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"Rapids Schobesberger größte Liga-Enttäuschung"

Der Bundesliga-Topexperte verrät "Heute", warum Rapids Schobesberger seine größte Enttäuschung der Saison ist.

Heute Redaktion
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"Vorsicht, das wird nicht jedem gefallen", verteidigt Tim Armitage seine Wahl zur größten Saison-Enttäuschung noch bevor er "Heute" den Namen nennt: Philipp Schobesberger. Keiner kennt die Bundesliga wie er, obwohl ihn mehr als 1200 Kilometer von Schobesbergers Wirkungsstätte, dem Wiener Allianz Stadion, trennen.

Armitage ist Engländer, wohnt in London. Seit fünf Jahren zerpflückt der 26-Jährige für die Analyse-Firma "Football Radar" Österreichs Fußball. Seit fünf Jahren sieht er jedes Liga-Spiel in voller Länge, studiert die Auftritte des ÖFB-Teams und sogar die Testspiele der heimischen Klubs. Der "Lead Analyst" verbringt wöchentlich zehn bis 20 Stunden nur mit der Auswertung von Spielen, durchforstet täglich die wichtigsten Sportmedien Österreichs nach Hintergrundwissen.

Seine Worte haben also Gewicht. In einem ausführlichen Gespräch schlüsselt er für "Heute" die Gründe auf, warum ihn ausgerechnet Philipp Schobesberger in der abgelaufenen Spielzeit am meisten enttäuscht hat.

Die Akte Schobesberger

Armitage wählt seine Worte direkt, bringt seine Meinung – ganz dem "Heute"-Motto entsprechend – auf den Punkt. Manchmal hart, immer überlegt. Eine erfrischende Eigenschaft – hierzulande werden Spieler, Trainer und Geschäftsführer allzu oft von Experten mit Klub-Seilschaften nur mit Samthandschuhen angefasst.

So ist auch die Schobesberger-Analyse voller englischer Härte, bleibt aber stets über der Gürtellinie. Denn: Armitage schätzt Schobesberger, traut ihm Großes zu.

"Schobesberger ist einer der talentiertesten Spieler der Bundesliga."

"Sein unglaublicher Lauf mit Toren in sieben aufeinanderfolgenden Spielen war eine Kostprobe, was bei Rapid noch kommen kann."

"Schobesberger besitzt eine tödliche Kombination aus Schnelligkeit und Zug zum Tor. Flügelspieler mit einem solchen Torriecher gibt es nicht viele."

Was lief also heuer falsch, Herr Armitage?



"Die Saison war wirklich keine schlechte. Er schoss sechs Tore und legte neun auf, dominierte in einigen Spielen. Warum ich ihn dennoch als größte Enttäuschung gewählt habe? Er tauchte in manchen Phasen der Saison unter, konnte sein Potenzial nicht abrufen. Von einem Spieler seiner Klasse kann und muss mehr kommen."

Das Zauberwort lautet Konstanz: "An einem Tag gelingt ihm gar nichts, er wird von den eigenen Fans mit Pfiffen in die Kabine geschickt. Dann kommt das Wiener Derby und er führt Rapid mit einem Tor und einem Assist zum 4:0-Sieg."

Vergleich mit Röcher



Experte Armitage zeigt anhand eines Vergleichs mit Sturms Thorsten Röcher auf, warum er sich vom Rapidler mehr erwartet: "Die beiden sind ähnliche Typen." Bewerbsübergreifend schoss der Ex-Mattersburger in seiner ersten Saison in Graz acht Tore und legte 17 weitere auf. "Schobesberger ist eigentlich talentierter. Diese Zahlen könnte und müsste er leicht erreichen, wenn nicht sogar übertreffen."

1. Grund: Verletzungen



Was hält Schobesberger noch zurück? "Eine wichtige Rolle hat sein Verletzungspech gespielt. Leider ruinierte ihm eine gravierende Knieverletzung die komplette Saison 2016/17. Die Folgen spürte er noch in dieser Saison. Seine Konsequenz und Effizienz haben gelitten."

