Hundeblog
A taste of KEKS: Warum will man einen Polizeihund?
"Heute"-Redakteurin Christine Kaltenecker erzählt von ihrem Leben mit drei Hunden und wie Junghund "Keks" den Alltag völlig durcheinander bringt.
Seit dem schrecklichen Fall in einer oberösterreichischen Kleinstadt, wo ein American Staffordshire Terrier Rüde namens "Elmo" eine Joggerin zu Tode gebissen haben soll, stehen alle Ampeln für Hundehalter auf dunkelrot. Man sucht verzweifelt nach einer Rechtfertigung und scheint sie auch gefunden zu haben: "Elmo" soll still und heimlich im Hinterhof zu einem sogenannten "Schutzhund" ausgebildet worden sein. Genaueres möchte man aber noch nicht bestätigen, da es die laufenden Ermittlungen gefährden könnte.
Was ist ein Schutzhund?
Lassen wir einmal außer acht, dass Hunde ihre Menschen instinktiv sowieso im Ernstfall beschützen, alarmierend zum Gartenzaun oder der Tür laufen und auf ein Unwohlsein oder gar Angst des Besitzers sofort reagieren würden. Am Hundeplatz werden solche Szenarien aber bewusst herbeigeführt und mit dem Hund der Ernstfall trainiert.
Für die Polizei und auch das Militär macht diese Art der Ausbildung natürlich Sinn, doch diese Hunde stehen im Dienst der Menschheit, latschen nicht nur einmal pro Woche in die Hundeschule, sondern absolvieren alleine schon die Grundausbildung von insgesamt drei Modulen in 544 Trainingsstunden. Da stellen sich mir dann folgende Fragen: wie realitätsnah ist beispielsweise der "Schutzhundesport" in der Hundeschule "Schaßklappersdorf" im Vergleich zu den Lehrgängen im Bundesausbildungszentrum? Und warum will ich als Privatperson überhaupt einen "Polizeihund" an der Leine haben? Würdest du eine Ausbildung absolvieren, die du später nicht ausübst? Komisch ...
Tierschützer VS. Kynologenverband
Für die großen, österreichischen Tierschutzorganisationen war der Fall sonnenklar: Nach "Elmo" und weiteren Bissatacken anderer "ausgebildeter Schutzhunde" soll der Schutzhunde"sport" verboten werden und nur noch den Vierbeinern im Polizei- und Militärdienst vorbehalten sein. Dieser Ausbildungsteil des Gebrauchshundesports sei schon seit Jahren kritisch beäugt worden, es gäbe viel zu viele schwarze Schafe und das Training an sich sei sowieso brutal, laut und meistens nur bei nervösen und stressanfälligen Rassen einsetzbar.
Gegenargumente versucht der Österreichische Kynologenverband (ÖKV) zu liefern, denn immerhin handelt es sich um einen weltweit anerkannten Hundesport, der völlig unrechtmäßig von den Tierschützern in ein falsches Licht gerückt würde. Wenn der Hund im Training gewollter maßen, mit zwei oder mehr Leinen gesichert auf den sogenannten "Beutearm" losgeht, sei er nämlich von jauchzender Freude erfüllt und der ÖKV habe sich sogar 2018 erfolgreich dafür eingesetzt, dass man mit der "Hundepeitsche" auch nur noch andeuten darf und den Hund nicht tatsächlich in der Rolle des "Scheintäters" schnalzt. Auch sei der Hund während des Trainings nur positivem Stress ausgesetzt und würde keinesfalls mit Zwang und Druck auf einen Menschen gehetzt werden.
Zahlreiche Versuche
Trotz emotionaler Achterbahnfahrten versuchte ich gegenüber dem Schutzhundesport objektiv und unvoreingenommen zu bleiben. Immerhin sind auch manche Tierschützer von der flotten Sorte und schreien gerne Feuer, bevor es auch nur dampft. Das Lager jedoch zu wechseln war - temporär zumindest - mit der Pressekonferenz des ÖKV vom Tisch. Auch wenn man sich sehr freundlich und höflich zeigte, so wurde meinen Fragen ausgewichen und wie in jeder Aussendung zuvor, auf die belegbaren Vorteile des "Gebrauchshundesportes" hingewiesen. Gebrauchshundesport? Schon wieder der Überbegriff "Gebrauchshundesport"?
