Wien-Wahl

Bürgermeister wird im "Öffi Talk" zum Selfie-King

Im letzten "Öffi Talk" fahren wir mit Bürgermeister Ludwig U-Bahn. Zwischen Selfies erzählt er von Jungfrauen und wann er in die Pension tanzen will.

Louis Kraft
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    Für unseren Öffi Talk treffen wir Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an der U2-Station Rathaus (City).
    Für unseren Öffi Talk treffen wir Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an der U2-Station Rathaus (City).
    Helmut Graf

    Ein Interview in der U-Bahn zur Rush Hour ist immer ein etwas schwieriges Vorhaben. Wenn das Interview dann noch mit dem Wiener Bürgermeister stattfindet, sind Unterbrechungen vorprogrammiert. Für den "Heute"-Öffi Talk treffen wir Michael Ludwig (SPÖ) um 17 Uhr vor der U2-Station Rathaus (City), fahren von dort bis zum Donauspital (Donaustadt) und wieder zurück. Schon am Bahnsteig wird der Stadtchef von den ersten Fahrgästen erkannt, trotz seiner dunkelroten Schutzmaske mit den eingestickten Initialen "ML". „Die habe ich von einer Jungfrau bekommen“, lacht Ludwig. (Gemeint ist damit das Bettwäsche-Fachgeschäft "Zur Schwäbischen Jungfrau" in der City).

    Stehend und umgeben von interessierten Mitfahrenden starten wir das Interview. Er selbst sei "fast täglich" mit den Öffis unterwegs, besitze "natürlich eine Jahreskarte"“. Ein Rad-Fan sei er aber nicht, "aber ich finde es gut, wenn Menschen in der Stadt mit dem Rad unterwegs sind". Die U2 habe er gewählt, weil man entlang der Strecke die Entwicklung der Stadt nachvollziehen könne. "Mit der U2 fährt man vorbei an der Messe Wien, dem gesamten Entwicklungsgebiet bei der Wirtschaftsuniversität und bis hin zur Seestadt Aspern", erklärt Ludwig.

    Das Großprojekt Seestadt Aspern (Donaustadt) habe er von Beginn an begleitet: "Wir haben als Stadt Wien die U-Bahn dorthin gelegt, bevor noch die erste Wohnung übergeben worden ist. Das war die einzige Baustelle Europas, wo die Bauarbeiter mit der U-Bahn hingefahren sind. Und die Seestadt Aspern hat sich wunderbar entwickelt", freut sich der Stadtchef.

    "Brauche keine Wahlkampf-Tipps von meinem Vorgänger"

    Dafür und für vieles andere habe er auch mit seinem Vorgänger, Altbürgermeister Michael Häupl (SPÖ) über viele Jahre, sogar Jahrzehnte eng zusammengearbeitet. Tipps im Wahlkampf brauche er aber nicht, auch wenn sich Ludwig heuer erstmals als Spitzenkandidat einer Wahl stellen muss. "Jeder hat seinen eigenen Stil und es ist sicher vernünftig, wenn man den eigenen Weg geht".

    Wahlkampf in Zeiten von Corona mache zudem auch vieles anders: "So ist es beispielsweise nicht möglich, bestimmte Wahlkampfformate wie zum Beispiel Hausbesuche oder Großveranstaltungen durchzuführen. Corona-bedingt ist dieser Wahlkampf vor allem ein Wettbewerb der Ideen, der sehr stark über die Medien geführt wird und weniger über die persönliche Begegnung."

    Selbst auf Corona testen lassen, hat sich der Stadtchef bisher dreimal, alle Tests waren negativ. Aber, wie er betont, erst "ab dem Zeitpunkt, ab dem wir allen im Gemeinderat vertretenen Parteien Testungen angeboten haben. Nicht vorher, weil ich bewusst ein Zeichen setzen wollte, dass ich hier nicht als Bürgermeister bevorzugt behandelt werde". Angst vor Corona hat der Bürgermeister keine: "Wenn man die gängigen Sicherheits- und Hygienevorkehrungen einhält, etwa in den öffentlichen Verkehrsmitteln, braucht man keine Sorge haben", betont Ludwig.

    Ludwig vermisst Gespräche im Wahlkampf, aber bekommt sie in der U-Bahn

    Am meisten gehe ihm im Wahlkampf zu Corona-Zeiten das Gespräch mit den Wienerinnen und Wienern ab: "Was ich sehr bedauere, denn das war mir im Wahlkampf immer das liebste, nämlich mit den Menschen zu diskutieren", so Ludwig.