Schobesberger fehlte lange das Vertrauen in den eigenen Körper. Seine Top-Form zu finden und für längere Zeit zu halten, fiel ihm schwer. Die Fans und sogar Sportdirektor Fredy Bickel verloren teils schon die Geduld mit dem Edelzangler. Letzterer stellte ihn im Frühjahr öffentlich an den Pranger.

2. Grund: Rolle und Einsatz



Mitunter wirkten seine Auftritte lustlos. Was hat es damit auf sich? "Ich glaube, er wird nicht immer richtig eingesetzt. Schobesberger ist hochtalentiert, aber nicht wirklich vielseitig. Seine Stärken sind auf dem Flügel. Ihm mangelt es mitunter an Kreativität am Ball. Das macht ihn in einer zentraleren Rolle weniger effektiv."

Darf das als Kritik an Trainer Goran Djuricin verstanden werden? "Ja und nein. Ich glaube, er hat viel probiert, mitunter das System auf Schobesberger ausgerichtet. Das hatte aber nicht immer einen positiven Effekt. Es ist schwierig für Spieler, sich ständig auf eine neue Rolle und Position einzustellen. Einem Thomas Murg gelingt das besser, weil es seinem Spielerprofil entspricht. Schobesberger hat damit Probleme."

Mehr Vertrauen von "Zoki"



Unter seinem Ex-Trainer Zoran Barisic war die Zuordnung klarer. Besteht da ein direkter Zusammenhang zwischen den Trainern und seiner Form? "Barisic hat den Flügelspielern mehr Vertrauen geschenkt. Sie haben die ganze Arbeit gemacht, Robert Beric in der Mitte eingesetzt. Sie hatten mehr Freiheiten, das kam auch Schobesberger zugute."

Den letzten Schritt muss Schobesberger, unabhängig von Trainer und anderen Umständen, selbst machen. "Er muss zehn Prozent drauflegen."

Rapid-Treue



Die Klasse kann man Schobesberger nicht absprechen. Im Sommer 2014 wechselte er von der damaligen Bullen-Talentschmiede Pasching zu Rapid. Dort reifte er schnell zu einer der größten Offensiv-Waffen der Bundesliga heran. Der Lohn: ein Länderspieleinsatz und Interesse von Top-Vereinen. Im Sommer 2016 ließ ihn Rapid nicht ziehen, als Brentford – englischer Zweitligist mit Premier-League-Ambitionen – mit dicken Bündeln Pfundnoten im Gepäck anklopfte.

Innerhalb des letzten Jahres zeigte Serienmeister Red Bull Salzburg Interesse. Schobesberger soll ein Angebot ausgeschlagen haben, das eine saftige Gehaltserhöhung mit sich gebracht hätte, um stattdessen unter besseren Bezügen in Wien zu verlängern.

Der 24-Jährige hielt Rapid die Treue. Im Sommer verlassen mit Louis Schaub und Joelinton zwei andere offensive Leistungsträger den Verein. "Alle wollen jetzt sehen, dass er den letzten Schritt zum verlässlichen Führungsspieler macht."

Vor kurzem nahm sich Tim Armitage für "Heute" die Sportdirektoren der vier größten Bundesligisten vor. Seitdem hat sich einiges getan. Franz Wohlfahrt tütete mit der Austria erste Sommer-Transfers ein. Dass es sich mit James Jeggo und Uros Matic um (Ex-)Spieler von Sturm Graz handelt, stößt in Graz bei Wohlfahrts Pendant Günter Kreissl auf Unverständnis. Armitages Analyse bietet einen interessanten Überblick über die Stärken und Schwächen, Errungenschaften und Versäumnisse von Austria, Rapid, Sturm und Salzburg:

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