Sie leben seit Jahrzehnten hier, viele von ihnen sind in der Siedlung aufgewachsen. Doch jetzt fühlen sich die Bewohner der Gemeindebau-Anlage in der Autokaderstraße in Wien-Floridsdorf überrumpelt. Grund ist ein umfangreiches Bauprojekt der Stadt Wien, das vieles verändern soll – für die einen ein Zukunftsprojekt, für die anderen ein Angriff auf ihre Lebensqualität.
Geplant ist die Aufstockung bestehender Gebäude in der Wohnanlage, der Bau neuer Wohnhäuser und die Umgestaltung von Parkplätzen, die bei vielen alteingesessenen Mietern für Empörung sorgt. Sie sprechen von gebrochenen Versprechen und fehlender Mitsprache.
Laut den Bewohnern hat es im Rahmen des Widmungsverfahrens zahlreiche Einwände gegeben – über 200 an der Zahl. Doch: "Kein einziger wurde berücksichtigt", kritisiert ein Mieter. Enttäuschend: Ankündigungen, dass sich Interessierte unkompliziert für neue Wohnungen vormerken könnten, stellten sich laut Wiener Wohnen als unrealistisch heraus.
Denn für die neuen Wohnungen braucht es ein gültiges "Wohnticket Wien", ein bisheriger Mietvertrag könne nicht übernommen werden.
Beim Lokalaugenschein machten auch Parteivertreter der FPÖ ihren Unmut über das geplante Bauprojekt im Wahlkampf deutlich. Klubobmann Maximilian Krauss sprach von einem massiven Vertrauensbruch: "Dies ist ein handfester Skandal. Die Art und Weise, wie hier mit den Menschen umgegangen wurde, ist an Rücksichtslosigkeit, Unehrlichkeit und Ignoranz kaum zu überbieten", so Krauss.
Er wirft der Stadt vor, die Zustimmung zur Flächenwidmung nur durch falsche Versprechungen erlangt zu haben – etwa, dass es keine Aufstockung geben werde. Nun aber würden die Pläne entgegen dieser Aussagen umgesetzt. Laut Krauss seien sowohl die Mieter als auch die Bezirksvertretung bewusst getäuscht worden. Die FPÖ wolle deshalb "alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen", um das Projekt noch zu stoppen oder abzuändern.
Auch Michael Niegl, Wohnombudsmann der FPÖ Wien, übte scharfe Kritik an der Vorgangsweise der Stadt. Seinen Aussagen zufolge seien die Interessen der alteingesessenen Bewohner komplett übergangen worden. Niegl sieht im Bauvorhaben ein Paradebeispiel für eine rücksichtslose Stadtplanung. Weder die Einwände der Mieter, noch der vorhandene Grünraum seien ernsthaft berücksichtigt worden.
Besonders problematisch für einige Mieter: Der geplante Neubau soll auf einem Parkplatz entstehen, wodurch Stellflächen wegfallen – gleichzeitig werde die Bodenversiegelung weiter vorangetrieben, was dem Anspruch der Stadt auf Klimaschutz widerspreche. "Wieder einmal wird auf Kosten der Menschen verdichtet, die hier seit Jahrzehnten wohnen", so Niegl.
Christiane Daxböck, Sprecherin von Wiener Wohnen, zeigt großes Verständnis für die Verunsicherung unter den Anrainern: "Veränderungen im direkten Wohnumfeld sorgen oft für Sorge und Skepsis – das ist nachvollziehbar, vor allem, wenn man viele Jahre lang an einem Ort zuhause ist." Gerade deshalb habe man sich bemüht, beim Lokalaugenschein mit möglichst vielen Betroffenen persönlich ins Gespräch zu kommen. "Wir nehmen die Rückmeldungen ernst und bemühen uns, offene Fragen so gut wie möglich zu klären", betont Daxböck.
Gleichzeitig verweist Wiener Wohnen auf die langfristigen Ziele des Projekts: Die bestehenden Häuser werden energetisch umfassend saniert, der Heizwärmebedarf sinkt um rund 50 Prozent, es werden Aufzüge eingebaut und außenliegende Jalousien sollen besseren Hitzeschutz bieten.
"Das Ziel ist, den Gemeindebau nicht nur zu erhalten, sondern fit für die Zukunft zu machen – ökologisch, funktional und sozial", so Daxböck. Der Neubau werde architektonisch so geplant, dass er sich in das bestehende Ensemble einfüge und auf die Bestandsbauten Rücksicht nehme. Für jene Bäume am Rand des Parkplatzes, der bebaut werden soll, und die deshalb weichen müssen, werden deutlich mehr Ersatzbäume in der der Siedlung gepflanzt.
Auch die Kritik am Parkplatz versteht man: "Der derzeitige Zustand ist nicht ideal – mit der neuen Tiefgarage entsteht eine bessere Lösung, auch wenn es vorübergehend Einschränkungen geben wird." Die Bauarbeiten erfolgen schrittweise, die Firmen seien angehalten, möglichst rücksichtsvoll zu arbeiten. "Wir wissen, dass Bauphasen belastend sein können. Deshalb ist uns wichtig, die Mieterinnen und Mieter gut zu begleiten – mit klarer Information und direkter Ansprechbarkeit", so die Sprecherin. Für eine neue Gemeindewohnung sei – wie überall in Wien – ein gültiges Wohnticket erforderlich.
Die FPÖ bleibt bei ihrer Linie: keine Bauverdichtung ohne echte Mitsprache. Krauss fordert ein Moratorium für Bauprojekte dieser Art in bewohnten Gemeindebauten. Auch Anwohner wünschen sich mehr Einbindung.
Wiener Wohnen sieht das anders: "Es ist verständlich, dass sich viele Menschen bei größeren Veränderungen Sorgen machen. Aber wir sind überzeugt, dass dieses Projekt langfristig zur Verbesserung der Wohnqualität beiträgt – für jetzige und künftige Generationen."