Sportmix

Bresnik: "Die Debatte über Thiem ist absurd"

Dominic Thiem legt ein Stotter-Comeback hin. Ex-Trainer Günter Bresnik vermisst im "Heute"-Gespräch 200 PS. Die Zukunft im Tennis gehört Alcaraz. 

Martin Huber
Teilen
Mentor Bresnik über Ex-Schützling Thiem: "Ein 700-PS-Porsche, jetzt hat er nur 500 PS."
Mentor Bresnik über Ex-Schützling Thiem: "Ein 700-PS-Porsche, jetzt hat er nur 500 PS."
GEPA

"Für ein Match von ihm sage ich aktuell kein Abendessen ab", sagt Günter Bresnik zum Comeback von Dominic Thiem. 

17 Jahre formte Bresnik seinen Schützling in der Südstadt unter dem Motto "Volle Post" zum Weltklassespieler. Bis zum Bruch 2019. Der Trainerguru trainiert jetzt den Franzosen Gael Monfils. Thiem erlebt die größte Krise seiner Karriere. 372 Tage ist die ehemalige Nummer drei der Weltrangliste sieglos, in der Weltrangliste stürzte er nach der Handgelenksverletzung bis auf Rang 194 ab. Tendenz fallend.  

"Thiem ist ein 700-PS-Porsche, jetzt hat er aber nur 500 PS", sagt Bresnik zu "Heute".  

"Ich habe ihm nicht weh tun können" 

Die fehlenden PS machen am Tennisplatz den Unterschied. Das wissen die Gegner, das sehen die Fans. In Genf kassierte der Österreicher im sechsten Spiel nach dem Comeback die sechste Pleite. Gegen den italienischen Qualifikanten Marco Cecchinato, der selbst seit August 2021 kein Tennisspiel auf ATP-Level gewonnen hat. 

Thiem nützte keinen seiner sieben Breakbälle. Noch bedenklicher: Cecchinato hatte mehr Waffen als der US-Open-Sieger 2020, der sichtbar kämpfte, dem Gegner mit seinen Schlägen irgendeinen Schaden zuzufügen.

"Ich habe ihm nicht weh tun können", sagt Thiem selbst. "Er hat mich weggespielt." Die bittere Erkenntnis nach dem Aufwärtstrend gegen Fabio Fognini in Rom. "Es war ein Schritt rückwärts."  

Bresnik redet nicht gerne über seinen Ex-Schützling. "Weil dann immer Anwaltsbriefe daherkommen."

Er kennt aber als Mentor den Langzeitplan Thiems, von 2022 bis 2026 am Höhepunkt seiner Karriere zu sein. Im Abklingen der "Ära Federer, Nadal, Djokovic" dem globalen Tennissport einen rot-weiß-roten Stempel aufzudrücken. 

"Dominic hat sportlich zwei, drei Jahre verloren. Menschlich weiß ich es nicht"

"Dominic hat ein Zeitfenster, das für ihn angerichtet war, nicht genutzt. Er hat sportlich zwei, drei Jahre verloren. Menschlich weiß ich es nicht. Aber Ecken in Karrieren sind nie gut", sagt er. 

Bresnik redet gerne in Bildern. Wenn er vom 700-PS-Porsche erzählt, dann ist da auch ein Ölwechsel dabei, der zum richtigen Zeitpunkt erfolgen muss. "500 PS reichen nicht", stellt er klar. "Ich habe aber keine Zweifel, dass er wieder in die Gänge kommt. Warum soll er nicht wieder in die Top 20 kommen? Ich sehe keinen Grund dafür."

"Dominic hat nichts beim ersten Mal gekonnt"

Die Debatte über Thiem und seine schwächelnde Vorhand verfolgt Bresnik mit einem Kopfschütteln. "Sie ist absurd. Dominic hat sich bei der Vorhand verletzt. Er braucht das Handgelenk bei diesem Schlag. Derzeit hat er eine Sperre beim Schlag. Ja, das stimmt. Die Sperre wird sich aber lösen. Er hat ja keine körperliche Einschränkung auf ewig."

