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Deutscher WM-Held: "Platz auf der Bank am liebsten!"

Per Mertesacker ist stolzer Weltmeister und Abwehrchef bei Arsenal. Doch jetzt rechnet der 33-Jährige schonungslos mit dem Fußball-Business ab.

Heute Redaktion
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Seit 15 Jahren schmeißt Deutschlands Weltmeister und Arsenal-Star Per Mertesacker seinen Körper bereits in die (Fußball-)Schlacht. Doch jetzt ist der 33-Jährige am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt. "Ich habe einfach keinen Bock mehr", gesteht der Innenverteidiger, der im Sommer die Leitung der Arsenal-Nachwuchsakademie übernehmen wird, im Interview mit dem "Spiegel". "Alle sagen, ich solle das letzte Jahr richtig auskosten. Am liebsten sitze ich aber auf der Bank, noch lieber auf der Tribüne."

Mertesacker, den sie in England "The big fucking German" getauft haben, schockiert mit einem ungschönten Einblick in sein Seelenleben. "Die Anspannung vor einer Partie ist kaum zu ertragen. Mir dreht sich der Magen um, als müsse ich mich übergeben. Ich muss dann einmal so heftig würgen, bis mir die Augen tränen." Den Kopf dreht er dabei immer etwas seitlich, damit niemand etwas bemerkt. "Irgendwann realisierst du, dass alles eine Belastung ist, körperlich und mental. Dass es null um Spaß geht, sondern dass du abliefern musst, ohne Wenn und Aber."

"Das ständige Horrorszenario, einen Fehler zu machen"

Als besonders heftig hat Mertesacker die Heim-WM 2006 in Erinnerung. Von einem "Sommermärchen" war bei ihm keine Spur. "Klar war ich auch enttäuscht, als wir gegen Italien ausgeschieden sind, aber vor allem war ich erleichtert. Ich weiß es noch, als wäre es heute. Ich dachte nur: Es ist vorbei, es ist vorbei. Endlich ist es vorbei", gesteht er. "Dieses ständige Horrorszenario, einen Fehler zu machen, aus dem dann ein Tor entsteht. Das war unmenschlich bei der WM. Aber was hätte ich sagen können? Dass ich froh war, dass wir raus sind?"

Mertesacker spricht im Interview auch offen über den Suizid seines einstigen DFB-Teamkollegen Robert Enke. "Das Gerede über mehr Menschlichkeit im Fußball sind nur schöne Worte. Selbst ich habe nichts davon mitbekommen, wie schlecht es ihm ging. Das sagt einiges aus, oder?"

Matthäus übt heftige Kritik an Mertesacker



Das aufsehenerregende Interview löst heftige Reaktionen in der Fußball-Welt aus. Vor allem Lothar Matthäus "giftet" in Richtung des Abwehr-Hünen. "Wie soll er weiter im Fußball tätig sein? Wie will er einem jungen Spieler Professionalität vermitteln, wenn er sagt, dass das zu viel Druck ist? Das geht nicht", glaubt der 56-Jährige zu wissen. "Ich war eher deprimiert, wenn ich verletzt war." (red.)