Coronavirus

3.000 Tote pro Tag! Corona in Brasilien außer Kontrolle

90.830 neue Fälle und mehr als 3.000 Tote an nur einem Tag: Die Corona-Pandemie ist in Brasilien außer Kontrolle geraten.

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Die Zahl der Toten erreichte am 24. März 2021 einen traurigen Höhepunkt: Allein an diesem Tag starben 3.000 im Zusammenhang mit dem Virus.
Die Zahl der Toten erreichte am 24. März 2021 einen traurigen Höhepunkt: Allein an diesem Tag starben 3.000 im Zusammenhang mit dem Virus.
Andre Borges / dpa / picturedesk.com

Was passiert, wenn man Corona nicht ernst nimmt, lässt sich derzeit in Brasilien beobachten: Die Zahl der täglichen Neuinfektionen erreicht ständig neue Höhen, ebenso die Zahl der Toten. Allein vergangenen Mittwoch wurde das Virus bei 90.830 Menschen nachgewiesen, über 3.000 starben. Einige von ihnen, während sie auf Intensivbetten warteten.

Denn nicht nur der Sauerstoff im Land ist während der zweiten Pandemie-Welle knapp geworden. Es mangelt auch an Behandlungsmöglichkeiten: Laut Guardian.com sind derzeit in praktisch allen 26 brasilianischen Bundesstaaten und dem Bundesdistrikt mit der Hauptstadt Brasília die Kapazitätsgrenzen der Intensivstationen überschritten oder kurz davor. «Die Situation ist absolut kritisch», warnen Forschende vom Forschungsinstitut Fiocruz. Auch von einer «beispiellosen Katastrophe» ist die Rede.

Manaus als Brutstätte für gefährliche Variante

Das Unheil hatte in Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, seinen Lauf genommen. Von dort wurden bereits im Januar 2021 apokalyptische Zustände gemeldet. Dafür wurde die Virusvariante P.1 verantwortlich gemacht, die erstmals Anfang des Jahres bei vier aus eben jenem Gebiet zurückgekehrten japanischen Touristen nachgewiesen worden war.

Heute weiß man, dass P.1 die zweite Welle in Manaus nicht ausgelöst hat. Vielmehr sei das Virus zu P.1 mutiert, weil es dafür in der Stadt perfekte Bedingungen vorgefunden hat: Aufgrund der hohen Fallzahlen während der ersten Welle eine Herdenimmunität in der Bevölkerung annahm und sich darum in falscher Sicherheit wiegte. In der Folge konnte sich die Mutante ungebremst ausbreiten.

P.1 ist Teil des Problems

Die brasilianische Mutante, wie P.1 auch genannt wird, gilt als deutlich ansteckender und ist offenkundig dominanter als das Ursprungsvirus. War die Mutante im November 2020 noch in einer Probe nachzuweisen, war sie bereits im Dezember für rund die Hälfte aller Coronainfektionen verantwortlich. Im Januar lag der Wert dann schon bei mehr als 90 Prozent, im Februar fand sich in der Region kaum eine andere Variante mehr.

Weiteres Problem: P.1 ist in der Lage, die durch frühere Infektionen gewonnene Immunabwehr zu umgehen. Bereits in der ersten Welle infizierte Personen, steckten sich ein zweites, manche sogar ein drittes Mal an.

Ignoranter Präsident

Die Heftigkeit der aktuellen Welle in dem südamerikanischen Land ist aber auch menschlichem Versagen zuzuschreiben. Denn seit Beginn der Pandemie spielt der brasilianische Staatspräsident Jair Bolsonaro das Virus und seine Folgen herunter: Er bezeichnet Covid-19 als «kleine Grippe», den besten Schutz davor erlange man durch Durchmachen der Erkrankung.

Auch von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus hält der rechtspopulistische Machthaber nicht viel: Masken seien nur etwas für «Weicheier», Provinzpolitiker, die Lockdowns verhängten, bezeichnete er als «Kriminelle», die die Wirtschaft abwürgten. Gegen die Impfung wetterte er laut und oft.

Fatale Kombination

Genau diese Kombination aus gefährlicher gewordenem Virus und ignorantem Präsidenten bereitet führenden Wissenschaftlern im Land große Sorgen. Sie könnte alle Anstrengungen der Welt, Sars-Cov-2 zu kontrollieren, zunichtemachen. Denn bei den derart hohen Fallzahlen in Brasilien könnte es erneut zu Mutationen kommen.

«Brasilien ist heute der Ort auf der Welt mit der größten Wahrscheinlichkeit dafür, dass Varianten entstehen, die für die ganze Welt gefährlich sein können», sagt José Eduardo Levi, Virologe an der Universität Sao Paolo im Interview mit «ZDF heute». «Die Internationale Gemeinschaft muss sich mobilisieren, viel mehr Initiative zeigen und sei es nur im Eigeninteresse.»

Impfresistente Super-Mutante

Denn weitere Mutationen könnten zur Folge haben, dass Sars-CoV-2 gegen die Impfungen resistent wird, erklärt Biologe Lucas Ferrante vom Nationalen Institut für Amazonas-Forschung. Eine solche Super-Mutante hätte Folgen für die gesamte Weltgesundheit. Wie Levi hofft auch er auf Unterstützung von außen. Konkret auf «Sanktionen, die Bolsonaro dazu zwingen würden, etwas zu tun, weil ihm sein Wirtschaftsargument ausginge», so Spiegel.de.

Zudem appelliert er in einer Stern-TV-Reportage an andere Länder, alles daran zu setzen, P.1 von sich fernzuhalten: «Wichtig ist jetzt, dass alle Länder alle Flüge aus Brasilien blockieren, damit sich diese neue Variante nicht in der Welt ausbreitet.» Für viele Nationen kommt dieser Rat zu spät, denn die brasilianische Variante hat längst andere Länder erreicht, auch Österreich. Hier tauchte die Variante erstmals im März auf.