Dann wird Bresniks Stimme eine Spur lauter, weil ihm wichtig ist, was er sagt. "Ich hatte Dominic 17 Jahre an der Kittelfalte. Eines weiß ich: Er hat nichts beim ersten Mal gekonnt. Das ist jetzt auch so. Und die Vorhand ist jetzt neu für ihn. Aber beim fünften, sechsten, zehnten Anlauf kann er es, dann funktioniert es. Und dann verlernt er es nicht mehr. Das ist seine große Stärke."

1/77
Gehe zur Galerie
    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
    gepa-pictures.com

    Dass Tennisspieler scheitern, ist für Bresnik Alltag. Seit 35 Jahren macht er diesen Job. Er hat Stars kommen und gehen sehen, wieder andere beim verglühen beobachtet. "Ein Tsitsipas oder Shapovalov sind stehen geblieben", sagt er. "Sie haben früh Ablenkungen ausprobiert. Je länger eine Karriere dauert, desto schwieriger wird es. Viele scheitern am falschen Zugang. Es ist nicht wichtig, ob du 5.000 oder 5.000.000 Follower hast. Wichtig ist die Zahl der Grand-Slam-Titel. Dann kommen die Follower sowieso."

    "Andere jammern, weil sie zwei Jahre ein bissl was gewinnen"

    Die größte Gefahr seien Person, die sich beim Tennisprofi beliebt machen wollen. "Heute gehen wir fort und morgen fliegen wir zum Fußballspiel nach London." Die zweitgrößte Gefahr sei "die Suderei und Jammerei". ",Bist du nicht müde?' ,Ist das nicht alles zu hart?' Ich kann diese Sätze nicht mehr hören, da schlaf ich ein."

    "Nadal, Djokovic oder Federer - sind die müde? Jeder hat 20 Grand-Slam-Titel von denen. 20! Wenn einer von denen nicht da wäre, hätten die anderen zwei 30. Andere jammern, weil sie zwei Jahre ein bissl was gewinnen und dafür was tun müssen."

    "Ich bin ein Frauenrechtler, aber Frauen können aus Männern Narren machen"

    Gibt es auch eine dritte Gefahr? "Ich bin ein Frauenrechtler", holt Bresnik aus. "Ich lebe mit vier Töchtern und einer Frau zusammen. Ich habe zwei Schwestern. Ich mag Frauen", betont er. "Aber ich weiß, dass Frauen aus Männern Narren machen können. Umgekehrt ist das Phänomen seltener."

    "Als Trainer kannst du von 8 bis 18 Uhr etwas in den Schützling investieren und eintrichtern. Um 22 Uhr kann das in fünf Minuten von der Frau beseitigt sein. Mit einem Satz ins Ohr. Mit einer Botschaft, einer Gesinnung. Die Message des Trainers ist dann weg."

    Alcaraz gehört die Zukunft

    Die Zukunft im Tennis gehört Carlos Alcaraz, da ist sich Bresnik sicher. "Ich glaube nicht, dass er die Fehler von Thiem oder Zverev machen wird. Eine Verletzung oder Krankheit kann ihn stoppen. Oder die Trennung von Trainer Ferrero. Wenn das Duo das weiter durchzieht, gehören die nächsten Jahre ihm."

    "Alcaraz zählt zu den Top-Favoriten in Paris"

    "Carlos liefert ab – mit 19 Jahren. Er zählt für mich heuer schon zu den Top-Favoriten bei den French Open. Das Gerede von einer neuen Dimension im Tennis ist aber Schwachsinn. Genauso, dass einige Depperte, die sich Experten nennen, vor ein paar Wochen Djokovic abgeschrieben haben. Von Nadal brauchen wir in Paris erst gar nicht reden."

    Alcaraz habe "nichts Neues erfunden". "Er setzt das Erlernte perfekt um. Technisch ist er außergewöhnlich gut. Wahrscheinlich ist er jetzt schon der beste Athlet."