Während sich die Melodie von Wolfgang Ambros' "Du vastehst mi ned" in meinem Kopf zu einem regelrechten Ohrwurm entwickelte, versuchte ich letztmalig auf des Pudels Kern zu kommen, indem ich die Frage stellte, warum der ÖKV so sehr auf den Teil der Schutzarbeit bestünde? Weder die Fährtenarbeit, noch die Unterordnung des Vielseitigkeits- oder eben GEBRAUCHSHUNDEsports sei auch nur mit einem Wort der Tierschützer in Misskredit geraten, also wieso müsse der Privathund lernen, in einen (Jute-)Arm des Menschen zu beißen?
...Stille... dann Kynologin Yvonne Adler, die mir zu erklären versuchte, dass nicht der Mensch die Beute sei, sondern das Objekt - der "Ball" oder in diesem Fall der Jutearm. Und auch die Individualdistanz des Hundes sei respektiert, denn er zeige ja ein Verhalten zur Distanzverringerung, wenn er sich auf den gepolsterten Ärmel - also, seine Belohnung - stürzt. Wunderbar. Ich fasse zusammen: Der domestizierte Wolf hat also eine diebische Freud' wenn er einen "Feind" so richtig durchschütteln kann, bis aus dem OFF mit ungefähr 80 Dezibel mehrmals ein "AUS" auf den Adrenalin-gefüllten Rexi gebrüllt wird.
Da hat's was
Ich lasse mich gerne eines besseren belehren und komme auch jederzeit einer Einladung zu einem seriösen Schutzhundetraining nach, um mich davon zu überzeugen, dass die Tierschützer vielleicht ein bisschen über das Ziel hinausschießen. Bisher jedoch muss ich leider, leider sagen, dass ich die Szene äußerst fragwürdig finde und schon alleine die Tatsache diesen "Sport" seinem Hund zumuten zu wollen, ambivalent betrachte. Auch "Keks" hat Beutetrieb, Jagdtrieb und liebt es an seinen Dummys herumzuzerren. Ob ich ihm und mir jedoch was Gutes tue, sein triebiges Verhalten jetzt auf einen 1m80 großen Mann am Hundeplatz zu lenken, wage ich zu bezweifeln.
Erstens, soll er nämlich auch den Rest seines Lebens alle Menschen abbusseln wollen und keinesfalls auch nur im Ansatz eine ablehnende Haltung erfahren und zweitens glaube ich nicht daran, dass es gesund sein soll, die Cortisol-Ausschüttung bei rassebedingten Stressbüscheln wie die ganzen Schäferartigen und Dobermänner mehrmals die Woche am Hundeplatz zu fördern. Hier ist die Fährtenarbeit doch die perfekte Auslastung, warum also das "FAAAASS" ??
Ich finde auch den kontrollierten "Hundebiss" nicht harmlos. Die "Scheintäter" offenbar aber auch nicht, sonst tätens ja nicht wie das Michelin-Maxel gekleidet, breitbeinig in der Wiese stehen. Naja, dass es sich hier wirklich IMMER um Tierquälerei handelt, glaub ich nicht, aber wie so oft: Wo der menschliche Ehrgeiz beginnt, hört die Hundeliebe auf ... und bis man hier die Kontrollen realisieren kann, die es bräuchte, sollte man sehr vorsichtig mit der Wahl des Hundesports sein.
Christine Kaltenecker wurde bereits in ein Haus mit Hund hinein geboren und entschied sich bewusst für ihren ersten, eigenen Hund mit 14 Jahren ("Damien", 1997 - 2011)
Seelenhund "Kirby" (15) wurde ihr als Notfallwelpe zur Flaschenaufzucht von einem Tierschutzverein aus der Slowakei überbracht und ihr einziges Mädchen "Kennedy" (6) bekam sie ebenfalls als Pflegehund, nachdem sie in ihrem Zuhause mit neun Monaten plötzlich unerwünscht war.
Zuletzt zog Terrorkrümel "Keks" am 16. August 2022 ein und stellt das harmonische Rudel ganz schön auf den Kopf.