Gesundheit

Frühgeburten in der Ukraine steigen massiv an 

Der Kampf ums Überleben löst im Körper der schwangeren Ukrainerinnen ungeheuren Stress aus – das führt verstärkt zu Frühgeburten.

Sabine Primes
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Frühgeburten in der Ukraine müssen zunehmend in Bunkern versorgt werden, wo es keine Hygiene oder technische Einrichtungen gibt.
Frühgeburten in der Ukraine müssen zunehmend in Bunkern versorgt werden, wo es keine Hygiene oder technische Einrichtungen gibt.
Getty Images/iStockphoto

Wie pränatale Kliniken im ukrainischen Charkiw und Lwiw (Lemberg) der britischen BBC berichten, hat sich die Zahl der Frühgeburten in den letzten Wochen verdoppelt oder verdreifacht, was auf Stress und medizinische Probleme im Zusammenhang mit dem Krieg zurückzuführen ist.

Viktoria, 800 Gramm schwer, wurde Anfang März zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Veronika im Perinatal-Krankenhaus von Lwiw geboren, nachdem ihre Mutter aus Kiew geflohen war. Die beiden kleinen Mädchen machen deutlich, vor welch schwierigen Entscheidungen Mütter und Ärzte in dieser Zeit stehen. 

"Infektionen, fehlende medizinische Hilfe, schlechte Ernährung: Krieg birgt das Risiko von Frühgeburten", sagt Dr. Iryna Kondratova. "Unsere Frühgeburtenrate war bereits hoch, weil wir viele Patientinnen aus Donezk und Luhansk hatten. "In Konfliktgebieten verbringen die Frauen viel Zeit in überfüllten Kellern, wo Infektionen grassieren. Außerdem ist es für die Frauen schwieriger, medizinische Hilfe zu bekommen, wenn sie sie brauchen."

Stress verursacht Frühgeburt

Während der Prozentsatz der Frühgeburten in der Klinik gestiegen ist, sei die Gesamtzahl der Patienten zurückgegangen, da die Frauen vor den Kämpfen in Charkiw fliehen. Auf der anderen Seite des Landes, in Lwiw, weit weg von der Front, haben sie einen Zustrom erlebt. Iryna Zelena, die Mama der Zwillingsmädchen, floh kurz vor ihrer Geburt von Kiew nach Lwiw. "Wir sind wegen des massiven Beschusses gegangen", sagt sie. "Wir waren die ganze Zeit über in einem Schutzraum." Sie glaubt, dass der Stress, die ersten Kriegstage in einem Bunker zu verbringen, dazu beigetragen hat, dass sie die Zwillinge mehr als sieben Wochen zu früh entbunden hat.

Für die Mutter stellen die Luftschutzsirenen ein schwieriges Dilemma dar. Ein Zwilling, Veronika, hat die Intensivstation bereits verlassen und wohnt mit ihrer Mutter auf der allgemeinen Station. Wenn die Sirene ertönt, bringt Iryna sie in den Luftschutzkeller, muss Schwester Viktoria aber in ihrem Inkubator zurücklassen, weil sie zu schwach ist, um sich zu bewegen. "Emotional ist das wirklich schwer", sagt Iryna. "Es ist, als würde mein Herz in zwei Teile zerrissen. Ein Baby kommt mit mir, das andere bleibt bei den Ärzten."

Behandlung in Bunkern

"Wenn Babys zu früh geboren werden, brauchen sie jede Art von medizinischer Versorgung, und zunehmend muss diese Versorgung in Bunkern erfolgen, in denen es keine Hygiene oder Einrichtungen gibt und die unter Beschuss stehen", so Unicef-Sprecher James Elder. "Angriffe auf Krankenhäuser, wahllose Angriffe, das Verhindern humanitärer Hilfe für Kinder – das sind klare Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht." 

Das Krankenhaus in Lwiw (Lemberg) – einer Stadt, die einst als sicherer Zufluchtsort vor dem Konflikt galt – hat bereits einige Fenster mit Sandsäcken versehen, baut aber jetzt auch einen speziellen unterirdischen Bunker, um die schwächsten Patienten in Inkubatoren unterzubringen.