In einer groß angelegten Anti-Terror-Operation in Deutschland hat die Bundesanwaltschaft am Mittwoch vier mutmaßliche Mitglieder sowie einen mutmaßlichen Unterstützer einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Die Gruppe, die sich selbst "Letzte Verteidigungswelle" (L.V.W) nennt, soll laut Bundesanwaltschaft das Ziel verfolgt haben, mit Brand- und Sprengstoffanschlägen insbesondere gegen Migranten und politische Gegner einen gewaltsamen Umsturz des demokratischen Systems herbeizuführen.
Die Festnahmen erfolgten zeitgleich in mehreren Bundesländern – darunter Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hessen. Dabei wurden die deutschen Staatsangehörigen Benjamin H., Ben-Maxim H., Jerome M., Lenny M. sowie Jason R. in Gewahrsam genommen. Zusätzlich fanden in Sachsen und Thüringen Durchsuchungen in insgesamt 13 Objekten statt. Diese Maßnahmen richten sich auch gegen Devin K., Claudio S. und Justin W., die sich bereits in Untersuchungshaft befinden. Was schockiert: Die Verdächtigen sind zwischen 14 und 18.
Nach bisherigen Ermittlungen soll die Gruppierung spätestens im April 2024 gegründet worden sein. Unter dem Namen "Letzte Verteidigungswelle" formierte sich eine Organisation junger Männer, die sich als "letzte Instanz zur Verteidigung der Deutschen Nation" verstand. Ihr erklärtes Ziel: die Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland durch gezielte Gewaltakte gegen Schutzsuchende und politische Gegner – mit dem Ziel, das demokratische System zum Einsturz zu bringen. Benjamin H., Lenny M. und Jason R. gelten als Rädelsführer der Gruppe.
Sie sollen die Organisation strukturell geleitet und maßgeblich an der Planung und Durchführung extremistischer Aktionen beteiligt gewesen sein. Ein besonders gravierender Fall wird Lenny M. und Jerome M. zur Last gelegt: Am 23. Oktober 2024 sollen sie gemeinsam ein Kulturhaus in Altdöbern mit Brandbeschleuniger angezündet haben. Das Gebäude war bewohnt – nur durch Zufall wurde niemand verletzt. Der Sachschaden beläuft sich auf rund 500.000 Euro. Ben-Maxim H. soll die propagandistische Ankündigung der Tat vorbereitet haben.
Er verfasste eine Rede, die von Lenny M. in einem Video vorgetragen wurde, um Gleichgesinnte zu weiteren Taten zu animieren. Ein weiterer Fall ereignete sich am 5. Jänner 2025 in Schmölln, wo Claudio S. und Justin W. mit Pyrotechnik versuchten, eine bewohnte Asylunterkunft in Brand zu setzen. Dabei sprühten sie rassistische Parolen an die Fassade, malten Hakenkreuze sowie SS-Runen. Zudem zeigten sie den "Hitlergruß". Lenny M. war auch hier in die Tatvorbereitung involviert, indem er Justin W. rekrutierte und Hinweise zur Tarnung gab, so die Ermittler.
Ein weiterer geplanter Anschlag konnte durch rechtzeitiges Eingreifen der Sicherheitsbehörden verhindert werden: Anfang Jänner 2025 wollten Lenny M., Devin K. und Claudio S. eine Unterkunft für Geflüchtete in Senftenberg mit Kugelbomben aus Tschechien attackieren. Die Tat wurde aufgrund der Festnahmen im Vorfeld vereitelt. Darüber hinaus wird Lenny M. beschuldigt, mit anderen ein Mordkomplott geschmiedet zu haben. Die Bundesanwaltschaft betont, dass die Verdächtigen nach dem Gesetz als strafmündig und voll verantwortlich gelten.
Hintergrund: Rechtsextreme Gewalt in Deutschland
Der Fall "L.V.W" reiht sich ein in eine Serie zunehmender rechtsextremistischer Gewalttaten in Deutschland. Die Sicherheitsbehörden warnen seit Jahren vor einer zunehmenden Radikalisierung junger Männer in Online-Foren und Chatgruppen. Dabei spielen insbesondere Verschwörungstheorien, rassistische Weltbilder und völkische Ideologien eine zentrale Rolle. Dass nun eine mutmaßliche Terrorzelle mit konkreten Anschlagsplänen zerschlagen wurde, zeigt laut Experten, wie gefährlich diese Entwicklung bereits geworden ist.
Die Schwere der Vorwürfe lässt dennoch auf eine hohe Radikalisierung im jungen Alter schließen. Zum Fall war am späten Mittwochabend der Extremismus- und Terrorismusforscher Peter Neumann zu Gast in der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. "Das ist ein Phänomen, das wir seit einiger Zeit schon beobachten, nicht nur im rechtsextremistischen Milieu, auch im islamistischen Milieu", so Neumann zur Gruppe, die nach Schätzungen rund 200 Mitglieder umfassen soll. Es gebe "virtuelle Netzwerke", die in den jüngsten Jahren entstanden.
Es gehe "sofort in die Gewalt, es geht gar nicht mehr so sehr um Ideologie", so der Experte, das verbindende Element sei das Internet. Das sei "die Art von Terrorismus", die man auch in Österreich und ganz Europa "immer stärker sehen" werde. Er forderte: Ermittlungsbehörden müssten auf TikTok. WhatsApp, Telegram und Co. genauso stark vertreten sein wie auf der Straße. "Man muss sogenannte virtuelle Agenten haben", der Undercover-Polizist von früher müsse nun im Netz patrouillieren. Österreich sah Neumann da "ziemlich weit vorne dran".
Man müsse anerkennen, was sich da "verschoben hat", so Neumann, vor allem für die ganz junge Generation gebe es keinen Unterschied mehr zwischen online und der Realität. "Die wachen auf, gehen als Erstes am Handy ins Internet und bevor sie ins Bett gehen, sind sie immer noch im Internet", so der Experte. "Für die ist das, was im Internet passiert, genauso Realität wie das, was von Person zu Person geschieht." Wahlkämpfe seien immer eine Zeit "großer politischer Mobilisierung, auch von den Extremisten", versuchte er eine Erklärung.
Über das Gutachten zur AfD sei der Forscher wiederum "unglücklich". Es gebe darin viele Anzeichen, dass die Partei eine rechtsextreme Organisation sei, so Neumann, "da ist aber auch sehr viel drin, was das nicht belegt". Er befürchte, "dass die Klarheit der Botschaft da untergeht", so Neumann, außerdem kritisierte er, dass das Ergebnis erst als geheim eingestuft worden war. Er plädierte aber dafür, dass er die Einschätzung, "dass die AfD eine rechtsextreme Partei" sei, "im Grund genommen für richtig halte". Ein Verbot wäre aber erst in sechs Jahren möglich.