Gans wird geköpft

"Gansabhauet" – Kritik an brutalem Brauch in Schweiz

Die "Gansabhauet", eine umstrittene Tradition im Schweizer Dorf Sursee, sorgt jedes Jahr zum Martinsfest für Empörung unter Tierschützern.
Nick Wolfinger
11.11.2025, 11:05
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Ein brutaler, aus der Zeit gefallener Brauch, sorgt in der Schweiz rund ums Martinsfest im November Jahr für Jahr aufs Neue für Aufregung. Denn während in den meisten Gegenden des deutschen Sprachraums Kinder mit einem Laternenumzug dem katholischen Heiligen, der seinen Mantel mit einem Bettler geteilt haben soll, huldigen, geht es im Dorf Sursee im Schweizer Kanton Luzern deutlich brutaler zur Sache.

Dort steht weniger der Lichterumzug, in der Schweiz meist "Räbeliechtli" (von Lichtern, die in einer "Rübe" als Laterne platziert werden) genannt, im Vordergrund – sondern der gänsebezogene Aspekt des Martinifestes. Der Legende nach soll sich der heilige Martin im Konflikt mit den Kirchenoberen in einem Gänsestall versteckt haben – doch die schnatternden Gänse hätten ihn verraten, weshalb seither bei uns das "Martinigansl"-Essen "gefeiert" wird.

Gänseköpfen ist Volksfest

Im Schweizer Sursee hat sich jedoch eine noch drastischere Variante des Brauchs gehalten. Dort wird jährlich am 11. November eine tote Gans am Hinterkopf aufgehängt. Teilnehmer der Veranstaltung sollen dann der Reihe nach versuchen, der Gans mit einem stumpfen Dragonersäbel den Hals durchzutrennen.

Tierschützer Olivier Bieli vom Gnadenhof Papillon hat nun Anzeige gegen die Leiterin der Kommission Gansabhauet, Sara Steiner, eingereicht. "Dadurch wird Gewalt gegen Tiere verharmlost und verherrlicht und die Würde dieser Tiere herabgesetzt", sagt Bieli.

Bieli fordert Entzug der Bewilligung

In der Anzeige beschwert sich Bieli über die Tradition. "Diese Praxis verletzt nach meiner Auffassung die gesetzlich geschützte Würde des Tieres, wonach die Würde des Tieres geachtet werden muss und keine Missachtung des Eigenwerts des Tieres erfolgen darf." Er fordert ein sofortiges Verbot der morgigen Gansabhauet und spricht sich für den Einsatz von Attrappen aus.

Bieli äußert sich gegenüber der Schweizer Zeitung 20 Minuten: "Wir sehen, solange die juristische Prüfung andauert, die Verantwortung bei den Behörden, der Gansabhauet die Bewilligung zu entziehen." Die Gansabhauet suggeriere klar, dass Gewalt gegen Tiere zu Unterhaltungszwecken vertretbar sei. Er beschreibt die Tradition als barbarisch, grausam und lebensverachtend.

Veranstalterin will "ethischen Ansprüchen" gerecht werden

Simon Kopp, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, konnte den Eingang der Anzeige gegenüber 20 Minuten bestätigen. "Wir prüfen diese nun."

Der Vorsitzenden der "Kommission Gansabhauet", die den Brauch in Sursee veranstaltet, ist bewusst, dass der Anlass Kritik auslösen könne. "Wir achten deshalb darauf, dass das Brauchtum den heutigen ethischen und gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht wird. Wir feiern diese Gans, sie hat einen großen Wert."

Brauch existiere "seit dem Mittelalter"

Wenn man die Beweggründe und Hintergründe des Brauches nicht kenne, sei es vielleicht schwer, den Sinn des Festes nachzuvollziehen, sagte sie, "aber es gibt das Brauchtum seit dem Mittelalter und viele Leute in Sursee identifizieren sich mit der Gansabhauet. Die Gans wird wertgeschätzt."

Schriftlich belegt ist die Abhaltung des Brauchs allerdings erst im frühen 19. Jahrhundert. Die "Gansabhauet" wurde bereits 1824 das erste Mal abgeschafft und erst 1865 wiederbelebt.

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 11.11.2025, 11:46, 11.11.2025, 11:05
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