf die Bühne. Gefragt von Günther Platter, ob der die Wahl annehme, versprach Nehammer bejahend: „das ist erst der Anfang“. Sein großes Ziel sei, bei der nächsten Nationalratswahl das Bundeskanzleramt für die Volkspartei zu verteidigen, einstimmige Zustimmung wird es dann aber vermutlich nicht geben.

    Am Samstag stellte sich Karl Nehammer den Delegierten zur Wahl zum Parteichef der ÖVP.
    GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com