Er liest sich wie ein Krimi – der aktuelle Prüfbericht der niederösterreichischen Gemeindeaufsicht. Das 60-seitige Dokument wirft jetzt Licht auf die fragwürdigen Vorgänge an der Musikschule Waidhofen/Ybbstal, wo auch einst der ÖVP-Politiker und Dirigent Wolfgang Sobotka tätig war. Im Zentrum der Affäre stehen nicht nur lückenhafte Aufzeichnungen: Honorare in Höhe von mehr als 180.000 Euro sollen, laut ORF, an zwei Lehrkräfte gegangen sein – ohne nachweisliche Rechtsgrundlage.
Eine große Zahl an Honoraren soll von der Schule bar oder per Überweisung ausgezahlt worden sein, ohne dabei jedoch Abgaben wie Sozialversicherung oder Lohnsteuer zu entrichten. Ungereimtheiten bei der Lagerung von Bargeld, lückenhafte Buchführung bei Sparbüchern und Fragen rund um den Verkauf von Instrumenten kommen noch hinzu.
Ein Beispiel: "Am 27. November 2017 wurden lt. vorgefundenen Beleg € 1.580,-- für ein Honorar Person X bar bezahlt. Der ursprünglich angedruckte Betrag von € 1.050,-- wurde (schwarz) durchgestrichen und der ausbezahlte Betrag händisch angeführt", heißt es etwa auf Seite 29 im Prüfbericht.
Selbe Seite, neue Umgereimtheit: "Auf der Honorarnote Person Y für den Monat Mai 2023 vom 15. Mai 2023 wurde der in Rechnung gestellte Betrag in der Höhe von € 3.585,-- händisch eingesetzt. Bei der am Beleg ersichtlichen Unterschrift des ehemaligen Amtsleiters ist als Datum der 19. Juni 2023 ersichtlich."
Oft stimmen die Geldflüsse an Personen nicht mit den Belegen darüber überein. So heißt es an anderer Stelle: "Für eine Barauszahlung am 8. September 2023 in der Höhe von € 3.675,-- lagen in der Belegsammlung Honorarnoten für die Monate Juli und August von jeweils € 1.050,-- vor. Beim Differenzbetrag handelt es sich voraussichtlich um das Honorar des Monats Juni 2023 von € 1.575,--, welches allerdings auch schon am 16. Juni 2023 vom Girokonto behoben wurde."
Und: "Die Gesamtauszahlungen des Jahres 2023 für Honorare Person X belaufen sich lt. Girokonto auf insgesamt € 17.525,--. Lt. den Honorarbelegen bzw. Aufstellung des Gemeindeverbandes beläuft sich die Gesamtsumme auf insgesamt € 15.950,--."
Auch 2023 und 2024 setzten sich die Ungereimtheiten fort. "Am 17. Oktober 2023 wurden € 3.970,-- vom Girokonto für ein Honorar Person Y behoben. Am Beleg scheint ursprünglich ein Betrag von € 2.975,-- auf, der mit einem Betrag von € 3.970,-- (händisch) ausgebessert wurde." Ein Unterschied von 1.575 Euro.
Wieder an anderer Stelle stoßen die Prüfer der Gemeindeaufsicht auf doppelte Zahlungen: "Am 18. Dezember 2024 wurde ein Honorar Person Y in der Höhe von € 1.600,-- gebucht, wobei auf der Girokontoauswertung am 18. Dezember 2024 ein Honorar Person X in der Höhe von € 1.600,-- ersichtlich ist. Lt. vorgelegtem Beleg handelt es sich um das Honorar Person X für den Monat Dezember 2024, wobei festzustellen ist, dass bereits mit 8. November 2024 die Honorare Person X für die Monate Oktober bis Dezember in der Höhe von € 7.175,-- verbucht wurden."
"Am 8. November 2024 wurden auch € 7.175,-- vom Girokonto bar behoben. Der Betrag bzw. die Auszahlung scheint nicht auf den vom Musikschulverband vorgelegten Unterlagen zu den Honoraren (weder bei Person X noch bei Person Y) auf." Doch, nicht nur die Buchhaltung wurde laienhaft geführt.
"Die obenstehend verzeichneten Honorare wurden für die 'Tätigkeit als ... Lehrer für den Musikschulverband Waidhofen/Ybbstal' gestellt. Ein schriftlicher Vertrag, welcher Rechtsgrund für die Honorarzahlung ist, konnte seitens der Aufsichtsbehörde nicht aufgefunden werden."
Und: "Aufgrund der mündlichen Angaben des Verbandsobmannes ist nicht davon auszugehen, dass ein Organ des Gemeindeverbandes mit der genannten Person einen Vertrag, der die Honorarzahlungen begründen würde, abgeschlossen hat."
"Wir nehmen die Erkenntnisse aus dem Prüfbericht sehr ernst", erklärte Verbandsobmann Werner Krammer (ÖVP) in einer Presseaussendung. Krammer ist nicht nur selbst Lehrer an der besagten Schule gewesen, sondern auch der amtierende Bürgermeister von Waidhofen an der Ybbs.
Vermutlich wäre der Fall gar nicht in Rollen gekommen, wenn nicht der langjährige Leiter der Musikschule, Christian Blahous, dieses Frühjahr, nach einem Sturz, plötzlich verstorben wäre.
Einer seiner Vorgänger, der ÖVP-Politiker Wolfgang Sobotka – von 1972 bis 1998 Musikschullehrer und ab 1988 für zehn Jahre Leiter der Musikschule in Waidhofen an der Ybbs – widmete Blahous sein Sommerkonzert. Ebenfalls im Sommer waren einem interimistischen Nachfolger von Blahous die Unregelmäßigkeiten aufgefallen – das führte schließlich zu einer Selbstanzeige durch Verbandsobmann Krammer.
Obwohl sich der Skandal um die Schule jetzt weiterzieht, versicherte der Verband allen Eltern und auch den Musikschülerinnen und -schülern, dass man den normalen Schulbetrieb aufrechterhalten werde: "Wir arbeiten an einer lückenlosen Aufklärung", heißt es von Krammer in einer Aussendung.