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Hirscher und Giradelli im großen Fragen-Slalom

Heute Redaktion
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Kristall-Attacke! Ski-Superstar Marcel Hirscher startet nächste Woche in Sölden die Mission "Fanta 5". Mit Gesamtweltcup-Sieg Nummer fünf (noch dazu in Serie) kann der 26-jährige Salzburger Sportgeschichte schreiben und den Rekord von "Heute"-Analytiker Marc Girardelli einstellen.

Kristall-Attacke! Ski-Superstar einstellen.

Vor dem Saison-Startschuss bat "Heute" zum exklusiven Doppel-Interview der Ski-Ikonen. Das Motto: fünf Kristallkugeln, fünf Fragen – von Marcel an Marc und von Marc an Marcel. Plus: Wie hat sich ihr Sieger-

Ski in 30 Jahren verändert?

Wie sich der Sieger-Ski in 30 Jahren verändert hat

Marc Girardelli holte 1985 noch mit einer Haube am Kopf zum ersten Mal den Gesamtweltcup – auf Atomic. Sein Slalom-Ski war 2,07 m lang – exakt 42 cm länger als der von Hirscher heute. Die Ski hatten weniger te. Radius, es gab keine Erhöhungsplatten und Belagsstrukturen, aber eine Laufrille für das Gleiten (auch im Slalom). Die Bindung wurde direkt am Ski montiert. Und die Skispitze war tatsächlich noch spitz.

Marcel Hirscher kann heuer den Girardelli-Rekord knacken – auf Atomic-Latten (Icon Series 2). Bestand "Giras" Rennski vor 30 Jahren noch aus zwei Holzbaukernen in Sandwichbauweise (BIONICPrinzip), ist jetzt alles Hightech. Erhöhungsplatten und Dämpfungssysteme auch am Ski (Doubledeck- Technologie) sind Standard. Belagsstrukturen werden je nach Fahrstil und Verhältnissen geschliffen. Das Kantentuning ist eine Wissenschaft. Auch Infrarotlicht wird dabei eingesetzt.

Marcel fragt Marc: Wie bleibt der Skisport in Zukunft interessant? 

Marcel Hirscher: "Marc, Hand aufs Herz: Hast du deinen Nationenwechsel jemals bereut?" 

Marc Girardelli: "Ich war zwölf Jahre alt, als ich zu Luxemburg wechselte. Am Anfang  war es ein eigenartiges Gefühl, für ein Land zu fahren, das ich kaum kannte und zu dem ich null Beziehung hatte. Aber nachdem ich als 15-Jähriger bei Rennen als Vaterlandsverräter beschimpft wurde, wusste ich: Es war die richtige Entscheidung. Ich nutzte das für meine Motivation."

Hirscher: "Was machte dir beim Rennfahren Freude und welche Dinge mochtest du gar nicht?"

Girardelli: "Ich liebte die Grenzerfahrungen. Immer noch näher ans Limit des Möglichen. So gewann ich auch einige Rennen, bei denen ich mich erst kurz vor dem Start entschied, eine ganz andere Linie zu probieren. Um dann genau in dieser Passage einen Vorsprung rauszuholen. Natürlich schoss ich öfters über das Ziel hinaus, was man am Rekord meiner Verletzungen ablesen kann. Was mir in späteren Jahren schwerfiel, war das ständige harte Training ganz alleine. Ich lief im Sommer über Monate alleine rum, im Winter fehlten mir die Teamkollegen. Das hat mir zugesetzt."

 

Hirscher: "Wie war dein körperlicher Zustand am Ende deiner Karriere? Und wie ist er heute?"

Girardelli: "Körperlich fühlte ich mich 1996 mit 33 um Jahrzehnte gealtert. Ich kam kaum eine Stiege rauf, ohne das Geländer zu Hilfe zu nehmen. Die letzten drei Jahre meiner Laufbahn war ich nur in Therapie. Ein Jahr lang konnte ich nicht joggen, ich trainierte im Pool Sprints und Kraft. Heute geht es mir ganz gut. Laufen, wandern und Ski fahren – alles möglich. Auch wegen des Therapiesystems  Bemer, das ich seit fünf Jahren nutze und wofür ich auch arbeite."

