Krank nach Covid-19?

Das stellt eine Corona-Infektion mit deinem Körper an

Kaum ist die akute Covid-Infektion überstanden, liegen manche Menschen direkt wieder flach. Bei manchen folgt gar ein Infekt auf den nächsten.

Das stellt eine Corona-Infektion mit deinem Körper an
Direkt nach einer Covid-Infektion werden Menschen oft rasch wieder krank.
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Krank nach Covid-19? Das kommt vor, wie unter anderem die Erfahrungen von Samia Hurst zeigen. Die Schweizer Bioethikerin, die Vizepräsidentin der im März 2022 aufgelösten Schweizer Corona-Taskforce war, erklärte Anfang Dezember auf TikTok, dass sie kurz nach ihrer Corona-Infektion richtig flachgelegen habe: hohes Fieber, Muskelkrämpfe und kaum Kraft, um aus dem Bett zu kommen (siehe Video). In den Kommentaren schreibt sie, dass sie vermutlich eine bakterielle Lungenentzündung gehabt habe. Nach rund einer Woche sei das Schlimmste überstanden gewesen, doch es habe gut einen Monat gedauert, wieder auf die Beine zu kommen. Ihr Fazit im Video-Beschrieb: "Covid-19 schwächt das Immunsystem. Wir sollten es so selten wie möglich bekommen."

Doch schwächt das Virus wirklich das Immunsystem? Und wenn ja: Wie lange? Oder spielen noch andere Faktoren eine Rolle?

Covid-19 fordert das Immunsystem tatsächlich noch länger

Nach Abklingen des akuten Infekts hat das Immunsystem tatsächlich noch lange nicht Feierabend. Einerseits muss es aufräumen, was das Virus im Körper hinterlassen hat, und reparieren, was es beschädigt hat. Andererseits hat es während der Infektion Hochleistungen erbracht. Entsprechend geschafft ist es und muss sich erholen.

Wie lang das Immunsystem für die beschriebenen Prozesse braucht, lässt sich nicht pauschal sagen. Das hängt unter anderem vom Verlauf ab. Dabei gilt: Je schwerer die Infektion war, desto länger brauche das Immunsystem, um wieder so effizient zu sein wie vor der Erkrankung, erklärt Sylvia Kerschbaum-Gruber, Molekularbiologin an der Med-Uni Wien, gegenüber "Der Standard". Je nach Studie kann eine Normalisierung verschiedener Aspekte der Immunantwort bei Personen ohne schweren Verlauf zwischen sechs und zwölf Monate dauern. Mitunter ist auch von zwei bis vier Monaten die Rede. Auch andere Faktoren wie Vorerkrankungen, das Alter und genetische Aspekte spielen eine Rolle.

Ob der Normalzustand in allen Fällen wieder erreicht werde, könne man nicht sagen. Das sei aber keine Besonderheit von Covid-19, sondern man kenne das auch von Influenza. "Covid gibt es einfach viel öfter", so Kerschbaum-Gruber. Deswegen falle die Infektanfälligkeit der gerade Genesenen mehr auf.

So arbeitet das Immunsystem
Gelangt ein Erreger in den Organismus, reagiert zunächst das angeborene Immunsystem, das den Eindringling ganz unspezifisch und breit bekämpft, unter anderem mit Entzündungsreaktionen. Dann wird das erworbene (adaptive) Immunsystem aktiv. Es reagiert spezialisiert auf einzelne Erreger und merkt sich diese für die Zukunft. Beim nächsten Kontakt ist es dann vorbereitet und kann schnell und effektiv reagieren.

Darum ist man nach einem viralen Infekt erst mal anfälliger für andere Infekte

Kommt der menschliche Organismus mit einem Erreger in Kontakt, während das Immunsystem geschwächt und noch mit den Folgen der gerade überstandenen Infektion – sei es Covid-19 oder eine andere Virusinfektion wie Influenza – beschäftigt ist, hat dieser gewissermassen leichtes Spiel. Dann kann es zu einer Infektion kommen, die der Körper sonst locker abgewehrt hätte. Auch können eigentlich harmlose Erkrankungen schwerer ausfallen. Dies, weil die Abwehr gerade mit etwas anderem beschäftigt ist.

Solche Erkrankungen bezeichnen Fachleute als opportunistische Infektionen, weil die dafür verantwortlichen Erreger die günstige Gelegenheit – die vorübergehende Schwäche des Immunsystems – nutzen, um sich zu vermehren. Das heißt: Auf eine durch Viren ausgelöste Atemwegserkrankung wie Covid-19 folgt dann zum Beispiel eine bakterielle Lungenentzündung, so wie offenbar bei Samia Hurst. Eine solche zusätzliche Infektion wird auch Superinfektion genannt.

