Ein Wiener Innenstadt-Antiquar muss am 11. Dezember auf die Anklagebank. Seit einem halben Jahrhundert kauft er Nachlässe ein, beliefert Geschichtsforscher und Universitäten mit wertvollen Zeitdokumenten.
Jetzt könnte dem alteingesessenen Buchhändler aber der Nachlass einer 2016 verstorbenen Historikerin zum Verhängnis werden. Brigitte Hamann ("Hitlers Wien") hatte intensiv zur NS-Zeit geforscht. In ihrer persönlichen Bibliothek fanden sich deshalb auch Originale, die als Nazi-Propaganda eingestuft werden.
Ein solch belastetes Zeitdokument entdeckte später ein Polizist aus Oberösterreich im Webshop der Buchhandlung und erstattete Anzeige wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung.
Es folgte eine Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Wien. Dabei wurden Werke mit Titeln wie "Das Ende Österreichs", "Wie die Ostmark ihre Befreiung erlebte" oder "Deutsche Wissenschaft und Judenfrage" gefunden.
Der "Antiquar mit Leib und Seele" weiß nicht, wie ihm geschieht. Er bezeichnet sich gegenüber dem "Falter", der den Fall öffentlich machte, als "aufrechten Antifaschisten" und sei stets bestrebt gewesen, dass das belastete Material nicht in falsche Hände gerät. Die Anklage macht ihn fassungslos.
Die Staatsanwaltschaft antwortete am Donnerstag mit einer eigenen Stellungnahme auf den medialen Druck.
NS-Propagandamaterial dürfe nicht ohne nähere Erklärung oder Aufbereitung öffentlich angeboten werden und der Verkäufer müsse gewährleisten, dass dieses nicht zur Wiederbetätigung verwendet werden. Genau diese Bedingungen seien im Webshop der Buchhandlung nicht erfüllt worden.
"Ohne nähere Überprüfung der Erwerber nahm der Antiquar der Anklage zufolge eine Wiederbetätigung zumindest in Kauf, sodass der tatbestandsessentielle sogenannte bedingte Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) beim Angeklagten anzunehmen war", so die Staatsanwaltschaft. "Eine rechtsradikale Gesinnung des Verkäufers selbst ist für die Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich und wird dem Angeklagten auch nicht zur Last gelegt."
Die Anklageschrift ist rechtskräftig. Jetzt muss das unabhängige Gericht urteilen.
Sollte das Verfahren mit einem Schuldspruch enden, werden die NS-Bücher gerichtlich beschlagnahmt. Sollte ihnen ein wissenschaftlicher Wert zugewiesen werden, entgehen sie der Vernichtung. Sie werden dann Museen oder Institutionen zur Verfügung gestellt, denen eine besondere Sorgfalt im Umgang mit derartiger Literatur zu rein wissenschaftlichen Zwecken auferlegt ist.