Science

Innovation: Dieser Schuh ersetzt den Blindenstock

Forscher der TU Graz haben ein Bilderkennungssystem für einen Schuh entwickelt. Damit sollen Blinde vor Hindernissen gewarnt werden.

Sabine Primes
Teilen
Der Schuh ist bereits auf dem Markt erhältlich. 
Der Schuh ist bereits auf dem Markt erhältlich. 
TU Graz

Für sehbehinderte Menschen gibt es jetzt eine neue Innovation auf dem Markt: Die niederösterreichische Firma Tec-Innovation hat gemeinsam mit Forschern der TU Graz einen intelligenten Schuh zur Erkennung von Hindernissen entwickelt. Der als „InnoMake“ bezeichnete Schuh ist seit kurzer Zeit als zugelassenes Medizinprodukt am Markt und soll die persönliche Mobilität von blinden und sehbeeinträchtigten Menschen sicherer gestalten.

Warnung mittels Ultraschallsensoren

Die verbaute Elektronik samt Akku ist in einem wasser- und staubresistenten Gehäuse im Frontbereich des Schuhs befestigt. Ultraschallsensoren an der Schuhspitze erkennen Hindernisse in bis zu vier Metern Entfernung. Der Träger wird daraufhin per Vibration und/oder akustischen Signalen gewarnt. "Das funktioniert sehr gut und ist auch mir persönlich schon eine große Hilfe“, sagt Markus Raffer, einer der Gründer von Tec-Innovation und selbst sehbeeinträchtigt.

Die Technik hat aber Einschränkungen: Die Sensoren können nur einen engen Bereich in einer Richtung erfassen. Der vorausblickende Schuh kann Hindernisse außerhalb des Sensorenwinkels nicht erkennen. Gehsteigkanten und Stufen, die hinab führen sind außerdem eine große Stolperfalle, denn sie werden vom Ultraschall nicht als Hindernis erfasst, aber gefährden den Weg des sehbeeinträchtigten Menschen.

1/3
Gehe zur Galerie
    Eine Kameraaufnahme aus der Schuhperspektive: farblich eingegrenzt ist der gefahrlos begehbare Bereich, erkannt und interpretiert durch den Bilderkennungsalgorithmus der TU Graz.
    Eine Kameraaufnahme aus der Schuhperspektive: farblich eingegrenzt ist der gefahrlos begehbare Bereich, erkannt und interpretiert durch den Bilderkennungsalgorithmus der TU Graz.
    TU Graz

    Steuerung mit oder ohne App möglich

    Die gleichnamige App zur Steuerung des InnoMakes ist für iOS-Betriebssysteme kostenlos im App-Store verfügbar und somit derzeit nur für iPhone-User verfügbar. Die InnoMake-App wird vollständig durch die Apple-Bedienungshilfe VoiceOver akustisch ausgegeben und ist somit barrierefrei.

    In der App können noch detailliertere Einstellungen vorgenommen werden, wie beispielsweise die Erkennungsreichweite von 0,5 Meter bis 4 Meter, in Halb-Meter-Schritten. Zusätzlich gibt es eine Schuhsuchfunktion und eine einfache Akkustatusanzeige. Herzstück der App ist das darin erzeugte akustische Feedback, das über diverse, mit dem mobilen Endgerät verbundene Kopfhörer ausgegeben wird. So der Träger unterscheiden, ob das Hindernis-Feedback vom rechten oder vom linken Schuh ausgeht. In Kürze soll die App auch mit der Apple-Watch verlinkt werden.

    Durch den Taster an der Produktrückseite kann der Schuhträger selbst Änderungen in Echtzeit vornehmen. Mittels eines kurzen Tastendrucks ist die Reichweite auf bis zu 4 Meter einstellbar. Die Akkuladung lässt sich durch den Taster abfragen und das LED-Licht zur besseren Erkennbarkeit einschalten. Die Warnung vor Hindernissen kann akustisch oder haptisch erfolgen. Es ist also kein Smartphone notwendig, um den InnoMake zu verwenden. Zusätzlich kann ein "intelligenter Modus" aktiviert werden, der das System automatisch pausieren lässt - etwa, wenn man sitzt.

    Innovation hat seinen Preis

    Ein Paar der InnoMake All Inclusive beinhaltet ein Paar neue Schuhe oder Einbau des Sensors in eigene Schuhe, das USB Ladegerät sowie die iOS App im Appstore. Gesamtpreis sind 3.840 Euro. Alternativ kann auch ein kostenloses Testkit für 7 Tage angefordert werden.

    Next Level: Kamera mit Prozessor

    Tec-Innovation arbeitet nun an einem weiteren Prototyp, In diesen soll eine Kamera plus Prozessor komfortabel in den Schuh integriert werden. Zusätzlich sollen die beim Tragen des Schuhs gesammelten Informationen in eine Art Streetview-Navigationskarte für sehbeeinträchtigte Menschen zusammengeführt werden. „Nach derzeitigem Stand profitiert jeweils nur der Träger von den Daten, die der Schuh beim Gehen sammelt. Viel nachhaltiger wäre es, wenn man diese Daten auch anderen Menschen als Navigationshilfe zur Verfügung stellen könnte“, so Friedrich Fraundorfer vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz. „Wir werden jedenfalls weiter an dem Thema dranbleiben. Denn in unserer hochinnovativen Welt muss auch eine Alternative zum über 70 Jahre alten Blindenstock möglich sein“.