Gesundheit

Familie macht Weltreise bevor Kinder blind werden

Drei der vier Kinder leiden an Retinitis pigmentosa – einer seltenen genetischen Erkrankung, die höchstwahrscheinlich zur Erblindung führt.

Sabine Primes
Edith Lemay und Sebastien Pelletier mit ihren Kindern Mia, Colin, Laurent und Leo.
Edith Lemay und Sebastien Pelletier mit ihren Kindern Mia, Colin, Laurent und Leo.
Facebook/Le monde plein leurs yeux

Tochter Mia war gerade drei Jahre alt, als ihre Eltern, Edith Lemay und Sebastien Pelletier aus Montreal, zum ersten Mal bemerkten, dass sie Sehprobleme hatte. Ein paar Jahre später wurde bei ihr, dem ältesten ihrer vier Kinder, Retinitis pigmentosa diagnostiziert. Das ist eine seltene genetische Erkrankung, die mit der Zeit zu einem Verlust oder einer Verschlechterung des Sehvermögens führt. Zu diesem Zeitpunkt hatten Lemay und Pelletier bemerkt, dass zwei ihrer Söhne, Colin, jetzt 7, und Laurent, jetzt 5, die gleichen Symptome aufzeigten. Ihre Befürchtungen wurden bestätigt: 2019 bekamen auch die Jungs dieselbe Diagnose. Ihr viertes Kind, Sohn Leo, jetzt 9,  ist nicht betroffen. "Es gibt nichts, was man wirklich tun kann", sagt Mutter Lemay gegenüber CNN und erklärt, dass es derzeit keine Heilung oder wirksame Behandlung gibt, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. "Wir wissen nicht, wie schnell es gehen wird, aber wir erwarten, dass sie bis zur Lebensmitte völlig blind sein werden."

Visuelles Gedächtnis füllen

Nachdem sie sich mit dieser Tatsache abgefunden hatten, konzentrierte sich das Paar darauf, ihren Kindern dabei zu helfen, die Fähigkeiten aufzubauen, die sie benötigen, um ihren Weg durchs Leben zu finden. Mias Augenspezialist schlug vor, sie vor allem mit "visuellen Erinnerungen" zu fesseln, die ihr auch später im Gedächtnis bleiben. Eine Idee, in der die Mutter ein großes Potential erkannte. "Ich dachte: 'Ich werde ihr keinen Elefanten in einem Buch zeigen, ich werde sie zu einem echten Elefanten mitnehmen'", erklärt sie. "Und ich werde ihr visuelles Gedächtnis mit den besten und schönsten Bildern füllen, die ich kann." Bald begannen sie und ihr Mann Pläne zu schmieden, mit ihren Kindern ein Jahr lang um die Welt zu reisen.

Namibia, Sambia, Tansania, Türkei, Mongolei, Indonesien und noch weiter

Die sechsköpfige Familie sollte ursprünglich im Juli 2020 aufbrechen und hatte eine ausführliche Reiseroute geplant. Aufgrund der Pandemie mussten sie ihre Reise jedoch verschieben und ihre Route unzählige Male ändern. Als sie schließlich im März 2022 Montreal verließen, hatten sie nur wenige Pläne. Eines aber hat die Familie gemacht: Eine To-Do-Liste mit Dingen, die sie unbedingt auf ihrer Reise erleben wollten. Erste Station war in Namibia, wo sie Elefanten, Zebras und Giraffen ganz nah kamen, bevor sie nach Sambia und weiter nach Tansania aufbrachen und dann in die Türkei flogen. Weiter ging es in die Mongolei, dann nach Indonesien.

"Wir konzentrieren uns auf Sehenswürdigkeiten, Tiere und Pflanzen. Wir wollen wirklich, dass die Kinder Dinge sehen, die sie zu Hause nicht gesehen hätten, und die unglaublichsten Erfahrungen machen", erklärt der Vater. Abgesehen davon, dass sie schöne Sehenswürdigkeiten sehen, während ihr Sehvermögen noch relativ stark ist, hofft das Paar, dass die Reise den Kindern helfen wird, starke Bewältigungsfähigkeiten zu entwickeln, wenn die Sehkraft dann nachlässt. Die Familie dokumentiert ihre Reise über soziale Medien und gibt auf ihren Facebook- und Instagram-Accounts regelmäßig Updates.

Die meisten verlieren den Großteil ihres Augenlichts

Nach Angaben des National Eye Institute beginnen die Symptome der Retinitis pigmentosa normalerweise in der Kindheit, und die meisten Menschen verlieren schließlich den größten Teil ihres Augenlichts. "Die Kinder müssen ihr ganzes Leben lang wirklich belastbar sein", fügt die Mutter hinzu. Mia, Colin und Laurent müssen sich ständig neu anpassen, wenn sich ihre Sehkraft verschlechtert.

Während Mia, jetzt 12, seit ihrem siebten Lebensjahr von ihrem Zustand wusste, haben Colin und Laurent es erst vor kurzem herausgefunden und fangen an, schwierige Fragen zu stellen, wie "Mama, was bedeutet es, blind zu sein? Werde ich Auto fahren?". "Er ist fünf. Aber langsam versteht er, was passiert. Es war ein normales Gespräch für ihn. Aber für mich war es herzzerreißend", erzählt die Mutter. Für Leo, der nicht von der Krankheit betroffen ist, war das Wissen um die Krankheit seiner Geschwister "immer eine Tatsache".

Rückkehr im März 2023

Obwohl das Reisen als Familie eine Prüfung war – das Paar hat seine Kinder während der Reise selbst unterrichtet – habe die Reise die Bindung zwischen den Kindern gestärkt. "Und das wird hoffentlich auch in Zukunft so bleiben, damit sie sich gegenseitig unterstützen können", ist der Vater zuversichtlich. Die Familie plant, im März 2023 nach Quebec zurückzukehren.