Gesundheit

HIV-positiv – Student von Uni ausgeschlossen

Eigentlich muss eine HIV-Infektion einer Uni nicht gemeldet werden. Ein deutscher Zahnmedizin-Student tat es trotzdem und darf nun nicht weitermachen.

Sabine Primes
Die Universität schloss den Studenten aus, weil er "eine Gefahr für seine Mitstudenten und auch seine späteren Patienten sei". (Symbolbild).
Die Universität schloss den Studenten aus, weil er "eine Gefahr für seine Mitstudenten und auch seine späteren Patienten sei". (Symbolbild).
Getty Images/iStockphoto

Bis Ende der 90er Jahre galt eine HIV-Diagnose einem Todesurteil. Das Menschliche Immunschwäche-Virus oder Human Immundeficiency Virus – abgekürzt HIV – zerstört bestimmte Zellen des Immunsystems. Unbehandelt führt die Infektion auch 2023 immer noch zum Tod. Fortschrittliche Medikamente ermöglichen jedoch ein Leben mit HIV als chronische Erkrankung bzw. drücken die Viruslast sogar unter die Nachweisbarkeitsgrenze. Damit ist der Infizierte nicht ansteckend. Um sich vor HIV zu schützen, ist "Safer Sex" mit Kondomen nach wie vor die wirksamste Maßnahme.

"Gefahr für Mitstudenten und Patienten"

Seit 2012 weiß Frank Martin (Name von der Redaktion geändert), dass er HIV-positiv ist. Der heute 34-Jährige war ein erfolgreicher Student der Zahnmedizin im deutschen Marburg – bis er vom Unterricht ausgeschlossen wurde. Zuvor hatte er die beiden theoretischen Studienabschnitte erfolgreich absolviert. Als 2020 der dritte, klinisch-praktische Zeil am Uniklinikum beginnen sollte, hieß es, er sei eine Gefahr für seine Mitstudenten und auch seine späteren Patienten.

Vor diesem klinischen Studienabschnitt hatte es eine arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchung beim betriebsärztlichen Dienst der Uni gegeben, in deren Rahmen Martin einen Bogen ausfüllen musste, in dem er nach Infektionskrankheiten gefragt wurde. Zunächst machte er dazu keine Angaben, was er nach deutschem Recht auch nicht muss. Doch die Betriebsärztin war so beharrlich, dass sich Martin sogar zu einem HIV-Test überreden ließ. "Sie fragte mich nach meinen Sexualpraktiken, nach meinen Medikamenten und notierte sich akribisch alles in meiner Akte." Und jedes Mal habe sie nach HIV-assoziierten Symptomen gesucht, jede noch so kleine trockene Hautstelle unter die Lupe genommen. Nach Vorliegen des positiven Testergebnisses habe die Ärztin sehr schnell deutlich gemacht, dass sie kein Weiterstudieren garantieren könne, was Martin "nach 40 Jahren Forschung zum Thema HIV für einen schlechten Scherz" hielt.

Für 1 Jahr ausgeschlossen

Die Ärztin berief eine Expertenkommission ein und ließ sich vom Hausarzt Martins Laborwerte des vorangegangenen Jahres schicken. In dieser Periode lag er zwei Mal leicht über der Nachweisgrenze. Die Kommission entschied deshalb, Martin ein Jahr lang vom Studium auszuschließen. Zudem müsse er jeden Monat über einen Test nachweisen, dass er nicht ansteckend ist. Die 145 Euro pro Test musste er aus eigener Tasche zahlen, was er neun Monate lang tat. Als die praktischen Kurse im Sommer 2021 näher rückten, bekam Martin keine Eignungsbescheinigung, weil er sich ab Februar 2021 der Kontrolle verweigerte und keine Testergebnisse mehr vorlegte.

In Österreich ist eine HIV-Infektion nicht meldepflichtig. Menschen mit HIV müssen Arbeitgeber nicht über die HIV-Infektion informieren und sie dürfen auch nicht danach gefragt werden.
ABER: Wenn im neuen Job bestimmte gesundheitliche Voraussetzungen gefordert sind oder wegen der Tätigkeit ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für andere Personen besteht (zB. als Chirurg), können derartige Fragen erlaubt sein. Die Frage nach dem Vorliegen einer Infektion mit dem HI-Virus darf dann nicht falsch beantwortet werden, wenn dies für den zu besetzenden Arbeitsplatz objektiv von Bedeutung ist.

Der Rechtsweg

Der damalige Student wehrt sich und geht gerichtlich gegen seinen Ausschluss vor. Sein Anwalt ließ ein Gutachten über die Wirksamkeit der Medikamententherapie und mögliche Abweichungen bei der Viruslast bei einem der führenden Aids-Wissenschaftler Deutschlands, Jürgen Rockstroh, erstellen. Er ist Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Bonn und forscht seit 1989 zu HIV.

Das Verwaltungsgericht in Gießen folgt im November 2021 dem Gutachten und stellt fest, dass es aus infektiologischer Sicht keinen Grund für den Ausschluss von den praktischen Kursen gebe. Doch die Uni blieb bei ihrer Entscheidung. Die Hochschule ließ sogar ein "Gefahrenregister", das Verletzungsrisiken während der praktischen Kurse katalogisiert. Als Tüpfchen auf dem i wird Martin mit einem Betretungsverbot belegt, wogegen er Widerspruch einlegte.

Höchstgericht lehnt Expertise ab

Der Fall landete infolge beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof, der im Jänner 2022 der Uni recht gab, wonach der Ausschluss gerechtfertigt sei. Die Expertise des Aids-Wissenschaftlers Rockstroh lehnte das Höchstgericht ab. Begründung: Er sei ein Humanmediziner, "der die Praxis in den fraglichen zahnmedizinischen Lehrveranstaltungen nicht aus eigenem Erleben kennen dürfte".

Der Traum vom Traumberuf lebt weiter

"Dass HIV-Positive aus Teilen einer staatlichen Universität entfernt werden können, weil sie als Gefahrenobjekt gesehen werden, ist für mich einfach unfassbar", sagt der 34-Jährige gegenüber der Hessenschau. "Und das geht sogar bei Gerichten durch." Seinen Traum vom Zahnarztberuf will er trotzdem nicht aufgeben. Wenn nicht in Marburg, dann woanders.