    "Das liebste im Wahlkampf war mir immer, mit den Menschen zu diskutieren".

    Über zu wenig direkten Kontakt kann sich der Stadtchef auf unserer U2-Tour aber nicht beklagen. Auf Höhe der Station Taborstraße wird er von zwei Sicherheitsmitarbeitern der Wiener Linien entdeckt. Eigentlich hatten sie einen kleinen, weißen Pudel am Arm einer U-Bahnfahrerin im Auge, dann lenkte aber der Bürgermeister den Blick auf sich. Auch Pudeldame Daisy konnte den Bürgermeister offensichtlich "gut riechen", drückte liebevoll ihre Schnauze in den Anzugärmel des Stadtchefs.

    Andere Fahrgäste nützen die Chance, um Ludwig um ein Selfie zu bitten. "Herr Bürgermeister, darf ich ein Selfie machen?" wird rasch zu einer Frage, die wir auf der rund 30-minütigen Fahrt mehrfach hören. Eine Dame bittet Ludwig sogar um ein Autogramm für ihre beiden Söhne.

    Ludwig kommt den Wünschen gerne entgegen. Dass er umschwärmt wird, ist für ihn nichts Neues. Auch politisch hat das Werben um seine Gunst längst begonnen. Gleich drei Parteien wollen nach der Wahl mit Ludwig ins politische Ehebett: Die Grünen, die ÖVP und die Neos. Über Koalitionen will der Stadtchef noch nicht reden, nur dass die SPÖ Wien immer eine Koalition mit der FPÖ und dem Team Strache ausgeschlossen habe. "Alles andere werden die Wienerinnen und Wiener am Wahltag entscheiden".

    Auch den durchwegs guten Prognosen für die SPÖ (diese liegt in Umfragen derzeit bei rund 41%), gibt Ludwig nicht viel Gewicht. "Die Wahl wird nicht von Meinungsforschern entschieden, sondern von den Wienerinnen und Wienern und das ist gut und richtig. Von daher ist es wichtig, den Wahltag abzuwarten, aber ich möchte jetzt schon alle dazu einladen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen".

    "Wichtig, dass es keine Mehrheit jenseits der SPÖ gibt"

    Wichtig sei vor allem, dass es für die SPÖ ein gutes Ergebnis gebe und dass sich keine Mehrheit jenseits der SPÖ ausgehe. "Es hat ja auch immer wieder Aussagen gegeben, einen sozialdemokratischen Bürgermeister zu verhindern. Die entscheidende Frage wird sein, wer die Stadt in die Zukunft führt. Ob es einen Bürgermeister Michael Ludwig gibt, eine Bürgermeisterin Birgit Hebein oder einen Bürgermeister Gernot Blümel. Entscheiden werden die Wienerinnen und Wiener", so Ludwig.

    Freie Abende hat der Bürgermeister schon seit langem nicht. Damit die Laune aber auch trotz Krisenbekämpfung und langen Wahlkampftagen nicht sinkt, vertraut Ludwig auf süße Energiebringer wie Schokolade oder Punschkrapferl. "Ich versuche aber, das in gewissen Bahnen zu halten". Wenn er für sich selbst eine Comicfigur aussuchen müsste, wäre das Obelix aus dem Kult-Comic "Asterix". "Weil, der ist so gutmütig und trotzdem bestimmt. Und er bekommt Wildschweine", lacht Ludwig.

    Immer mit dabei hat Bürgermeister einen kleinen, ledergebundenen Notizblock. "Ein Geschenk meiner Frau. Darauf kann ich mir Notizen machen, wenn mich Menschen mit Ideen oder Wünschen ansprechen".

    Der Unterschied zwischen "rotem" und "grünem" Klimaschutz? "Wir drehen an den großen Schrauben und konzentrieren uns weniger auf öffentlichkeitswirksame Projekte".

    Nicht notieren muss er hingegen die Vorschläge der Wiener Grünen zum Thema Klimaschutz: Schon bei der Präsentation des SPÖ-Wahlprogramms hat Ludwig seinem Koalitionspartner – freilich ohne Namen zu nennen – ausgerichtet, "der SPÖ muss man nicht erklären, wie Klimaschutz geht". Als Seitenhieb will er das aber nicht verstanden wissen, wie er im Öffi Talk betont: "Das war eine Darstellung der Realität". Der Unterschied zwischen "rotem" und "grünem" Klimaschutz sei, dass die SPÖ an "den großen Schrauben dreht", so Ludwig. "Wir konzentrieren uns weniger auf die öffentlichkeitswirksamen und kontroversiellen Verkehrsprojekte, sondern drehen an den großen Schrauben, wo es wirklich darum geht, etwas für den Klimaschutz zu tun". Etwa mit der Eröffnung der neuen Abwasserentsorgungsanlage in Simmering, die künftig jährlich rund 40.000 Tonnen CO2-Emissionen einsparen soll.

