Die Kunsthalle Wien präsentiert derzeit eine großangelegte Einzelausstellung des ghanaischen Künstlers Ibrahim Mahama. Im ersten Obergeschoss des Standorts im MuseumsQuartier entfaltet sich eine eindrucksvolle Zusammenstellung neuer Auftragsarbeiten – Skulpturen, Fotografien und Videos –, die Mahamas intensive Auseinandersetzung mit dem Erbe von Kolonialismus, Postkolonialismus und Industrialisierung in Ghana fortführen.
Mahamas Werk kreist um die materielle Hinterlassenschaft historischer Machtstrukturen. Seine Praxis basiert auf dem Sammeln, Archivieren und Neu-Kontextualisieren von Objekten, Gebäuden und kurzlebigen Materialien. Was einst mit gebrauchten Jutesäcken und Schuhmacherkisten begann, hat sich zu einem weitreichenden Projekt ausgeweitet: Mahama bewahrt und transformiert heute ganze Lokomotiven, Flugzeuge und stillgelegte Industrieanlagen.
Im Zentrum der Wiener Ausstellung steht Mahamas Beschäftigung mit der Geschichte des ghanaischen Eisenbahnnetzes, das Ende des 19. Jahrhunderts unter britischer Kolonialherrschaft errichtet wurde. Herzstück der Ausstellung ist die Dekonstruktion, der Transport und die Installation einer Diesellokomotive in Originalgröße – eine von mehreren britischen und deutschen Maschinen, die Mahama seit 2022 erworben hat.
Tausende emaillierte Eisenschüsseln, sogenannte Headpans, tragen die Lokomotive. Diese Gefäße, im ghanaischen Alltag zum Transport von Waren auf dem Kopf verwendet, hat Mahama gesammelt, indem er neue gegen gebrauchte eintauschte. Unter der Lokomotive gestapelt, bilden die Schüsseln ein Fundament, das buchstäblich und metaphorisch das Gewicht der Geschichte trägt.
"Mich interessiert die Vorstellung dieses schweren Materials, das in Wassernähe so zerbrechlich ist. Es kann sich innerhalb weniger Jahrzehnte auflösen. Also begann ich zu überlegen, wie ich es sammeln könnte. Die Schienen sind anders, sie bestehen aus massivem Gusseisen – es könnte tausend Jahre dauern, bis sie verrosten. Die Zugkörper hingegen sind dünnwandig und könnten in einem Jahrhundert verschwinden", erklärt Mahama.
In der Ausstellung werden auch Fotografien gezeigt – darunter über 100 Röntgenbilder von Wirbelsäulendeformationen. Diese Bilder sind in ein Metallgerüst eingefasst, das wiederum dem Zug entnommen wurde. So verweist Mahama auf die Menschen, auf deren Rücken koloniale Infrastruktur buchstäblich errichtet wurde. Die Ausstellung wird bis 2. November gezeigt.