Boris Pistorius bleibt bei seinem klaren Nein: Deutschland wird keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Auch bei Patriot-Luftabwehrsystemen ist nun Schluss. Von dem ursprünglichen Dutzend im Arsenal ist nur noch die Hälfte übrig: "Wir haben nur noch sechs in Deutschland", bekräftigt der deutsche Verteidigungsminister im Gespräch mit der "Financial Times".
Drei Systeme seien bereits nach Kyjiw transferiert und zwei weitere an Polen ausgeliehen worden. Und eines sei wegen laufender Wartungszyklen und Ausbildungseinsätzen nicht im Regeldienst verfügbar. Pistorius: "Das ist wirklich zu wenig, vor allem wenn man die Fähigkeitsziele der NATO bedenkt, die wir erfüllen müssen. Wir können definitiv nicht noch mehr geben."
Gleichzeitig arbeitet der Sozialdemokrat fieberhaft an der, in Folge der russischen Invasion der Ukraine angekündigten "Zeitenwende" bei der Bundeswehr der Rüstungsindustrie. Die soll sich künftig auf langfristige Abnahmeverträge stützen können: "Der Schwachpunkt in der Vergangenheit war immer, dass Ersatz erst dann beschafft wurde, wenn die vorhandenen Panzer praktisch aufgebraucht oder kaputt waren", sagte Pistorius.
Ihm schwebt ein System vor, das sich durch kontinuierliche Lieferungen über viele Jahre hinweg erneuert. Die Zahl des einsatzbereiten Kriegsgeräts solle so immer gleich bleiben. Dem fügte er hinzu, dass er auch Vorauszahlungen an Waffenproduzenten zulassen wolle: "Das sind alles neue Instrumente, die der Industrie helfen sollen, in Schwung zu kommen."
Seine Ansage ist klar: "Wir müssen schneller werden. Wir müssen effektiver werden. Wir müssen Regeln über Bord werfen, wenn es um Beschaffung und Planung geht."
Damit steht er nicht alleine. Deutschland habe die Notwendigkeit einer Wiederaufrüstung schneller als erwartet akzeptiert, so der 65-Jährige. Er verweist auf Umfragen, wonach eine Mehrheit der Bevölkerung höhere Verteidigungsausgaben sowie eine Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes befürworten würde. "Dieser Mentalitätswandel ist in vollem Gange".
Pistorius' unbeugsame Unterstützung für die Ukraine sorgt inzwischen für Spannungen innerhalb der SPD. Rund 100 Rote rund um Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich hatten in einem selbsttitulierten "Manifest" eine "schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und eine Zusammenarbeit mit Russland" gefordert. Wladimir Putin hat an einem Waffenstillstand in der Ukraine jedoch kein Interesse – das hat nach Monaten des Versuchens inzwischen auch Donald Trump begriffen.
Der deutsche Verteidigungsminister hat auch dazu eine klare Linie: "Ich war immer der Überzeugung, dass man nur aus einer Position der Stärke, nur auf Augenhöhe, über Frieden und Entspannung sprechen kann. Nicht um jemanden einzuschüchtern, sondern um klarzustellen, dass wir wissen, was wir können – wir wollen mit euch in Frieden leben, aber denkt nicht, dass wir schwach sind oder uns nicht verteidigen würden. Das ist auch heute noch so."
Diese Botschaft war wohl auch an den Kreml gerichtet. Denn am 1. April hat die Bundeswehr auf Betreiben von Pistorius die Panzerbrigade 45 als Kern der Brigade Litauen in Dienst gestellt. Ziel ist die Stationierung von rund 5.000 Bundeswehrangehörigen im Baltikum, um einen potenziellen russischen Angriff zu verhindern.
Doch wären Deutschlands Soldaten bereit, im Falle eines Angriffs Moskaus auf einen NATO-Mitgliedstaat russische Soldaten zu töten? "Wenn die Abschreckung nicht funktioniert und Russland angreift, wird es dann passieren? Ja!", antwortet Pistorius knallhart.
Nachsatz: "Aber ich würde Ihnen empfehlen, einfach nach Vilnius zu fahren und mit den Vertretern der deutschen Brigade dort zu sprechen. Die wissen genau, was ihre Aufgabe ist."