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Koller: "Das Kabinen-Video würde mir zu weit gehen"

Heute Redaktion
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Marcel Koller über das Kabinen-Video von Jesse Marsch.
Marcel Koller über das Kabinen-Video von Jesse Marsch.
Bild: Screenshot

Red Bull Salzburg stellte ein Video mit einer Kabinen-Ansprache von Trainer Marsch für PR-Zwecke ins Netz. Für Ex-Teamchef Marcel Koller unvorstellbar.

Sie ist Rückzugsort für Spieler, Betreuer und Trainer und sie ist tabu für Fans und Medien. Was hier passiert bleibt geheim – bis jetzt. Man stelle sich vor, die Zuschauer könnten live mitverfolgen wie Ludovic Magnin seine Spieler zusammenstaucht oder Marcel Koller in Basel seine Jungs heiß macht? Red Bull Salzburg überschritt im Champions-League-Spiel in Liverpool diese letzte Grenze und öffnete die Spielerkabine für PR-Zwecke.

Rückblende: Nach 36 Minuten lag Salzburg in Liverpool 0:3 zurück. Das Spiel schien zur Halbzeit entschieden, auch wenn die Österreicher noch vor der Pause das 1:3 erzielten. Nach dem Pausentee kämpfte sich Salzburg zurück und glich zum 3:3 aus, ehe Mohamed Salah die spektakuläre Partie mit dem 4:3 doch noch zugunsten der "Reds" entschied. Marsch schien in der Kabine die richtigen Worte gefunden zu haben. Der Verein filmte mit und veröffentlichte danach das Video mit der irren Kabinen-Ansprache von Trainer Jesse Marsch.

Die Gardinenpredigt landet im Netz

"Wie viele Fouls haben wir?", fragte der Salzburg-Trainer zu Beginn seiner Gardinenpredigt rhetorisch. "Vielleicht zwei." Dann wurde Marsch laut: "Das ist nicht ein f***ing Freundschaftsspiel! Das ist ein f***ing Champions-League-Spiel!" Der Trainer redete sich weiter in Rage, fuchtelt mit den Armen, mimte einen Ellenbogenschlag, forderte seine Spieler auf, mit mehr Aggressivität in die Duelle zum Beispiel gegen Virgil van Dijk zu gehen und machte seinen Profis richtig Feuer unterm Allerwertesten. All das wurde auf Video festgehalten, das sich im Netz rasend schnell verbreitete und für viel Diskussionen sorgte.

Weltklassetrainer Jürgen Klopp zum Beispiel hält nichts von einer solchen Inszenierung. Der Liverpool-Coach zeigte dementsprechend wenig Verständnis für die Aktion der Österreicher. "Wenn LFC-TV (der hauseigene Sender, Anmerk. d. Red.) ein Video von mir in so einer Situation macht und ins Internet stellt, würde ich den Klub verlassen – und das ist die Wahrheit", sagte der Startrainer. Laut Gerüchten habe Klopp in der Vergangenheit schon ein ähnliches Angebot abgelehnt haben, dass Amazon eine Serie mit mehr oder weniger intimen Einblicken in die Arbeit des FC Liverpool drehe.

2012 bot GC den Zuschauern einen ähnlich pikanten Service und gewährte kurz vor Matchbeginn Einblicke in die Kabine. Die Szenen stammten aus den letzten zehn Minuten vor Kickoff und in der Pause – ohne Ton, wenn der Trainer taktische Dinge besprach. Die Bilder wurden dann über die Videowand im Stadion übertragen. "Für mich ist das kein Problem. In der Serie A macht man das schon länger", sagte Uli Forte damals. "Es ist ja nicht so, dass man irgendwelche taktische Anweisungen oder Standardsituationen preisgibt, sondern nur die Stimmung in der Garderobe. Wir wollen den Zuschauer im Stadion belohnen."

In den USA sind die Kameras aus Vermarktungszwecken längst Teil einer anderen Kabinenkultur. "es ist nicht immer angenehm, aber die Leute schätzen das", sagte Marsch, der diese Situation schon aus Amerika kannte. Klopp und Marsch haben Stellung bezogen, aber wie stehen die Super-League-Trainer dazu, wenn ihre Kabinenansprachen auf Geheiß des Klubs öffentlich gemacht würden?

"Das wird es so nicht geben"

"In der heutigen Gesellschaft ist fast alles öffentlich und wir als Trainer und Spieler stehen stets unter Beobachtung. Die Garderobe ist eine der letzten Rückzugsorte der Mannschaft, deshalb kann ich es mir auch nicht vorstellen, dass meine Kabinenansprache gefilmt und veröffentlicht wird", sagt Zürich-Trainer Ludovic Magnin und liegt damit auf der gleichen Wellenlänge wie sein Trainerkollege aus Luzern. "Ich bin hier der gleichen Meinung wie Jürgen Klopp – für mich kommt das nicht in Frage", sagt Thomas Häberli klipp und klar, "eine Ansprache welche ich an die Mannschaft richte, wird es so nicht zu sehen geben."

Und auch in Basel, Vorreiter vieler Tendenzen im Bereich Vermarktung in der Super League, tönt es ähnlich. "Ich brauche das auch nicht. Wenn man in der Kabine zur Mannschaft spricht, dann ist das so, wie wenn man mit der Familie zum Mittagessen oder Abendessen am Tisch sitzt: Da werden Dinge besprochen, die nur für diesen Kreis bestimmt sind", sagt Basel-Trainer Marcel Koller. "Es ist mir klar, dass es vonseiten der Klubs zunehmend darum geht, Einblicke zu gewähren. Als Trainer muss man da das eine oder andere Zugeständnis machen. Aber dass in der Kabine die Ansprache gefilmt wird, ginge mir zu weit. Da muss man sich auf das Spiel konzentrieren. Und auch wenn das Mitarbeiter des Klubs sind, die man kennt, wäre das eine Ablenkung, die ich nicht will."