Rund 210 Milliarden Euro an russischem Vermögen hat die EU nach Angaben der Kommission seit Beginn des Ukraine-Krieges eingefroren. Schon mehrfach gab es die Idee, Teile davon für Waffenkäufe der Ukraine zu nutzen. Lange waren die Staats- und Regierungschefs in dieser Frage uneins, nun gab es eine Einigung. 90 Prozent der russischen Zinsgewinne sollen der Ukraine zukommen.
Allein die russischen Kapitalgewinne sind enorm. 2023 gab es laut dem Finanzinstitut Euroclear rund 4,4 Milliarden Euro an Zinseinnahmen, die in Verbindung mit Russland-Sanktionen stehen. Heuer rechnet die EU-Kommission mit bis zu drei Milliarden Euro. In der Nacht zum Freitag wurde auf dem EU-Gipfel beschlossen, dieses Geld für den Krieg gegen Russland zu nutzen.
Die Staats- und Regierungschefs wollen mit dem Vorschlag vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell weiterarbeiten. Dieser sieht vor, dass 90 Prozent der Gewinne in die Aufrüstung des ukrainischen Militärs stecken. Zehn Prozent sollten in den Wiederaufbau der Ukraine und in die Stärkung der Kapazitäten der ukrainischen Verteidigungsindustrie fließen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte auf dem EU-Gipfel, dass die ersten Zahlungen schon im Juli nach Kyjiw fließen sollen.
"Die Staatschefs verstehen, wie dringend die Lage ist, schnell zu handeln, damit die Gelder rasch genutzt werden können, um die Ukraine zu unterstützen, auch militärisch“, sagte Ratspräsident Charles Michel in Brüssel.
Dafür muss der Rat der Mitgliedsstaaten nun Pläne erarbeiten und den Weg freimachen. Maßgebliche Treiber waren Deutschland und Frankreich. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich im Vorfeld skeptisch gezeigt hatte, betonte, dass mit den Gewinnen "etwas Gutes geschehen" solle: "Nach österreichischer Vorstellung soll viel in den Wiederaufbau investiert werden." Die Position der Neutralen sei klar: "Man muss den Staat Ukraine unterstützen, damit er weiterbestehen kann", erklärte der Kanzler.
EU-Beamte betonen, dass es derzeit nur um die Zinsgewinne geht. Das russische 210 Milliarden-Vermögen bleibt eingefroren, soll aber nicht angetastet werden. Eine Enteignung wäre völkerrechtlich auch nicht möglich. Denn Staaten dürfen nicht einfach über das Vermögen anderer souveräner Staaten verfügen, das untersagt das Prinzip der Staatenimmunität.
Außerdem scheut man sich in der EU vor Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass Russland als Reaktion europäische Unternehmen in Russland zwangsenteignen würde. Eine weitere Befürchtung: Würde man Russland enteignen, könnten andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und ihr Vermögen aus der EU abziehen.