"Mein Sohn ist kein Rollerdieb. Er war kein Bandit, er war der Polizei nicht bekannt. Er war nie ein schwieriges Kind, sondern stabil. Bei uns zu Hause haben wir nie einen gestohlenen Roller gesehen", betont die Mutter gegenüber "24Heures". Ihr Sohn Marvin kam in der Nacht auf Sonntag tragisch ums Leben, als er die Kontrolle über seinen Roller verlor und zunächst gegen einen Container, dann gegen die Mauer eines Garagengebäudes prallte.
Der 17-Jährige wurde zu diesem Zeitpunkt von einer Patrouille der Stadtpolizei Lausanne mit eingeschaltetem Blaulicht verfolgt. Nach ersten Erkenntnissen der Verkehrspolizei war der Jugendliche mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit in einer Tempo-30-Zone unterwegs. Zudem war der 300-ccm-SYM-Roller am Samstag als gestohlen gemeldet worden.
Marvin lebte mit seiner Familie kongolesischer Herkunft in der Cité. Die Mutter arbeitet in der Sozialarbeit, der Vater im medizinischen Bereich. "Wir sind in der Schweiz integriert. Wir sind eine praktizierende christliche Familie. Wenn unsere Kinder nicht nach Hause kommen, rufen wir sie an", erklärt sie gegenüber "24Heures".
Der Teenager war das jüngste von drei Kindern: Der älteste Bruder, 24 Jahre alt und autistisch, besucht eine Tagesschule. Der 22-jährige Dayron beschreibt Marvin als "den besten Bruder, den man haben kann". Auf Instagram gedenkt er ihm mit den Worten: "Du solltest bei mir sein, zu Hause, in unserem Zimmer, das wir immer geteilt haben. Wir haben alles zusammen erlebt."
Auch Marvins Freunde trauern. "Er war Rapper. MNS war sein Künstlername. Er postete Videos auf YouTube und in den sozialen Medien", erzählen sie. "Jeder hier kannte ihn – er war immer in der Nachbarschaft unterwegs."
Am Montag hätte Marvin ein Motivationssemester beginnen sollen, ein berufliches Integrationsprogramm für Jugendliche. Doch sein eigentlicher Traum war die Musikkarriere, berichten seine Freunde.
Auch die Familie wusste davon. "Kurz vor Mitternacht, wenige Minuten vor dem Unfall, hatte er mit seinen Freunden noch ein Rap-Video fertiggestellt", sagt die Mutter. Die Gruppe nennt sich 2SeptG.
Auf dem Tiktok-Account der Band wendet sich Marvins Freund "MaKotazo" an die Öffentlichkeit. Er bittet darum, die nächtlichen Ausschreitungen in Lausanne nicht mit Marvin in Verbindung zu bringen: "Ich sehe Videos von brennenden Mülltonnen und Bussen. Ich akzeptiere, dass man auf seine Art trauert, aber es gibt bessere Wege. Dieses Verhalten entspricht Marvin nicht. Er war kein gewalttätiger Mensch, er war kein Abschaum."