Gesundheit

Erschreckende Zahlen: Schon 11-Jährige suizidgefährdet

Anlässlich des Welttags der Suizidprävention zeigen Zahlen, dass bereits Kinder mit Suizidgedanken zu kämpfen haben. Eine Expertin im Gespräch.

Sabine Primes
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Wenn man nur mehr schwarz sieht, ist professionelle Hilfe wichtig.
Wenn man nur mehr schwarz sieht, ist professionelle Hilfe wichtig.
Getty Images/iStockphoto

"Suizid zählt zu den häufigsten Todesursachen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weltweit und wird trotzdem immer noch als Tabu-Thema behandelt", sagt Birgit Satke, Leiterin von "Rat auf Draht" - Österreichs Notrufnummer für Kinder und Jugendliche. "Heute" hat mit ihr gesprochen.

Seit 30 Jahren für Kinder und Jugendliche da

Sehen sich Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene in einer Krise und wissen nicht, wohin und an wen sie sich wenden können, kann die Verzweiflung schnell überhand nehmen, sodass sich mitunter sogar Suizidgedanken einschleichen. Allerspätestens dann ist dringend Hilfe angezeigt. Die anonyme Helpline gibt es seit 30 Jahren und ist täglich rund um die Uhr, anonym und kostenlos erreichbar.

Wie groß die psychische Belastung von Jugendlichen ist, zeigen aktuelle Zahlen von Rat auf Draht. Die Fragen, mit denen sich junge Leute an die Psychologen, Pädagogen, Juristen und Lebens- und Sozialberater wenden, sind breit gefächert: Sexualität, Freunde, Familie, Gewalt, Schule, Liebe, Gesundheit, Sucht, Internet und neue Medien. 

Seit Corona 20 Prozent mehr Suizidberatungen 

Aber seit dem ersten Corona-Lockdown hat sich der Fokus auf bestimmte Themen verlagert, sagt Satke: "Statt über Liebeskummer oder die erste Reise ohne Eltern führen wir immer mehr Gespräche zu Angstzuständen, Essstörungen und Suizid". Die Beratungen zum Thema Suizid seien im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent gestiegen. 

"Die Allermeisten, die sich bei uns melden, erzählen, dass sie Suizidgedanken haben oder hatten. Hier versuchen wir, den Anrufer im Gespräch dort abzuholen, wo er ist und bestenfalls mit ihm Vereinbarungen zu treffen, die ihn von konkreten Handlungen abhalten", so Satke. Besteht ein größeres Problem, telefoniere man mit manchen auch öfter. Man gibt jedem Anrufer die Zeit, die er braucht. "Wir hören zu, nehmen den Anrufer ernst und bemühen uns, psychisch und emotional zu stabilisieren und eine Vertrauensbasis aufzubauen". Gegebenenfalls würde dann auch an Krisenzentren und andere Einrichtungen, die therapeutische Unterstützung anbieten, weitervermittelt werden.

"Ein Problem hierbei ist, dass bereits vor der Corona-Krise rund 70.000 kassenfinanzierte Therapieplätze für Kinder und Jugendliche in Österreich gefehlt haben. Das Angebot müsste dringend massiv ausgebaut werden", so Satke.

Alles geschieht anonym - außer bei Gefahr im Verzug. Ist das Leben eines Anrufers ernsthaft in Gefahr, werden die Einsatzkräfte alamiert. "Hier steht der Schutz des Lebens über Anonymität", meint die RAD-Leiterin.

Wie können Angehörige helfen?
Wenn die eigenen Kinder von Suizidgedanken betroffen sind, ist das für die Eltern eine zutiefst schwierige Situation. Trotzdem gibt es Dinge, die Sie als Elternteil tun können, weiß Corinna Harles von der Rat auf Draht "Elternseite": "Es gilt, im offenen Gespräch zu bleiben und liebevoll nachzufragen. Nehmen Sie sich Zeit und nehmen Sie die Sorgen Ihrer Kinder ernst. Denn die Probleme fühlen sich für Betroffene unlösbar an. Auch dann, wenn sie von außen betrachtet vielleicht so wirken, als könnten sie leicht gelöst werden. Scheuen Sie sich nicht, Suizidgedanken direkt anzusprechen", so die Expertin. "Ebenso gilt es zu vermitteln, wie man sich entspannt. Aber auch, wie es ist, wenn es einem mies geht. Erzählen Sie von Momenten in denen es Ihnen schlecht gegangen ist. Beschreiben Sie, wie sich das angefühlt hat, dass sie möglicherweise gar keinen Ausweg gesehen haben und wie sich dieser dann aber doch ergeben hat", so Harles.

Durchmischte Anruferstruktur

Die jüngsten Anrufer sind laut Satke 11 Jahre alt, die ältesten 24. Aufgrund der Bevölkerungsstruktur kommen die meisten Anrufe aus Wien, weniger aus den westlichen Bundesländern. In der Sozialstruktur sind die Mädchen und Buben durchmischt, mit Migrationshintergrund und ohne. 

Verschiedene Beratungswege

Rat auf Draht möchte so niederschwellig wie möglich Hilfestellung leisten. Daher gibt es neben dem Telefongespräch auch noch die Möglichkeit, mit einem Betreuer zu chatten oder über ein Online-Formular seine Frage zu schicken. "Da nicht jeder gerne telefoniert, soll dieses Angebot auch dazu einladen, sich bei Bedarf zu melden", sagt Satke.

Neu: Beratung für Eltern

Seit heuer bietet Rat auf Draht auch fachlich fundierte Information und individuelle Beratung für Eltern und Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen an. Die "Elternseite" berät nach Terminvereinbarung via Audio, Video oder Chat. Das Angebot steht allen Eltern offen, unabhängig von finanziellen Möglichkeiten und funktioniert nach dem "Pay as you wish"-Prinzip. So soll auch eine Beratung von Eltern möglich werden, die es sich nicht leisten können. Der Richtwert für die Online-Beratung beträgt 70 Euro für 50 Minuten Beratung und 35 Euro für 25 Minuten. Nach der Beratung wählt man den individuell passenden Betrag.

Bei 147 - RAT AUF DRAHT beraten Psychologen, Pädagogen, Juristen und Lebens- und Sozialberater. Die Hotline ist täglich von 0-24 Uhr anonym und kostenlos unter 147 erreichbar bzw. auch online unter www.rataufdraht.at
DIE ELTERNSEITE: www.elternseite.at