Debatte um politische Gagen

Bezirksräte kosten Wien jährlich über 9 Millionen Euro

578 Euro pro Monat, vier Sitzungen im Jahr – was leisten Bezirksräte für über 9 Millionen Euro jährlich? Die Wiener Parteien sind sich uneinig.
Christoph Weichsler
13.06.2025, 05:30
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

1.144 Bezirksräte zählt Wien derzeit. Jeder von ihnen erhält monatlich 578 Euro – unabhängig von Anwesenheit oder tatsächlicher Aktivität. Das ergibt 8.092 Euro jährlich pro Person. In Summe fließen über 9,25 Millionen Euro im Jahr aus dem Stadtbudget in diese Ebene der Politik.

Dabei sind gesetzlich nur vier Pflichtsitzungen pro Jahr vorgeschrieben. Umgerechnet kostet jede dieser Sitzungen somit rund 2.023 Euro – je Mandatar. Viele engagieren sich darüber hinaus. Doch genau dieses Missverhältnis zwischen fixer Zahlung und minimaler Mindestleistung sorgt für Kritik – und immer wieder für politischen Streit.

Befürworter: "Nah dran am Bürger, keine Überbezahlung"

Mehrere Parteien verteidigen das aktuelle System. Bezirksräte seien laut SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen wichtige Ansprechpartner vor Ort. Sie würden vermitteln, zuhören, Beschwerden aufgreifen – kurz: Politik im Alltag greifbar machen. In einer Millionenstadt wie Wien sei diese Funktion nicht ersetzbar.

Die Befürworter betonen: Die Gage sei keine Bezahlung für vier Sitzungen, sondern eine symbolische Entschädigung für oft unsichtbare, aber reale Arbeit zwischen den Terminen. Gerade in wachsenden Bezirken brauche es verlässliche Strukturen. Und: Wer hier kürzt, schneidet genau dort, wo Demokratie noch funktioniert – nämlich im direkten Kontakt zur Bevölkerung.

Kritiker: "9 Millionen für Nebenjobs sind zu viel"

Kritiker sehen das anders. Die KPÖ stellt die Verhältnismäßigkeit in Frage: Vier Pflichttermine, kaum Entscheidungsmacht – aber über 8.000 Euro jährlich pro Mandat? Für viele Bürger sei das schwer vermittelbar. Auch Neos und HC Strache kritisieren die Kosten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Besonders im Visier der Neos: 46 Stellvertreter der Bezirksvorsteher, die zusammen weitere 3,65 Millionen Euro jährlich kosten – bei fraglicher Aufgabenfülle. Die KPÖ wiederum fordert eine generelle Verkleinerung der Bezirksvertretungen und solidarische Rückführung der Mandatsgelder – ihre Mandatare spenden große Teile der Entschädigung. Strache will das gesamte politische System umkrempeln – mit weniger Posten, mehr direkter Demokratie und klaren Zuständigkeiten auf Bezirksebene.

Ein System mit Schattenseiten

Was sich durch fast alle Positionen zieht: Die Bezirksvertretungen sind historisch gewachsen – aber viele halten sie für nicht mehr ganz zeitgemäß. Es fehlt an einheitlichen Regelungen zwischen den Bezirken, Anträge werden unterschiedlich behandelt, Mitwirkungsmöglichkeiten sind oft begrenzt.

Gleichzeitig ist es gerade diese politische Ebene, die kleinen Parteien Chancen bietet und Bürgernähe ermöglicht. Eine vollständige Abschaffung steht bei keiner Partei zur Debatte. Aber die Frage bleibt: Braucht es 1.144 bezahlte Mandate für lokale Ansprechbarkeit – oder reicht weniger?

Gerechtfertigte Entschädigung oder Sparpotenzial?

Bezirksräte kosten Wien jedes Jahr über 9 Millionen Euro. Für manche sind sie unverzichtbar, für andere eine teure Symbolpolitik. Klar ist: Zwischen Ideal und Realität klafft eine Lücke. Wer sich einmischt, kann viel bewegen – doch gesetzlich reicht schon der Platz auf der Anwesenheitsliste.

Die nächste politische Reformdebatte ist jedenfalls vorprogrammiert.

{title && {title} } CW, {title && {title} } 13.06.2025, 05:30
Mehr zum Thema
Jetzt E-Paper lesen