    "Ich habe mich nach dem Duell von Monfils gegen Alcaraz in Indian Wells lange mit Gael unterhalten. Sein wichtigster Satz war: ,Das Schlimmste ist, wie schnell er läuft.‘ Wenn ein Monfils das sagt, heißt es was. Alcaraz ist so schnell, dass er fast alle Bälle schlagen kann. Djokovic hat er in Madrid mit seinen eigenen Waffen besiegt. Er hat die Bälle rausgelaufen und ihn dann überspielt."

    "Er ist angstbefreit. Eigentlich musst ja deppert sein beim Tennis"

    Auch der Charakter stimme. "Er ist mutig, angstbefreit. Eigentlich musst du ja deppert sein beim Tennis. Du haust auf was drauf und das Schlimmste ist, die Bälle zu verschlagen."

    Seit zwei Jahren hat er den Shootingstar, der im Jahresranking hinter Nadal auf Platz zwei liegt, am Radar. "Der Fleiß grenzt an Nadal-Dimensionen. Die Jammerei, dass es zu viel ist, gibt es nicht."

    Das liege vor allem an seinem Trainer Juan Carlos Ferrero, der als Spieler sieben Wochen die Nummer 1 war und 2003 die French Open gewann. "Er muss Trainer des Jahres werden. Sonst kannst du diese Wahl in den Mistkübel hauen. Alcaraz ist ein Spieler, der am Reißbrett entworfen wurde. Ferrero ist schnörkellos, er hat null Bedürfnis in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe das Gefühl, es geht ihm nicht um die Verpackung, sondern nur um die Leistung. Zverev war es zu hart unter ihm."

    Ein bisschen wie bei McEnroe

    Alcaraz habe "keine klar erkennbare Schwäche" mehr. "Und er hat den Stop perfektioniert - als erster Spieler überhaupt. Er drängt die Spieler mit starken Grundschlägen weiter zurück, spielt den Ball im richtigen Moment. Nie in Panik. Der Ball fliegt niedrig übers Netz, hat extrem viel Unterschnitt. Das kopieren gerade viele. So wie früher John McEnroes Aufschlag-Volley-Spiel, da sind aber auch fast alle damit eingefahren."

    1/5
    Gehe zur Galerie
      Lili Paul-Roncalli hat eine Dirndl-Kollektion für Stockerpoint entworfen und wirbt dafür.
      Lili Paul-Roncalli hat eine Dirndl-Kollektion für Stockerpoint entworfen und wirbt dafür.
      Stockerpoint/Instagram

      Bresniks Schützling Monfils wird beim Heimturnier in Paris nächste Woche nicht aufschlagen. Er lässt sich wegen eines Fersensporns operieren. "Er hat das Jahr super gestartet, Adelaide gewonnen, war bei den Australien Open stark und im Viertelfinale. In Indian Wells hat er Medvedev, die Nummer 1, besiegt und dann gegen Alcaraz verloren. Dann ist das mit dem Tennis aber eingeschlafen", sagt Bresnik.

      "Ich kritisiere das nicht. Es ist seine Karriere, sein Leben"

      "Ihm ist anderes wichtiger, seine Frau, die Familie. Wenn du ein warmes Nest hast, bist du nicht so entsetzt, wenn du verlierst. Ich kritisiere das nicht. Es ist seine Karriere, sein Leben. Ich habe Verständnis. Er ist nett, angenehm, loyal. Er redet nicht blöd über andere Menschen. Ich mag das. Ich lasse ihn auch sicher nicht hängen."

      Monfils ist 35. Er wird im Herbst Vater eines Mädchen. Mit seiner Frau Elina Svitolina, die ehemalige Nummer 3 im Tennis, machte er das am Wochenende öffentlich. Bresnik war längst eingeweiht. 

      "Wir telefonieren auch jetzt jeden Tag zumindest eine Stunde. Es geht dabei halt nicht viel um Tennis."

      Mehr zum Thema