Sie schrieb Hymen wie "Für mich soll’s rote Rosen regnen", schaffte es als deutsche Schauspielerin nach dem Zweiten Weltkrieg bis nach Hollywood, sorgte dann aber mit einer Nacktszene im Film "Die Sünderin" 1951 fast für das Ende ihrer Karriere. Hildegard Knef war dreimal verheiratet und schrieb mehrere Bestseller, einen über ihre Brustkrebs-Erkrankung – ein Tabu für die damalige Zeit.
Im neuen Film "Ich will alles. Hildegard Knef" (ab 4. Juli im Kino) zeichnet Regisseurin Luzia Schmid ("Drei Frauen, ein Krieg") ein einfühlsames Porträt der deutschen Ikone, die zwei Wochen nach ihrem letzten Auftritt 2022 in Berlin gestorben ist. Während die ältere Künstlerin in ihrer Erinnerung "eine fast schon tragische Figur war", von Schmerzen, Sucht und dem Leben gezeichnet, hat sich die Filmemacherin in die jüngere, schonungslos ehrliche Entertainerin "schockverliebt".
Es sollte "kein Film aus einer Fan-Perspektive werden", betont Schmid im "Heute"-Gespräch. Durch die intensive Beschäftigung mit Knef entdeckte sie deren Vielschichtigkeit, aber auch deren Pioniergeist. "In den 60er Jahren als Frau alleine mit einer Big Band auf der Bühne zu stehen – das musste man erst mal machen." Die Sängerin war eine Vorreiterin: "Working Mum, späte Mutter, ein jüngerer Mann, sie machte viel größere Karriere als er und setzte sich als Frau im männerdominierten Showbusiness durch. Sie war ihrer Zeit enorm voraus und hat extrem moderne Themen."
Auch Knefs Umgang mit den Medien interessierte die Regisseurin. "Sie war quasi Patient 0 für ein Leben in der Öffentlichkeit. Sie hat immer wahnsinnig viel preisgegeben – manchmal über jede Schmerzgrenze hinaus. Sie hat immer versucht, die Kontrolle zu behalten, aber das hat natürlich nicht geklappt." Anders als viele heutige Stars war sie ein authentischer Star mit Höhen und Tiefen. "Sie war nicht diplomatisch. Wenn sie sich eingelassen hat, dann hundertprozentig, dann hat sie auch ihre Rüstung abgelegt."
Der Filmemacherin war es wichtig, die Legende Knef auch für Menschen spürbar zu machen, die sie noch nicht kennen. "Wir haben uns vorgenommen, einen Film zu machen, der ein junges Publikum ansprechen könnte. Es gibt gerade für junge Frauen sehr viel bei Hildegard Knef zu entdecken, als Musikerin und total spannende Frau."
Auch Knefs einzige Tochter, Christina Palastanga, gibt private Einblicke. "Sie bringt es auf den Punkt, als sie sagt: Meine Mutter hat sich daran gewöhnt, krank zu sein." Die 57-Jährige "ist ein eher zurückhaltender Typ und hat sich dem Leben in der Öffentlichkeit komplett entsagt, aus gutem Grund. Sie bleibt, im Gegensatz zu Hilde, distanziert. Sie hat einen abgeklärten, schönen, freundlichen, aber nicht kritikfreien Blick auf ihre Mutter. Das war für mich ein wirklicher Glücksfall", resümiert Schmid.
Mit ihrem Buch "Der geschenkte Gaul" hat Knef "ihrer Generation eine Sprache gegeben. Sie hat als erste Deutsche aus einer jungen Perspektive einen Blick auf den Krieg geworfen." Darin erzählte sie auch von ihrer Liebe zu Reichsfilm-Dramaturg Ewald von Demandowsky, der ein Nazi war, ihr aber auch das Leben rettete. "Ich fand es bemerkenswert, dass sie ihn nicht verschweigt. Sie war auch da ihrer Zeit voraus. Es wäre total falsch gewesen, das nicht zu beleuchten."
Die Regisseurin kommt zum Schluss: "Ich glaube, dass die Kriegserfahrung und deren Verdrängung auch eine kollektive, deutsche Erfahrung war. Das hat in Hildes späterem Leben einen hohen Preis gefordert. Sie musste mit ihren Dämonen leben. Es liegt nahe, dass ihre Verdrängungs- und Überlebens-Leistung mit ihren Problemen zusammenhängt."