Wien

Chronisches Fatigue Syndrom – "Ein Akku, der nie lädt"

14.000 Menschen in Österreich sind von "ME/CFS" betroffen. Eine davon ist Lena (26), die mit "Heute" über ihre Geschichte gesprochen hat.

Yvonne Mresch
25 Prozent der Betroffenen des Chronischen Fatigue-Syndroms sind ans Bett gefesselt – zu sehr stören Lärm und Licht.
25 Prozent der Betroffenen des Chronischen Fatigue-Syndroms sind ans Bett gefesselt – zu sehr stören Lärm und Licht.
Lea Aring und Deutsche Gesellschaft für ME-CFS

"Mit 18 Jahren erkrankte ich am Epsteinbarr Virus. Ich war zwei Monate fast nur daheim mit grippalen Symptomen", erinnert sich Lena P. (Name geändert). Es war der Beginn einer langen Leidensgeschichte. Die junge Studentin musste oft von zuhause arbeiten, jeden Monat lag sie etwa eine Woche krank im Bett. "Ich bin seit 2016 in einer Spirale aus Aufgaben nachholen und danach wieder 'crashen'".

Wenn Zähneputzen zur Tortur wird

Lena P. leidet an "ME/CFS", Myalgischer Enzephalomyelitis auch "Chronisches Fatigue-Syndrom" genannt. Dabei handelt es sich um eine schwere neuroimmunologische Erkrankung. Weltweit sind etwa 17 Millionen Menschen betroffen, in Österreich sind es 14.000. Betroffene leiden neben einer körperlichen Schwäche auch unter Muskelschmerzen und grippalen Symptomen. Schon kleine Aktivitäten wie Zähneputzen, Duschen oder Kochen können zur Tortur werden. Besorgungen im Supermarkt anschließend zu tagelanger Bettruhe zwingen. Hinzu kommen häufig Herzrasen, Schwindel, Benommenheit, eine erhöhte Infektanfälligkeit, geschwollene Lymphknoten und Blutdruckschwankungen.

Bis zur Diagnose vergingen Jahre

Lena selbst ist – wie sie sagt – nicht von einer schwerer Form betroffen, kann also ihren Alltag trotz Einschränkungen noch bewältigen. Aktuell schließt sie ihr Masterstudium ab und arbeitet geringfügig als wissenschaftliche Mitarbeiterin. "Ich schaffe 20 Stunden Arbeit im Home Office, daneben aber nichts. Das bedeutet keine Aktivitäten, die über Alltag stemmen hinausgehen." Immer wieder musste sie Anstellungen verlassen, da sie zu oft krank geschrieben war. Das schlimmste war die Unwissenheit: "Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war und Angst, kein normales Leben führen zu können." Als eine Freundin an Long Covid erkrankte, hörte die Wienerin erstmals von "ME/CFS" und sprach ihren Arzt darauf an. Bis zur Diagnose dauerte es viele Jahre, nötig war neben einer intensiven Recherche auch der Kontakt zu den richtigen Ärzten.

"Freizeit ist keine Pause"

Medikamente gibt es keine, lediglich die Symptome können behandelt werden. Mittlerweile hat Lena P. "nur" mehr alle paar Monate einen derartigen Einbruch, dass sie eine Woche im Bett bleiben muss. Klar ist: "ME/CFS" ist keine psychische Erkrankung. Der wesentliche Unterschied zu Menschen mit Depression oder Burnout sei, dass ihr der Antrieb überhaupt nicht fehle, erklärt Lena. "Ich setze alles daran, meine Wünsche umzusetzen, so gut es geht."

Wie sieht also ihr Alltag aus? "In einer Woche passiert bei mir etwa ein Viertel an dem, was bei anderen Menschen normalerweise passiert. Hinzu kommen ständige Arzttermine und Medikamente. Alles was ich tue, ist darauf ausgerichtet dass ich die Dinge schaffen kann, die ich tun muss – also Studium, Arbeit, Haushalt. Die Zeit in der ich nicht arbeite, ist keine Pause sondern Zeit, in der ich Disziplin aufbringen muss nichts zu tun um danach keinen Einbruch zu haben."

"Als würde man ständig bergauf gehen"

Nachts muss Lena zehn bis zwölf Stunden schlafen, sich auch untertags oft hinlegen. Sie leidet unter Konzentrationsschwierigkeiten, Einschränkungen beim Hören, Verdauungsstörungen und ist Licht- sowie Lärmempfindlich. "Das Leben mit 'ME/CFS' ist wie ein Akku, der immer kaum geladen ist und nicht nachlädt durch Ruhephasen. Als würde man bei allem was man tut durch hüfthohes Wasser waten, oder bergauf gehen."

Aufgrund der geringen Bekanntheit ist ein Großteil der Betroffenen nicht oder nicht richtig diagnostiziert, heißt es von der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS – obwohl sie seit 1969 von der WHO als neurologische Erkrankung klassifiziert ist. Es fehle an Anerkennung, medizinischer Versorgung, sozialer Absicherung und Forschungsförderung. In Österreich gibt es keine Ambulanz oder öffentlich finanzierte Anlaufstelle.

"Man wird als faul bezeichnet"

"Ich bekomme mittlerweile medizinische Hilfe von meinen Ärzten, doch diese Menschen zu finden hat acht Jahre lang gedauert", sagt Lena P. Auch ihre Familie und Freunde greifen der Wienerin im Alltag unter die Arme. Ihre Arbeitgeber wissen über die Krankheit Bescheid und würden alles damit Verbundene respektieren – das sei aber Glückssache und man müsse immer mit Stigmatisierung rechnen, so die Studentin. Unterstützung vom Staat gibt es nicht, die Krankheit wird von den Sozialversicherungsträgern nicht anerkannt. "Ich werde wütend, wenn ich höre, dass andere von Ärzten ignoriert werden."

Mit Vorurteilen sind Betroffene wie Lena P. immer wieder konfrontiert: "Leute verstehen nicht wie diese Krankheit funktioniert und bezeichnen einen als faul oder sagen Dinge wie 'ich bin auch oft müde' oder 'mach mehr Sport'." Dabei kann körperliche Anstrengung sogar zur Verschlechterung der Symptome führen. Das Unverständnis mancher Menschen ärgert Lena. Aber: "Viel mehr ärgert mich, dass politisch und von Seiten der Wirtschaft so wenig für Betroffene getan wird." Es brauche mehr Forschungsgeld sowie einen gesicherten Zugang zu öffentlichen Versorgungsstrukturen. Außerdem sollte "ME/CFS" in die Lehrpläne der medizinischen Ausbildungen vorkommen.

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