Geschwächtes Immunsystem weckt schlummernde Krankheiten

Während der temporären Schwächung können auch sogenannte persistierende Viren – das heißt: in unserem Körper schlummernde Viren – wieder aktiv werden. Zu diesen zählt etwa das Varizella-Zoster-Virus. Das ist bei fast jedem, der einmal Windpocken hatte, in den Nervenzellnestern des Rückenmarks vorhanden. Durch die vorübergehende Schwächung des Immunsystems kann es reaktiviert werden und Gürtelrose auslösen. Auch das Epstein-Barr-Virus ist ein solcher Kandidat. "Diese Reaktivierung oder Persistenz löst eine andauernde Aktivierung des Immunsystems aus", so Kerschbaum-Gruber. Aber auch das sei per se keine Schädigung des Immunsystems, sondern eine normale Immunreaktion.

Die Sache mit der Immunlücke

Ebenfalls eine Rolle spielen könnte die sogenannte Immunlücke. Zu dieser ist es gekommen, weil die Corona-Massnahmen Tröpfcheninfektionen sehr erfolgreich verhindert haben. Wie bei Covid ändern sich auch deren Erreger. Allerdings langsamer. So hatte eine Person, die 2018 eine Erkältung hatte, gute Chancen, im Jahr 2019 gegen denselben Erregerstamm immun zu sein, weil dieser der 2018er-Version ähnlich war. Da aufgrund der Maßnahmen aber viele Infektionen ausgeblieben sind, konnten sich die Erreger weiterentwickeln, ohne dass wir Antikörper bilden konnten, die gegen die nun kursierenden Varianten schützen. Hinzu kommt, dass die Antikörper, die unser Körper nach einer Infektion bildet, mit der Zeit nachlassen. Entsprechend ist unsere Anfälligkeit für Tröpfcheninfektionen nun höher. Die Rolle dieser Immunlücke wird mitunter heiß diskutiert. Denn komplett isoliert, also fern von jeglichen Erregern, waren die wenigsten Menschen, auch nicht in der Hochphase der Pandemie.

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    Diabetes-Typ-1 nach Corona

    In der Regel erholt sich das Immunsystem nach einer Infektion wieder, doch es gibt bleibende Folgen: Autoimmunerkrankungen. Forschungen zeigen, dass solche Erkrankungen selbst nach milden Corona-Infektionen auftreten können und direkt mit Sars-CoV-2 in Verbindung stehen. So kann eine Covid-19-Erkrankung zu Diabetes führen, wie unter anderem eine Studie unter Beteiligung der Uni Basel zeigt. Dies, weil das Virus die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse angreift. Derweil untersuchen andere Teams, ob es einen Zusammenhang zwischen Covid-19 und weiteren Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Rheuma oder Morbus Basedow gibt.

    Keine Hinweise auf dauerhafte Immunschwäche

    Dass Corona zu einer dauerhaften Immunschwäche führen kann, wie auf Social Media mitunter zu lesen ist, dafür gibt es laut Kerschbaum-Gruber keine Hinweise. Auch Urs Karrer, Infektiologe am Kantonsspital Winterthur, sieht keinerlei Hinweise, dass eine Covid-Infektion die Immunzellen dauerhaft unterdrücke, wie er Anfang 2023 der NZZ sagte. Derselben Meinung ist auch Onur Boyman, Immunologe am Universitätsspital Zürich. Gegenüber Spektrum.de erklärte er im Februar: "Sars-CoV-2 verursacht keine Immunschwäche. Wir sehen langfristig bei Genesenen lediglich die Folgen eines zum Teil sehr intensiven Kampfes ihrer Immunabwehr."

    Was bedeutet das für frisch von Covid-19 Genesene?

    Sie sollten sich zunächst schonen und zum Beispiel nicht direkt wieder mit Sport loslegen. Das Virus kann das Herz angreifen und zu einer Myokarditis führen. Dabei handelt es sich um eine infektiöse Herzmuskelentzündung, die auch durch Erkältungs- und Grippeviren ausgelöst werden kann. Unbemerkt kann das zu einer Herzschwäche oder sogar zum plötzlichen Herztod führen. Wie lange man warten sollte, hängt vom akuten Verlauf ab. Die Empfehlung nach leichten Verläufen lautet: Nicht bei Symptomen trainieren und vor dem Neustart an drei aufeinanderfolgenden symptomfreien Tagen mit dem Sport pausieren. War der Verlauf moderat oder sogar schwer, sollte medizinischer Rat eingeholt werden.

    Sich Zeit für die Genesung zu nehmen, lohnt sich: Denn hat sich erst mal eine Myokarditis entwickelt, müssen Betroffene eine Sportpause für drei bis sechs Monate einlegen.

    red, 20 Minuten
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