    "Reflex auf Dinge hinzuweisen, ist mir eingebaut"

    Berühmt wurde Bürgermeister Ludwig während seiner nun mehr als zweijährigen Amtszeit auch dafür, gerne auch Dinge zu zeigen. Ein "Tumblr"-Account "Ludwig pointing at things" zeigt davon die besten Bilder. Auch bei den Wahlplakaten der SPÖ Wien spielen Ludwigs Hände eine prominente Rolle, der Zeigefinger bleibt darauf aber eingefahren. Wir wollten wissen, wie schwierig es für den Stadtchef war, den Impuls des Zeigens zu unterdrücken. Ludwig antwortet mit einem Lachen: "Ich bin ja in der Volksbildung groß geworden und daher möchte ich immer auf gewisse Dinge hinweisen. Aber nicht nur formal, sondern auch inhaltlich, daher ist das sicher ein gewisser Reflex, den ich eingebaut habe", gibt er zu.

    Integration kein Kapitel im SP-Wahlprogramm, Ludwig erklärt warum

    Während drei Parteien, die FPÖ, ÖVP und das Team Strache, im Wahlkampf sehr auf das Thema Integration setzen, gibt es im Wahlprogramm der SPÖ nicht einmal ein Kapitel dazu. Ludwig erklärt das so: "Integration ist eine Querschnittsmaterie und umfasst alle Lebensbereiche. Das gilt für die Bildung genauso wie für den Themenbereich Wohnen und Arbeitsplätze. Das kann man nicht gesondert abhandeln". Natürlich sei Integration eine Herausforderung, wogegen er sich aber immer ausspreche, sei, dass "man einige wenige Personen oder Gruppen heranzieht, um zehntausende, wenn nicht hunderttausende Wienerinnen und Wiener zu diskreditieren, die am Aufbau unserer Stadt ganz wesentlich beteiligt sind".

    Dass das Erlernen der deutschen Sprache und der Grundkompetenzen Lesen und Schreiben ganz wichtig sei, stehe aber außer Frage, so Ludwig. Daher habe die Stadt Wien heuer, im 10. Jahr des kostenfreien Kindergartens auch an 70 Standorten die kostenfreie Ganztagesschule umgesetzt.

    Die gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Demos in Favoriten haben auch dem Stadtchef zu denken gegeben. Er sei "massiv dagegen, dass Konflikte in Wien ausgetragen werden, die nicht in Wien ihren Ursprung haben. Daher habe ich auch den Innenminister (Karl Nehammer, ÖVP, Anm.) aufgefordert, entschieden gegen radikale Gruppen aufzutreten". Vor allem, "da diese zu einem großen Teil gar nicht in Wien beheimatet sind". So sei bei den Erhebungen eine mutmaßliche Agentin aufgetaucht, die aus einem anderen Bundesland komme. "Das hat also nichts mit Wien und nichts mit Favoriten zu tun, trotzdem wird das immer in Zusammenhang mit Integration in Wien gebracht", so der Stadtchef.

    "In zehn Jahren bin ich in Pension und werde mit meiner Frau all die Dinge machen, die jetzt zu kurz gekommen sind".

    Stadtchef will in zehn Jahren mit Frau in die Pension tanzen

    Auf die Frage, wo er sich in zehn Jahren sieht, antwortet Ludwig mit einer Überraschung: "In zehn Jahren bin ich in Pension und werde mit meiner Frau all die Dinge machen, die jetzt zu kurz gekommen sind. Wie zum Beispiel einen Tanzkurs oder das Erlernen eines Musikinstruments". Das heißt, 2030 gibt es keinen Bürgermeister Ludwig mehr? "Davon gehe ich aus", so Ludwig. Es gebe in der SPÖ aber "so viele engagierte Frauen und Männer", denen Ludwig zutraut, die Funktion des Bürgermeisters positiv weiterzuführen. Er sei zuversichtlich, dass es auch ohne ihn gehen wird. Daher will Ludwig auch mit seinem Stadträte-Team der vergangenen zwei Jahre weiterarbeiten. "Dieses Team braucht den Vergleich mit keiner anderen Regierung scheuen", ist Ludwig überzeugt.

    Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Öffi Talk-Wordrap.
    Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Öffi Talk-Wordrap.
    heute.at