Internationales Projekt

Darum sammeln Wissenschaftler Kot in einem Tresor 

Um gegen den Schwund der menschlichen Artenvielfalt anzukämpfen, lagern Schweizer Forscher in einem Kottresor Darmbakterien aus aller Welt.
Heute Life
04.01.2024, 17:32
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Mit dem Einfrieren von menschlichem Kot wollen Schweizer Forscher gegen den Schwund der Artenvielfalt ankämpfen. Dabei geht es nicht um die dramatische Entwicklung in der Natur, wo unzählige Pflanzen- und Tierarten verschwinden, sondern um die Artenvielfalt im Menschen. "Wir haben festgestellt, dass wir die Biodiversität im Darm verlieren", sagt der medizinische Mikrobiologe Adrian Egli von der Universität Zürich der Deutschen Presse-Agentur. "Im Amazonas gibt es viel mehr Vielfalt im Vergleich zur westlichen Bevölkerung. Das hat mit Stress, mit Antibiotika und auch mit der Ernährung zu tun."

So befinden sich laut Egli in einem Gramm Stuhl tausend Milliarden Bakterien. "125-mal so viel wie Menschen auf dem Planeten". In einem Menschen kommen dabei zwischen 300 bis 500 verschiedene Arten vor. Nach Vorbild des Saatgut-Tresor auf Spitzbergen, wo Samen etlicher Sorten von Nahrungspflanzen aufbewahrt werden, werden Kotproben in einem riesigen Tresor gesammelt. Bei minus 80 Grad sind dort bislang rund 2500 Stuhlproben eingefroren, unter anderem aus Äthiopien, Laos, Puerto Rico und der Schweiz. Einfach ist das nicht: Proben müssen innerhalb von Stunden eingefroren werden, um die Bakterienvielfalt zu erhalten. 

Das Pilotprojekt ist nach Angaben von Egli fast abgeschlossen, mit weitgehend positivem Ergebnis. Demnächst sollen zehntausende Proben aus aller Welt in Zürich landen. Dafür muss dann ein Tresor für die Endlagerung gebaut werden, sagt Egli. Die Kühlschränke in seinem Labor reichen bald nicht mehr aus. 

Mikrobiom beeinflusst Krankheiten

Derzeit steckt die Erforschung der Darmflora noch in den Kinderschuhen. "Womöglich können aus der Erkenntnis zum Mikrobiom Therapien entwickelt werden, um Übergewicht, Diabetes, rheumatische Krankheiten oder chronische Darmentzündungen positiv zu beeinflussen", so Egli. Zum Mikrobiom gehören auch Pilze und Viren, aber Bakterien sind besonders wichtig, weil sie viele bedeutsame Stoffwechseleigenschaften haben.

Dank neuer Maschinen und Methoden ist es inzwischen möglich und gut bezahlbar, Darmbakterien genetisch zu erforschen. "Es gibt jede Woche neue Entdeckungen", sagt Egli. "Und von der Analyse der Bakterien kann die ganze Menschheit profitieren." Das Mikrobiom stehe zum Beispiel mit Krankheiten wie Krebs und Autoimmunkrankheiten in Zusammenhang.

Mit Kot die Welt retten

Abwechslungsreiche Ernährung

Dabei unterscheidet sich die Bakterienvielfalt im Menschen - abhängig von Wohngebiet und Lebensumständen (z. B. Ernährung).  Der britische Epidemiologe Tim Spencer machte vor einigen Jahren ein Experiment: Er verbrachte drei Tage mit indigenen Jägern und Sammlern in Tansania und teilte ihren Lebensstil sowie ihr Essen, darunter Fruchthüllen vom Affenbrotbaum und allerlei Fleisch. Schon nach drei Tagen war die Artenvielfalt in seinem Darm um 20 Prozent gestiegen, wie er im Onlinejournal "The Conversation" berichtete.

Warum ist Vielfalt wichtig? Die Darmbakterien können dann zum Beispiel die Ansiedlung von Krankheitserregern verhindern, berichten Forscher von der Universität Oxford in der Zeitschrift "Science". Zu einem guten Mikrobiom kann der Mensch selbst beitragen. Wichtig ist zum Beispiel eine ballaststoffreiche Ernährung. Bezeichnet werden damit weitgehend unverdauliche, pflanzliche Nahrungsbestandteile. Sie haben unter anderem Einfluss auf die Sättigungswirkung sowie darauf, wie lange aufgenommene Nahrung in Magen und Darm verbleibt und wie gut Nährstoffe vom Körper ausgenommen werden. Zu den ballaststoffreichen Lebensmitteln gehören unter anderem Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Vollkornprodukte sowie Gemüse und Obst. Eine hohe Ballaststoffzufuhr zeigt schützende Effekte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Adipositas (Fettsucht), Bluthochdruck sowie Dickdarm- und Brustkrebs, wie es bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) heißt.

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