Donald Trump flutet derzeit die Öffentlichkeit mit Dekreten, Entscheidungen und Ankündigungen. Er schießt gegen alles, was mit Diversität und Inklusion zu tun hat, droht politischen Gegnern und anderen Staaten und nimmt einen Handelskrieg in Kauf.
Seine Entscheidungen und Ankündigungen kommen in so hohem Tempo, dass bereits von einer "Shock and Awe"-Taktik gesprochen wird. Deren Hauptziel: Chaos zu stiften.
Trump scheint das Land im Eiltempo umgestalten zu wollen. Und das womöglich über die verfassungsmäßig vorgeschriebene maximale Amtsdauer hinaus: Der Republikaner Andy Ogles hat eine Resolution zur Änderung der US-Verfassung eingereicht, die Trump eine dritte Amtszeit ermöglichen soll, um seine Ziele zu erreichen.
Während einige ihn dafür feiern, seine Wahlversprechen einzuhalten, sind andere besorgt um die Demokratie. Will Trump aus Amerika eine Diktatur machen, gar einen faschistischen Staat? Darüber hat das Schweizer Nachrichtenportal "20 Minuten" mit Christian Lammert und Johannes Thimm gesprochen.
„Mit dem Begriff Faschismus sollte man vorsichtig sein, denn er wird inflationär benutzt.“Johannes Thimm
Christian Lammert: Der Faschismus wird oft als rechtsextreme Ideologie beschrieben, die auf Nationalismus, der Verherrlichung einer organischen Gemeinschaft und den Einsatz von Gewalt zur Säuberung der Gesellschaft abzielt. Charakteristisch sind das Führerprinzip, der Totalitätsanspruch und die Ablehnung demokratischer Prinzipien.
Christian Lammert ist Professor für Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Sein Schwerpunkt sind die politischen Systeme Nordamerikas. In seinem Blog "Demokratie und Politik in den USA" schreibt er über Aktuelles aus der US-Politik.
Lammert: Trumps Politik zeigt autoritäre Züge, etwa durch Angriffe auf demokratische Institutionen und den Versuch, politische Gegner zu verfolgen. Das ist aber eher autoritär als faschistisch, und zwar aus mehreren Gründen: So ist Trumps Politik zwar nationalistisch, aber nicht ultranationalistisch. Sie zielt eher auf wirtschaftliche Vorteile für die USA ab. Außerdem fehlt Trump eine klare Ideologie, wie sie in faschistischen Regimen üblich ist. Auch die systematisch organisierte Gewalt, wie sie zum Beispiel unter Hitler mit der Gestapo und der SS der Fall war, ist nicht gegeben.
Johannes Thimm: Auch ich sehe eher autoritäre Tendenzen bei Trump. Mit dem Begriff Faschismus sollte man vorsichtig sein, denn er wird inflationär benutzt. Was wir aktuell sehen: Trump baut seine Macht dort aus, wo er kann, und testet gleichzeitig seine Grenzen aus. Er hat keinen Respekt vor der Demokratie und dem Rechtsstaat und gibt sich keine Mühe, dies zu verbergen.
Johannes Thimm ist Doktor der Politikwissenschaften und arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Sein Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem auf den USA und deren Außenpolitik.
Lammert: Trumps Dekrete zielen systematisch darauf ab, demokratische Kontrollmechanismen wie Gewaltenteilung, die unabhängige Verwaltung und die Verfassungsbindung auszuhebeln, so zum Beispiel durch die Begnadigung rechtsextremer Gruppen oder die Wiedereinführung des "Schedule F", die zehntausende Beamte politisch in Trump-loyal oder -illoyal kategorisiert. Auch der Versuch, das Geburtsortsprinzip zu kippen, gehört dazu: Hier will Trump die Bürgerrechte einschränken und Kinder von Migranten zu Menschen zweiter Klasse machen.
Thimm: Gegen einige Dekrete wird es Klagen geben, so zum Beispiel bei besagtem Schedule F. Einige der Beamten, die entlassen worden sind, werden sich vor Gericht dagegen wehren. Aber hier handelt es sich eher um Verstöße gegen das Dienstrecht als die Verfassung. Ich glaube daher, dass er in vielen Fällen damit durchkommt, auch wenn Trump hier klar gegen das Prinzip eines unabhängigen öffentlichen Dienstes verstößt. Die Besetzung von Trump-loyalen Beamten ist ein zentraler Punkt seiner Agenda. Problematisch wird es, wenn Trump sie auffordert, Dinge zu tun, die gesetzeswidrig sind. Das ist aber bereits während seiner ersten Amtszeit geschehen.
Lammert: Das hängt sehr davon ab, ob es gelingt, unabhängige Institutionen wie Justiz und Medien zu schützen. Auch die Rolle des Kongresses und die Mobilisierung der Zivilgesellschaft werden entscheidend sein.
Thimm: Die Kontrollmechanismen der US-Demokratie sind teilweise schon ausgehebelt: So ist die republikanische Mehrheit im Kongress zum Beispiel komplett Trump-loyal, die meisten seiner vorgeschlagenen Minister werden dort einfach abgenickt. Auch die Richter des Supreme Courts stehen größtenteils auf Trumps Seite, wenn auch nicht komplett. Dennoch funktioniert die Judikative noch. Die Bürokratie als Kontrollinstanz steht schon jetzt wegen des Schedule F auf wackeligen Füßen. Meine Prognose für die Zukunft: In vier Jahren werden die Amerikaner zwar noch wählen gehen, die Demokratie wird aber dann schon deutlich erodiert sein.