 

Hirscher: "Du hast viele Trainingswege mit dem Helikopter bestritten. Wie sehr half dir das?"

Girardelli: "Ein bisschen. Fliegen war und ist mein großes Hobby. Es ist totale Konzentration und Präzision notwendig, manchmal lebensnotwendig. Damals war es für mich mehr geistiges Training."

Hirscher: "Wie siehst du die Entwicklung des Skisports seit deinem Rücktritt? Was braucht es deiner Meinung nach für die Zukunft?"  

Girardelli: "Der Rennsport ist professionell organisiert. Was mir fehlt, ist ein bisschen die Show. Ich bin kein Amerika-Fan. Aber wir sollten analysieren, wie die Spiele in der NBA oder in der NFL inszeniert werden."

Marc fragt Marcel: Erlebe ich es, dass du eine Abfahrt gewinnst?

Marc Girardelli: "Marcel, was war dein emotionalster Sieg? Welche war deine härteste Niederlage?" 

Marcel Hirscher: "Der Slalom-WM-Titel bei der Heim-WM in Schladming ist an Emotionen  kaum zu überbieten. Aber es hat jeder Sieg etwas Einzigartiges und der Gesamtweltcupsieg ist natürlich eine spezielle Sache.  Es fällt der Druck vieler Wochen, wenn nicht Monate auf einmal von den Schultern. Und es stellt sich eine unglaubliche Zufriedenheit ein. Meine härteste Niederlage war meine Verletzung beim RTL-Weltcup in Hinterstoder im Februar 2011 mit ihren Folgen. Gleich darauf war die WM in Garmisch – und ich war dazu verdammt, als Zuseher vor dem Fernseher zu sitzen."

Girardelli: "Du giltst als Perfektionist, trainierst seit Jahren am absoluten Limit. Was treibt dich an? Und wo liegen deine persönlichen Schwächen?"

Hirscher: "Die Freude am Skifahren treibt mich an. Ich liebe die Rennsituation. Mittlerweile stört es mich nicht mehr, wenn zweite Plätze in der Öffentlichkeit nichts wert scheinen. Weil ich überzeugt bin, niemandem mehr etwas beweisen zu müssen. Zu meinen Schwächen: Ja, die gibt es ganz sicher. Ich bin manchmal ungeduldig, und Entscheidungen zu treffen würde ich auch nicht zu meinen Stärken zählen. Durch die vielen Schulterklopfer bin ich auch ein wenig misstrauisch geworden. Wenn ich jemanden kennenlerne, dauert es schon einige Begegnungen, bis ich vertrauen kann und will."

 

Girardelli: "Dein Vater war so wie bei mir dein Mentor – gibt es Tage, wo du ihn auf den Mond wünschst?"  

Hirscher: "Natürlich gibt es solche Momente und sicher auch bei ihm. Das ist doch völlig normal, wenn man so eng und oft unter Druck zusammenarbeitet. Aber wir sind  ein eingespieltes Team, das extrem gut und erfolgreich zusammenarbeitet – auch wenn der Umgangston in Stresssituationen schon einmal rauer werden kann."

Girardelli: "Ich bin auch kein Riese und hatte keine 100 Kilo als Aktiver. Die Abfahrt reizte mich aber enorm. Marcel, erlebe ich es noch, dass du eine Abfahrt gewinnst?"

Hirscher: "Lieber Marc, dass ich eine Abfahrt gewinne, wirst weder du noch sonst jemand erleben. Das ist unrealistisch. Eines steht außer Frage: Die Abfahrt reizt mich."

Girardelli: "Falls du irgendwann reif für die Insel bist: Welche drei Dinge nimmst du dann mit?"  

Hirscher: "Naja, mit drei komme ich definitiv nicht aus. Doch um kein Spielverderber zu sein: Laura, ein Surfbrett und gute Bücher."