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Extrem-Radler Strasser um historischen Sieg in USA

Christoph Strasser auf historischer Mission! Gelingt ihm der sechste Sieg beim Race Across America? Der 36-jährige Steirer im "Heute"-Talk.

Heute Redaktion
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4.940 Kilometer, 52.000 Höhemeter, bis zu 40 Grad Hitze – für Extrem-Radler Christoph Strasser derzeit Alltag. Der Steirer kämpft seit heute Nacht beim „Race Across America" um einen Rekord: den sechsten Gesamtsieg und den dritten Erfolg in Serie. "Heute" sprach mit dem 36-jährigen Steirer über seine Motivation, die Lust an der Quälerei, Doping und die Rolle von ÖSV-Superstar Marcel Hirscher bei Rücktritts-Gedanken.

"Heute": Herr Strasser, wieso tut man sich so ein Rennen das neunte Mal an? Was bringt es, das "Race Across America" vielleicht zum sechsten Mal zu gewinnen?

Christoph Strasser: "Wenn man ein Profi ist, will man bei den wichtigsten Rennen dabei sein. Das ist wie die French Open für einen Tennisspieler, da will man mitmachen. Durch frühere Erfolge ist das Rennen gut finanzierbar, bei einem weiteren Sieg wäre es ein historischer Erfolg. Die Lust an der Quälerei ist sicher kein Faktor, im Gegenteil, es geht eher darum, sich so wenig wie möglich zu quälen."

"Heute": Und was schaut finanziell dabei heraus?

Strasser: "Das Preisgeld liegt bei null. Das ist aber positiv, weil dadurch die Fairness bleibt. Wenn es nichts zu gewinnen gibt, ist die Lust auf verbotene Hilfsmittel nicht so groß. Am Ende zählt da nur die persönliche Leistung, das Geld holt man durch die Vermarktung des Erfolgs und der Erfahrungen nach dem Rennen."

"Heute": Sie haben das Rennen schon neun Mal bestritten. Wird es im Laufe der Jahre einfacher oder härter?

Strasser: "Körperliche Beschwerden kommen mit der Zeit nicht dazu. Das Rennen findet nur ein Mal pro Jahr statt, der Körper wird mit der Zeit eher robuster. Meine Knieschmerzen waren beim ersten Antreten größer, die Gelenke und die Sehnen werden eher belastbarer. Kein Sport ist auf Hochleistungs-Ebene gesund, das muss man hinnehmen."

"Heute": Wie sieht es mit der Belastung auf der Strecke aus? Wo wird es besonders hart?

Strasser: "Auf manche Sachen kann man sich mit der Erfahrung besser einstellen, die dünne Luft und die Hitze sind immer gleich. Andere Belastungen sind eine Frage von Glück oder Pech, zum Beispiel wenn man in den Tornado-Gebieten in einen Sturm gerät. Das kann man nicht planen. Am schwierigsten ist der Beginn des Rennens, da ist es oft ein Kampf gegen den Körper. Da ist es wichtig, den Rhythmus zu finden. Der körperlich härteste Abschnitt sind die Appalachen am letzten Tag. Sie sind nicht sehr hoch, man kommt kaum über 500 Meter. Aber das Gelände ist steil und der Körper schon sehr beansprucht. Aber das Ziel ist quasi in Sichtweite, deswegen gibt man da nicht mehr auf."

"Heute": Wie hält man den Schlafentzug durch?

Strasser: "Je mehr einem etwas wert ist, desto leichter hält man die Belastung aus. Wenn man etwas nur zum Spaß macht, kommt man weniger weit, als wenn man damit sein Geld verdient. Für mich ist es einfach mehr als ein Hobby."

"Heute": Wie sind Training und Vorbereitung gelaufen?

Strasser: "Früher habe ich viel ausprobiert, habe Radtrainings in der Sauna eingelegt und den Schlafentzug simuliert. Heute weiß ich, dass das nichts bringt. Schlafentzug kann man nicht trainieren, bei der Hitze bringt es mehr, zwei Wochen vorher vor Ort zu sein und sich daran zu gewöhnen. Denn wenn man nach dem Hitze-Training fünf Tage bei normalen Temperaturen verbringt, ist der Effekt weg. Heute trainiere ich nur noch im Vorfeld auf dem Fahrrad, der Fokus liegt auf Kraft und Ausdauer. Der Rest ist Erfahrung."

"Heute": Das Race Across America ist auch ein Teamsport mit Betreuern und jeder Menge Ausrüstung. Wie sieht es mit dem Material aus?

Strasser: "Mein Team hat knapp über 350 Kilogramm an Ausrüstung mit, darunter drei Rennräder, Elektro- und Funktechnik für die drei angemieteten Begleitfahrzeuge, Bekleidung für alle theoretisch möglichen Wetterverhältnisse und Elektrolyt-Kohlehydrat-Trinkpulver für 200 Liter Sportgetränk, das neben der Flüssignahrung den Hauptteil des Ernährungskonzeptes von täglich 12.000 bis 15.000 verbrauchten Kalorien darstellt."

"Heute": Bei Radsport ist auch immer das Thema Doping präsent. Wie sehr ist es ein Thema beim Langstrecken-Rennen?

Strasser: "Das ist kein Thema, eben wegen dem nicht vorhandenen Preisgeld. Es gibt allerdings Kontrollen während und nach dem Rennen. Doping macht aber wenig Sinn, denn die Leistungsstufe, auf der man unterwegs ist, ist nicht sehr intensiv, dafür lange. Man muss 15.000 Kalorien pro Tag zu sich nehmen, das ist schon so kaum möglich. Wenn man mehr Leistung bringen will, müsste man noch mehr Kalorien zu sich nehmen, was körperlich praktisch unmöglich ist. Da fährt man gegen die Wand."

"Heute": 36 Jahre, neun Starts, sechs Siege, vielleicht bald drei in Serie. Gibt es da Gedanken über das letzte Race Across America in der Karriere?

Strasser: "Körperlich geht es mir gut, deswegen habe ich noch keinen Gedanken ans Aufhören gehabt. Aber wenn ich gewinnen sollte, habe ich etwas Historisches geschafft, dann denke ich darüber nach. Sollte ich nicht gewinnen, ist der Reiz definitiv noch da. Das ist eine Frage, die sich Marcel Hirscher auch nach jeder Saison stellt: Ist der Anreiz noch groß genug?"