Eisige Wasserfälle sind in der Antarktis nichts Außergewöhnliches – wären diese nicht blutrot. Dieses seltene Phänomen namens Blood Falls ist am Fuße des Taylor-Gletschers im Taylor Valley der McMurdo-Trockentäler zu sehen. Obwohl es bereits 1911 entdeckt worden ist, konnte sich ein Forscherteam erst vor wenigen Jahren erklären, woher die rote Farbe stammt. Heute weiß man: aus einer Salzlösung.
Genauer gesagt, stammt die Farbe von eisenhaltigem, extrem salzhaltigem Wasser, das unter dem Gletscher eingeschlossen ist. Sobald es an die Oberfläche gelangt und mit Sauerstoff in Kontakt kommt, oxidiert das Eisen – ähnlich wie bei rostendem Metall – und färbt das Eis tiefrot.
Das Wasser stammt aus einem unterirdischen See, der sich unter rund 400 Metern Eis verbirgt. Er wird von uraltem Meerwasser gespeist, das vor über fünf Millionen Jahren eingeschlossen wurde. Durch das ständige Gefrieren wurde das Salz darin stark konzentriert – bis zu dreimal salziger als gewöhnliches Meerwasser. Diese hohe Salzkonzentration verhindert, dass das Wasser komplett gefriert, und hält unterirdische Kanäle offen. Das ist eine Seltenheit in der Antarktis.
Vor einigen Jahren gelangte ein Forscherteam um Jessica Badgley über Bohrer und Schmelzsonden zum Wasser. Die Proben enthüllten Leben ohne Licht und Sauerstoff – das ist vergleichbar mit extremen Bedingungen auf dem Mars oder Jupiters Mond Europa. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie 2017 im "Journal of Glaciology".
Trotz absoluter Dunkelheit, fehlendem Sauerstoff und eisigen Temperaturen existiert in diesem abgeschotteten Reservoir ein erstaunliches Mikroben-Ökosystem. Mindestens 17 bekannte Arten gewinnen Energie aus Eisen und Sulfat. Diesen einzigartigen Stoffwechsel findet man sonst kaum auf der Welt.
Der verborgene See war möglicherweise seit eineinhalb bis zwei Millionen Jahren isoliert. Für die Forschung ist der Fund von großer Bedeutung, denn solche Ökosysteme könnten Hinweise geben, wie Leben unter extremsten Bedingungen existieren kann.