Österreich

Stacheldraht um Asylheim – richtig oder "Schande"?

Heute Redaktion
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Über das Asylquartier in Drasenhofen wird hitzig gestritten. Während FP-Landesrat Waldhäusl den Bau verteidigt, hagelt es von anderen Seiten Kritik.

Begriffe wie "Internierung", "illegales Straflager" oder "Alcatraz" werden in einem Atemzug mit dem Quartier Drasenhofen erwähnt – nun soll Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gar die Notbremse gezogen haben.

Aber warum herrscht eigentlich so ein Riesenwirbel um die Unterkunft, in der auffällig gewordene jugendliche Flüchtlinge untergebracht werden? Um diese Streitpunkte geht es:

Menschenrechtsexperten stehen dem Asylquartier im niederösterreichischen Bezirk Mistelbach schon allein wegen der Optik äußerst kritisch gegenüber. Der Betonbau ist mit Stacheldrahtzaun umzäunt. Sicherheitspersonal steht am Eingangstor, es gibt einen Wachhund, Kameras sind angebracht.

"Das ist eine Schande für Österreich."

Den VP-Bürgermeister Reinhard Künzl regt das fürchterlich auf. "Das ist eine Schande für Österreich. Wenn man hier hereinkommt und als erstes sieht man das Gebäude mit Stacheldraht."

Für die Errichtung des umstrittenen Quartiers verantwortlich zeichnet der FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl. Er sieht in den baulichen Vorkehrungen kein Problem: Man habe sie als Schutzmaßnahme getroffen – einerseits für die Gemeindebewohner, andererseits "zum Schutz dieser Jugendlichen, damit nicht jeder eindringen" könne.

Die Gegner bekritteln weiter, dass viele Außenstehende eben wegen jener Optik denken würden, dass sich schwer kriminelle Personen in der Unterkunft befinden würden, aber: "Verbrecher können sie nicht sein, sonst wären sie verurteilt und würden in einem Gefängnis sitzen", so Künzl.

Keiner der hier untergebrachten Jugendlichen sei zu einer unbedingten Strafe verurteilt worden. Dennoch würden sie wie Schwerkriminelle behandelt, stehen unter ständiger Bewachung und werden so sogar daran gehindert, die Schule zu besuchen.

Alma Zadic, Menschenrechtsprecherin von JETZT, ortet einen "schweren Verstoß gegen die Menschenrechte": "Die Minderjährigen haben nur eine Stunde pro Tag Ausgang und auch das nur in Begleitung von Security. Wenn das nicht Freiheitsentzug ist, was dann?"

FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl kontert: "Es geht darum, ein geordnetes Miteinander sicherzustellen". Die Jugendlichen sollten "lernen sich zu benehmen. Es gibt eben Regeln und Pflichten, an die sich jeder halten muss."

Besorgte Bürger und Menschenrechtsexperten orten einen Verstoß gegen internationales Recht, weil die Jugendlichen hier "eingesperrt" würden. Es handle sich um einen rechtswidrigen Freiheitsentzug. Die Asylwerber dürfen eigenen Angaben zufolge nur eine Stunde am Tag – von 10 bis 11 Uhr – nach draußen. Auch das nur in Begleitung.

Waldhäusl meint dazu: "Es ist ein Quartier wie viele andere auch, niemand wird eingesperrt." Einen Freiheitsentzug gäbe es nicht. "Es gibt keinen Freiheitsentzug, sie können jeder Zeit raus, aber: nur in Begleitung."

Das Argument, dass Jugendliche angezeigt würden, wenn sie ohne Begleitung das Quartier verlassen wollen, möchte Waldhäusl nicht gelten lassen. Er räumt aber ein: "Sollten sie untertauchen wollen, wird das natürlich der Polizei gemeldet und dann kommen sie (zumindest kurz) in Schubhaft."

Laut Experten seien die Bewohner wegen eher harmloser Taten in Drasenhofen. Es gehe um Straffälligkeiten, die bei allen Jugendlichen – unabhängig von der Herkunft – in jener Altersklasse vorkommen könnten.

"Dass jemand eine Rangelei am Schulhof hat, dass einer in einer Gruppe vielleicht einmal einen Joint raucht – das gibt es in Österreich immer wieder und betrifft Tausende Jugendliche. Wenn man diese alle einsperren wollte, müsste man eine Stadt wie Sankt Pölten als Gefängnis aufbauen", schilderte ein Flüchtlingshelfer gegenüber Ö1.

Seiner Meinung nach, wären das Setzen anderer Schwerpunkte wichtiger: "Die Leute brauchen nur eine pädagogische Betreuung."

""Wir haben genug von diesen Jugendlichen, jeder kann sich gerne zwei drei mit nach Hause nehmen und kann auf sie aufpassen und sie pflegen."

Waldhäusl bezeichnet die Bewohner hingegen als "notorische Unruhestifter", für die es anderswo keinen Platz geben würde.

Jenen, "die sich jetzt beschweren und sich um die ach Gott so armen Jugendlichen Sorgen machen", lässt er ausrichten: "Wir haben genug von diesen Jugendlichen, jeder kann sich gerne zwei drei mit nach Hause nehmen und kann auf sie aufpassen und sie pflegen."

Für Waldhäusl steht jedenfalls fest, wie er nicht oft genug betonen kann, dass "ein gewisses Maß an Ordnung und Struktur geboten werden soll, wie das ja auch bei unseren einheimischen, schwer erziehbaren Jugendlichen der Fall ist".

Mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe er sich im Übrigen nicht abgesprochen, denn "ich bin hier verantwortlich und muss mich mit niemandem absprechen."

Misstrauensantrag eingebracht



Die NÖ-Grünen beurteilen das nicht überraschend ganz anders. Sie wollen einen Misstrauensantrag einbringen – lesen Sie mehr dazu hier.

"Das Vorgehen von Landesrat Waldhäusl erinnert an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte."

Die Unterkunft in Drasenhofen sei untragbar. "Das Vorgehen von Landesrat Waldhäusl erinnert an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte und hier kann sich die Landeshauptfrau Mikl-Leitner nicht mehr aus der Verantwortung entziehen", heißt es in einer Aussendung der Partei.

Mehr dazu lesen Sie hier:

"Alcatraz" für Asylwerber? Neues Heim in Drasenhofen >>>

Waldhäusl: "Heim für notorische Unruhestifter" >>> (red)

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