Politik

Was hinter den Corona-Verschwörungstheorien steckt

Q-Anon, Impf-Chip und Co.: Verschwörungstheorien zum Coronavirus sind bei Demonstrationen und in Bekanntenkreisen mittlerweile weit verbreitet. 

Leo Stempfl
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Corona-Demonstranten wittern eine "Plandemie".
Corona-Demonstranten wittern eine "Plandemie".
leo

"Das hätte ich mir bei dieser Person nie gedacht!" Diesen Satz hat die Bundesstelle für Sektenfragen im vergangenen Jahr so oft gehört, wie noch nie. Das zentrale Thema der Sektenstelle war 2020 ganz klar die Corona-Pandemie. Denn quasi in einem Atemzug mit den ersten Infektionen in Österreich verbreiteten sich erste Versicherungstheorien zu diesem Thema.

Insbesondere über Social Media verbreiteten sich Fake News und Fehlinformationen wie ein Lauffeuer und führten zu teilweise heftigen Konflikten unter Familien und Freunden. Eine besonders starke Konzentration findet man auf den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. "Normale Menschen", die dort teilnehmen, werden von den Verschwörungstheoretikern jedoch übertönt.

Mit Fortschreiten des Jahres 2020 kristallisierte sich immer mehr heraus, wie stark von Verschwörungstheorien durchzogen die "Querdenker"-Szene ist, die hinter vielen der Demos steht. Auch Rechtsextreme vereinnahmen die Proteste regelmäßig erfolgreich für sich. Die Sektenstelle hat nun eine Übersicht der dort am häufigsten vertretenen Theorien angefertigt.

Wer ist dafür anfällig?

Doch vorneweg eine weitere Frage, mit der die Beratungsstelle häufig konfrontiert wurde: "Wer sind die Personen, die anfällig sind für Verschwörungstheorien?" Erstmals zeigte sich dabei ein "neues und überraschendes Personenprofil". Seit der Pandemie sind Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben und diese verbreiten, sehr viel diverser. Frauen wie Männer waren gleichermaßen betroffen, ebenso alle Altersgruppen und Bildungsschichten.

Besorgte Angehörige ordneten solche Personen bisher eher dem links-grün-alternativen Spektrum zu, bemerkten nun aber einen starken Rechtsruck, der sich oft auch mit antisemitischen Aussagen manifestierte. Eine Häufung gab es bei den über 40-Jährigen, wohl weil diese leichter unter den Einfluss von Falschinformation und Manipulation des Internets geraten als jüngere Menschen.

1
Bill Gates

"Viele der Verschwörungstheorien waren in ihren Inhalten ausgesprochen extrem und irrational", heißt es im Tätigkeitsbericht. So wurde nicht nur behauptet, dass die Erde hohl und von Echsenmenschen bewohnt sei, sondern auch, dass Bill Gates die Pandemie in Auftrag gegeben hätte, um Menschen mit der anschließenden Impfung einen Mikrochip zu implantieren.

Regelmäßig finden sich entsprechende Schilder auf Corona-Demos – auch in Wien. Man fürchtet, die Bevölkerung soll dadurch zu einer Heerschaar willenloser Befehlsempfänger gemacht werden.

2
Blackout

Die Warnungen vor dem "Tag X" sind in der rechtsextremen Szene weit verbreitet und sorgen dort für ein regelrechtes Wettrüsten, einem Horten von Waffen und Munition. Doch auch in anderen Kreisen wird vor einer bevorstehenden Katastrophe gewarnt, die in einem Wirtschaftszusammenbruch, einem Militärputsch, dem Jüngsten Gericht mit der Wiederkehr von Jesus Christus, einem weltweiten Stromausfall und vielem mehr liegen kann.

"Oft wurden dafür auch konkrete Termine genannt. Das Nichteintreffen dieser Voraussagen schien keinen Einfluss auf die Gläubigen zu haben", heißt es von der Sektenstelle. Zu Konflikten kam es, wenn sich Familienmitglieder bevorrateten und das auch von anderen einforderten. 

3
Q-Anon

Auch häufig in Form von Fahnen, Schildern, Shirts und Flyern auf Corona-Demos gesehen sind die Begriffe "QAnon" und/oder "WWG1WGA" (Where we go one we go all). Vor der Pandemie war diese Erzählung in Österreich nahezu unbekannt. Mittlerweile fand der dadurch geprägte Begriff eines "Deep States" sogar Einzug in die österreichische Politik, gerne gebraucht wird/wurde er von der FPÖ.

