Alle Paare streiten. Mal geht es um Kleinigkeiten, mal um wiederkehrende Probleme. Niemand tut es gern und steht man am Ende des Streits auch noch als Verlierer da, fühlt es sich doppelt bitter an. Laut einer Expertin passiert dieser entscheidende Moment aber viel früher, als du denkst.
Die meisten glauben, sie hätten den Streit verloren, wenn sie laut werden, beleidigt abziehen oder Dinge sagen, die man später bereut. "Dieser Moment kippt allerdings schon vorher – nämlich dann, wenn das Nervensystem von Bindung auf Schutz umschaltet", erklärt Ehe- und Familientherapeutin Cheryl Groskopf gegenüber der "Huff Post". Dabei ist gemeint, dass man sich nicht mehr als Team wahrnimmt, sondern nur noch auf sich selbst schaut.
Das zeigt sich nicht immer offensichtlich. "Manchmal reicht ein angespannter Kiefer, ein abgewandter Blick oder eine monotone Reaktion", so Groskopf. In diesem Moment entscheide der Körper, dass die Situation nicht mehr sicher sei. "Sicher bedeutet hier nicht Angst vor Gewalt, sondern: Ich fühle mich gerade nicht verstanden oder respektiert."
Sobald dieses innere Umschalten passiert, ist Empathie nur noch schwer abrufbar. "Das Gespräch geht dann nicht mehr darum, eine Lösung zu finden, sondern nur noch um Verteidigung", so Groskopf. Wenn beide in diesen Schutzmodus wechseln, sei ein harmonischer Ausweg aus dem Streit so gut wie unmöglich.
Besonders tückisch sind Verhaltensweisen, die von außen ruhig oder reif wirken – in Wahrheit aber das Gegenteil sind. Groskopf nennt Beispiele:
Warum eskalieren Streitigkeiten überhaupt so oft? Groskopf sagt: "Weil Paare in Mustern reagieren, die sich im Moment richtig anfühlen, aber hoch destruktiv sind." Dazu gehören zum Beispiel: Abwehrhaltung, dem anderen ins Wort fallen, Sarkasmus oder Beschimpfungen.
Solche Muster zerstören Vertrauen. "Irgendwann sprechen Paare schwierige Dinge gar nicht mehr an – nicht, weil alles gut ist, sondern weil sie sich nicht mehr sicher fühlen, es zu versuchen", so Groskopf.
Interessant: Oft signalisiert der Körper viel früher als der Kopf, dass der Streit nichts mehr bringt. Herzrasen, ein Kloß im Hals oder das Gedankenkarussell sind etwa Zeichen, dass eine Pause nötig wäre.
"Wenn du das Gefühl hast, du musst deinen Punkt dringend wiederholen, nur noch lauter oder deutlicher, ist das ein letztes Aufbäumen des Nervensystems", erklärt Groskopf. Dann sei es besser, kurz herauszugehen. Wichtig dabei: klar kommunizieren. Zum Beispiel: "Ich brauche 20 Minuten, um herunterzukommen, nicht, um wegzugehen."
Am Ende bleibt die Erkenntnis: "Gesunde Beziehungen brauchen keine Sieger und Verlierer", sagt Groskopf. Viel mehr braucht es laut der Expertin Menschen, die sich eingestehen können, dass eine Beziehung Arbeit ist.