Drittkleinster Staat der Welt

Australien verbannt Flüchtlinge auf Pazifik-Insel

Was Gerichte in Europa verhindern, setzt Australien um: Abgelehnte Flüchtlinge werden ungeachtet ihrer Herkunft in einen Drittstaat gebracht.
Nick Wolfinger
04.09.2025, 13:36
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Während Höchstgerichte in Europa aus Menschenrechtsbedenken in den letzten Jahren Pläne stoppten, Flüchtlinge in Drittstaaten wie Ruanda abzuschieben, macht Australien ernst. Denn das Land hat sich nun mit dem Pazifik-Zwergstaat Nauru (12.500 Einwohner) darauf geeinigt, in einem ersten Schritt 354 Flüchtlinge, die nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können, aufzunehmen.

Milliardendeal auf 30 Jahre ausgelegt

Freilich nicht ohne Gegenleistung. Unglaubliche 2,5 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 30 Jahren soll das bewohnte Korallenriff in Mikronesien dafür erhalten. Das entspricht der 16-fachen Jahreswirtschaftsleistung (das BIP von Nauru betrug 2024 160 Millionen US-Dollar).

Das nun in die Tat umgesetzte Abkommen wurde bereits im vergangenen Dezember zwischen dem australischen Premier Anthony Albanese und dem Präsident von Nauru, David Ranibok Adeang unterzeichnet.
MAGO/AAP

Eine Win-Win-Situation also für alle Beteiligten? Das bleibt abzuwarten. Denn trotz Abkommen könnte der Inselstaat noch immer einzelne Menschen, etwa verurteilte Straftäter, ablehnen.

Es ist ein großes Sozial-Experiment. Fraglich bleibt, ob und inwiefern sich die Menschen, die vor Gewalt und Armut aus verschiedenen asiatischen Ländern geflüchtet sind, in dem Mini-Staat ohne große Beschäftigungsmöglichkeiten integrieren können und wollen.

Kleiner als Simmering

Mit 21 Quadratkilometern ist der Staat kleiner als Wien-Simmering (23 km2). Landwirtschaft ist auf dem Korallenriff nur an wenigen Stellen möglich. Dem nicht genug, ist die Zukunft des Landes durch den Anstieg des Meeresspiegels stark bedroht.

Der Phosphatabbau ist die einzige nennenswerte Einnahmequelle des Zwergstaates, in dem der Großteil der Beschäftigten der Insel tätig ist.
Getty Images

Industrie ist bis auf eine Phosphatraffinerie praktisch nicht vorhanden. Auch von der Fischerei leben heutzutage nur noch wenige Menschen. Haupteinnahmequelle ist der Phosphatabbau, in dem knapp die Hälfte der Einwohner tätig ist. Schon heute sind 40 % der Einwohner (einstige) Gastarbeiter.

Wenig Zukunftschancen

Die Chancen, sich in dem drittkleinsten Staat der Welt ein neues Leben aufzubauen, sind also äußerst gering. Das dürfte zwar der australischen Politik ziemlich egal sein, macht es aber zugleich unrealistisch, dass das Land langfristig als Aufnahmeort für von Australien abgewiesene Migranten macht.

Die Begeisterung der Einwohner von Nauru über die Neuankömmlinge dürfte sich ebenfalls in Grenzen halten. Wie der "Guardian" berichtet, ist Nauru "eine kleine, familiäre und eng verbundene Gesellschaft. Die 11.000 Menschen dort kennen sich, sind miteinander verwandt und arbeiten größtenteils für die Regierung, die von australischen Hilfsgeldern abhängig ist."

Hauptsächlich Gewalttäter

Australien plant nun aber vor allem jene Menschen nach Nauru zu "verbannen", die aus "Charaktergründen" des Landes verwiesen werden. Menschen, die die australische Regierung als "entsetzliche Gewalttäter" bezeichnet, wie der "Guardian" schreibt.

Schon früher hat Australien Flüchtlinge nach Nauru deportiert, wo sie unter unhaltbaren Bedingungen in Lager gesperrt wurden – weshalb Australien die Menschen später wieder zurückholen musste.
Rick Rycroft / AP / picturedesk.com

Nauru erhält dafür in einer ersten Tranche rund 400 Millionen Euro, danach 70 Millionen jährlich in den nächsten 30 Jahren, wobei freilich tausende weitere Abgeschobene dazu kommen sollen. Ob die 12.500 Einwohner tatenlos zusehen werden, wie tausende Gewalttäter auf ihre Insel gebracht werden, ist schwer vorzustellen. Eher würde wohl zuvor die Regierung gestürzt werden.

Nicht aus Fehlern gelernt?

Bereits 2012 hatte Australien versucht – ähnlich wie Italien aktuell mit Albanien – die Erstregistrierung von Flüchtlingen auf Nauru auszulagern. Nach jahrelanger Kritik über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, Misshandlungen und unzureichende medizinische Versorgung musste Australien diese Praxis beenden und die Menschen zurückholen. Erst 2023 war der letzte Flüchtling von Nauru nach Australien "evakuiert" worden. Warum man nur zwei Jahre später denkt, dass es dieses Mal besser funktionieren würde, ist unklar.

Unterm Strich dürfte es wohl eher ein ziemlich teurer PR-Stunt sein, um den australischen Wählern Stärke zu demonstrieren. Eine langfristige Lösung zum Umgang mit abgewiesenen Asylwerbern, die von ihren Heimatländern nicht zurückgenommen werden, ist es wohl eher nicht.

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 04.09.2025, 14:27, 04.09.2025, 13:36
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