Mächtige, statistische Netzwerke würden Kinder entführen und quälen, unter die Erdoberfläche verschleppen, sie dort erst sexuell missbrauchen und ihnen dann das Blut aussagen, um daraus Adrenochrom (ein Adrenalin-Stoffwechselprodukt) zu gewinnen und dieses als Verjüngungsmittel für Hollywood und andere Eliten bereitzustellen.

Die messianische Erlöserfigur ist kein geringerer als Donald Trump, der die Befreiungsaktion gegen eben jenen "Deep State" anführt.

4
Maßnahmen-Gegner

Schon als die Pandemie erstmals an Fahrt aufnahm wurde breit "hinterfragt", was "Herkunft" und "Absicht" des Coronavirus sein könnten. Das Masketragen oder Testen wurde in weiterer Folge völlig abgelehnt, schlussendlich verschob sich der Fokus von Fehlinformationen in Richtung Impfung.

Entweder war der Impfstoff nicht erprobt genug, man fürchtete sich vor der neuen Technologie, oder zog gar sehr fantasievolle oder unzutreffende Begründungen hinzu. So etwa, dass mit dem Impfstoff ein Mikrochip implantiert wird.

5
Esos

Seit jeher zeigt sich die Esoterik-Szene skeptisch was die klassische Schulmedizin betrifft, teilweise griff man dazu schon vor der Pandemie auf Verschwörungstheorien zurück. Nun erreichte das einen neuen Höhepunkt. "Viele der Menschen, die sich mit der Querdenker-Bewegung identifizierten oder im Umfeld mit dem Verweigern von Testungen und Schutzmaßnahmen auffielen, gehörten auch der Esoterik-Szene an", befindet die Sektenstelle.

6
Fundis

Oft etwas abseits der eigentlichen Kundgebungen findet man christlich-konservative bzw. fundamentalistische Gruppen. Sie beten Rosenkranz, singen religiöse Lieder und sind sich sicher: Die Pandemie ist ein Zeichen für den bevorstehenden Tag des Jüngsten Gerichts.

Man intensivierte deswegen Missionsbestrebungen und vertraute anstelle der Hygienemaßnahmen auf die schützende Hand Gottes. Corona-Cluster entstanden auch in einigen Freikirchen.

Gläubige pilgerten am 20. November sogar aus Tirol zur Corona-Demo nach Wien, beteten am Heldenplatz Rosenkranz.
Gläubige pilgerten am 20. November sogar aus Tirol zur Corona-Demo nach Wien, beteten am Heldenplatz Rosenkranz.
leo
7
Rechte

"Rechtsextreme Bewegungen, Influencerinnen und Influencer bzw. Aktivistinnen und Aktivisten traten verstärkt bei Querdenker-Demonstrationen auf und verbreiteten dort auch verschwörungstheoretische Inhalte." Viele Inhalte sind offen oder zumindest versteckt antisemitisch.

Jene Gruppen waren es auch, von denen hauptsächlich die Angriffe auf über die Proteste berichtende Journalisten ausging. Gegen sie wurde gehetzt, auch kam es zu tätlichen Angriffen auf Fotografen, Kamerateams und Reporter. 

Wie geht man damit um?

Gibt es noch eine Bereitschaft, sich mit Argumenten zu befassen, sollte mittels Faktenchecks auf den verschwörungstheoretischen Charakter hingewiesen und Fake News aufgeklärt werden, rät die Sektenstelle. Dazu dienen Internetplattformen wie "mimikama.at", "correctiv.org" oder "klicksafe.de".

Stößt man auf Abwehrhaltung oder eine sprichwörtliche Wand, sollte man sich eher über die Quellen der betroffenen Person unterhalten und wie vertrauenswürdig diese sind. Dabei soll stets der nötige Respekt voreinander gewahrt werden. Verbreitet das Gegenüber aber antisemitische, rassistische oder grundsätzlich menschenverachtende Inhalte, ist klar eine Grenze überschritten, was mit deutlicher Ablehnung quittiert werden sollte.

Anstatt Monologe zu halten, sollte man eher Fragen stellen und Interesse für die Motive des Gegenübers zeigen. Effekte zeigen sich, wenn überhaupt, oft aber erst über einen längeren Zeitraum hinweg.