Eine Kampagne des türkischen Gesundheitsministeriums sorgt für Aufregung. Mit dem Slogan "Lerne dein Idealgewicht kennen, lebe gesund" werden seit 10. Mai in allen 81 Provinzen Bürger, die übergewichtig erscheinen, auf die Waage gebeten. Ziel ist, innerhalb von zwei Monaten zehn Millionen Personen zu erreichen.
Und das nicht immer ganz freiwillig, wie Betroffene berichten, die auf Straßen und Plätzen "herausgewunken" wurden wie bei einer Verkehrskontrolle. Eine Universitätsprofessorin schilderte etwa, wie sie nur mit Mühe aus einer "Gewichtskontrolle" wieder herausgekommen ist, nachdem sie auf dem Üsküdar-Platz in Istanbul dazu aufgefordert worden war. Sie habe dann andere Passanten vor der Kontrolle gewarnt, schildert die "Berliner Morgenpost" online.
Die Türkei gehört laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den Ländern mit der höchsten Rate an Fettleibigkeit: Rund 60 Prozent der Einwohner gelten als übergewichtig (BMI über 25), etwa 30 Prozent sogar als fettleibig (BMI über 30) – fast doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt.
Die Regierung sieht in der Kampagne eine Maßnahme zur Gesundheitsförderung. Wer bei den nun stattfindenden Wiege-Aktionen einen Body-Mass-Index (BMI) von über 25 aufweist wird direkt zum Gesundheitsamt weitergeschickt, wo man dann – ob man will, oder nicht – eine Gesundheitsberatung und Tipps zum Abnehmen erhält.
Dass man derart in der Öffentlichkeit bloßgestellt wird, sorgt für Kritik. "Diese Praxis birgt eindeutig das Risiko sozialer Stigmatisierung", äußerte sich etwa der türkische Psychologe Talip Sami bei Radyo Şirinnar Haber. "Der in der Gesellschaft bereits weit verbreitete Druck hinsichtlich des eigenen Körperbildes kann Gefühle von Scham, Angst und Ausgrenzung auslösen." Solche Kontrollen sollten besser in Schulen und am Arbeitsplatz durchgeführt werden, so der Experte.