"The Mercy Seat", "Where The Wild Roses Grow", "Into My Arms": Seit fast einem halben Jahrhundert gehört Nick Cave zu den prägendsten Songwritern seiner Generation. In dieser Zeit hat er sich immer wieder neu erfunden – vom lärmenden Postpunk-Provokateur über den düsteren Blues-Prediger bis hin zum nachdenklichen Erzähler existenzieller Fragen.
Mit "Burnin’ The Ice" erscheint nun ein Album, welches als Blaupause gilt, für alles, was danach kommen sollte. 1982 dockte der australische Sänger bei der Berliner Kultband Die Haut an – es folgte eine Zusammenarbeit, die es in sich hatte. Ein Songsammlung wie ein Faustschlag in den Bauch – lange vergriffen, jetzt endlich wieder auf Vinyl.
Die Geschichte beginnt im Sommer 1982: The Birthday Party, Caves damalige Band, spielt in Berlin. Als Vorband: Die Haut, eine kompromisslose Truppe, die auf Konventionen pfeift. Kein Gesang, keine Show, keine Kompromisse. Cave ist begeistert – und bleibt.
Er zieht in das Loft von Haut-Mastermind Christoph Dreher, mitten im anarchischen West-Berlin, wo Kunst und Wahnsinn Tür an Tür wohnen.
Was dort entsteht, ist mehr als nur ein Nebenprojekt. "Burnin’ The Ice" zeigt den Moment, in dem Nick Cave beginnt, sich neu zu erfinden. Der Sound: wild, düster, ungezähmt – irgendwo zwischen Jazz, No Wave und einem düsteren, kaputten Americana-Blues.
Sieben Tracks, vier davon mit dem 25-jährigen Cave am Mikro. In "Stow-A-Way" leidet er als blinder Passagier der Liebe, "Truck Love" ist eine testosterongeladene Rockabilly-Explosion, "Pleasure Is The Boss" ein sexy, zynischer Postpunk-Marsch. Und "Dumb Europe"? Eine hasserfüllte Liebeserklärung an den Kontinent, der Caves neue Heimat wird.
Cave bringt den Blues nach Berlin, seinen Blues. Unterstützt von seiner damaligen Partnerin Anita Lane, textet er sich in zwei Tagen durch das Album. Die Musik liefert Die Haut: verzahnt, dissonant, brutal tight. Es klingt, als würde jemand ein Noir-Drehbuch durch einen Verstärker jagen.
Die Platte erscheint 1983 – und verschwindet fast genauso schnell wieder. Vertriebsprobleme, Künstler in Aufbruchsstimmung, neue Projekte. Doch unter Fans wird "Burnin’ The Ice" zum Mythos.
Jetzt ist sie zurück. Remastered von Doug Henderson (Swans), erscheint die LP neu auf dem Hit Thing-Label, das von Larry Mullins (Live-Mitglied der Bad Seeds) kuratiert wird. In edlem Crystal-Clear-Vinyl (limitiert auf 1.500 Stück) und in Rot für den US-Markt (1.000 Stück).
Eine Platte, die nie vergessen, aber oft vermisst wurde. Ein Mosaikstein in der Cave-Geschichte – nun endlich wieder hör- und sammelbar. "Burnin’ The Ice" ist kein bloßes Frühwerk – es ist der erste große Schattenwurf eines Künstlers, der sich noch formt. Wer wissen will, wo Nick Caves wahre Verwandlung begann: Hier ist der Schlüssel.