Während des Krieges von Israel gegen den Iran im Juni wurde plötzlich ein Regimewechsel im Iran in Betracht gezogen. Der Sohn des letzten Schahs rief dazu auf. Ebenso der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu. US-Präsident Donald Trump schloss eine Intervention aus. Dabei wünscht der iranische Widerstand gar keine Intervention.
Shabnam Madadzadeh verbrachte fünf Jahre in iranischen Gefängnissen. Nun wohnt sie in der Schweiz und setzt sich im Rahmen des nationalen Widerstandsrates (NRCI) für die Widerstandsbewegung ein. Im Interview erzählt sie, wie dabei vorgegangen wird und was der Widerstand vom jüngsten Krieg hält.
Shabnam Madadzadeh: Ich saß Knie an Knie mit einer Frau, die zuvor am Galgen stand, die Schlinge um ihren Hals – im letzten Moment wurde ihre Hinrichtung gestoppt. Im Gefängnishof zeigte mir ein 17-jähriges Mädchen im Geheimen ihre Wunden am Rücken. Sie war ausgepeitscht worden, weil sie mit einem Buben befreundet war.
Während meiner Zeit im Gefängnis erfuhr ich, dass mein Bruder und meine Schwester von den Qud-Einheiten des Regimes getötet wurden. Diese unerträglichen Verluste machten mir klar, dass ich weder die erste noch die letzte war, die einen solchen Preis zahlen musste, und dass wahrer Widerstand nicht nur Aktivismus erfordert, sondern den Mut, dieses Regime zu bekämpfen.
Ich studierte Informatik an der Kharazmi Universität. Mit 21 Jahren war ich eine der Anführerinnen der Studentenbewegung. Wir wehrten uns gegen die diskriminierende und repressive Politik des Regimes gegenüber Studierenden.
In einer unserer letzten Aktionen organisierten wir einen großen Hungerstreik an der Universität, der die Verwaltung zum Einlenken zwang. Dann begann die Niederschlagung der Studentenproteste. 2009 wurde ich mit meinem Bruder festgenommen. Drei Monate war ich im Evin-Gefängnis in Einzelhaft. Die restliche Zeit verbrachte ich in verschiedenen Gefängnissen.
Im Iran geboren zu sein – vor allem als Frau – bedeutet doppelte Diskriminierung und Leiden unter einem Regime, das Frauen systematisch unterdrückt. Als ich an die Universität kam, erlebte ich dies aus erster Hand. Im Gefängnis wurde mir klar, dass echte Veränderung Widerstand und Organisation erfordert. Die Begegnung mit den Familien iranischer Widerstandskämpfer im Gefängnis hat meine Entschlossenheit, das Regime zu bekämpfen, weiter gestärkt.
Jetzt arbeite ich mit Parlamentariern zusammen, spreche bei UN-Menschenrechtssitzungen und organisiere Kampagnen, um auf Hinrichtungen und politische Gefangene aufmerksam zu machen. Ich bin stolz darauf, an großen Protesten teilzunehmen, um den Forderungen des iranischen Volkes Nachdruck zu verleihen.
Ehrlich gesagt, die Frage ist, wie es dazu gekommen ist und ob es hätte verhindert werden können. Was wir heute sehen, ist eine direkte Folge der anhaltenden Beschwichtigungspolitik der internationalen Gemeinschaft gegenüber dem iranischen Regime. Der iranische Widerstand hat 2002 die Atomanlage in Natanz aufgedeckt. Die Schweiz hat zu wenig entschlossen gehandelt. Letztlich ebneten Beschwichtigungen und leere Gesten den Weg für den derzeitigen Krieg.
Für das iranische Volk ist dieser Krieg eine schmerzliche Erinnerung daran, dass es die ersten Opfer der zerstörerischen Politik dieses Regimes ist. Während das Regime den Reichtum des Landes für Waffen, Terrorismus und nukleare Ambitionen verschwendet, leiden Millionen Menschen im Iran unter Armut, Unterdrückung und dem Fehlen grundlegender Freiheiten.
Aber er hat auch etwas Wichtiges klargestellt: dass dieses Regime die Wurzel von Krieg, Instabilität und Unterdrückung ist. Es hat den Wunsch der Menschen nach Veränderung gestärkt.
Es gibt eine organisierte, demokratische Opposition: Der Nationale Widerstandsrat des Iran (NCRI). Seine Plattform ruft zu einer Nationalen Solidaritätsfront auf, um die Theokratie zu stürzen und eine Republik zu schaffen, die auf dem allgemeinen Wahlrecht, freien Mehrparteienwahlen und der Achtung der Meinungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit beruht.
Der NCRI befürwortet eine unabhängige Justiz mit ordnungsgemäßen Verfahren, die vollständige Gleichstellung der Geschlechter – einschließlich des Rechts der Frauen auf Führung, Kleiderwahl und gleichberechtigte Teilhabe –, die strikte Trennung von Religion und Staat, und gleiche Rechte und kulturelle Autonomie für alle ethnischen und religiösen Minderheiten. Atomwaffen sollen nicht weiter angestrebt und internationale Beziehungen sollen friedlich gehandhabt werden.
Im Mittelpunkt dieser Einigkeit steht der Zehn-Punkte-Plan von Maryam Rajavi – ein konkreter und umsetzbarer Fahrplan für eine säkulare, demokratische Republik.
Die iranische Opposition ist sich nicht nur in der Ablehnung des derzeitigen Regimes einig, sondern auch in der Präsentation einer klaren, integrativen und demokratischen Vision für die Zukunft des Iran. Der NCRI hat immer wieder seine Bereitschaft gezeigt, mit jeder politischen Gruppe zusammenzuarbeiten, die sich für Demokratie, Menschenrechte, Säkularismus und eine republikanische Regierungsform einsetzt.
Trotz 47 Jahren systematischer Unterdrückung der Frauen im Iran ist sich die jüngere Generation – dank eines breiteren Zugangs zu globalen Informationen – zunehmend ihrer Grundrechte bewusst. Bei den jüngsten Aufständen konnten wir beobachten, wie sowohl junge Frauen als auch Männer die Proteste Hand in Hand anführten. Doch dieser Wandel ist nicht spontan. Im iranischen Widerstand arbeiten Männer seit Jahren stolz unter der Führung von Frauen auf allen Ebenen.
Der Iran unterscheidet sich grundlegend in seiner Geschichte, seiner nationalen Identität und seinem sozialen Gefüge. Anders als der Irak, Syrien oder Libyen – Länder, die durch koloniale Grenzen geprägt und oft durch tiefe konfessionelle oder stammesbedingte Spaltungen geteilt sind – ist der Iran ein alter Nationalstaat mit einer Jahrtausende alten, ununterbrochenen Identität und einer zentralisierten Regierung.
Im Iran gibt es trotz der ethnischen und religiösen Vielfalt ein starkes Gefühl der nationalen Einheit. Iranische Kurden, Aseris, Belutschen, Araber und andere haben sich historisch gesehen als Teil einer Nation identifiziert. Anders als in den Nachbarländern gibt es im Iran keine nennenswerten Abspaltungsbewegungen.
Wie kann jemand, der 46 Jahre lang absolut nichts getan hat, aufgrund seiner DNA berechtigt sein, eine Nation zu führen? Führerschaft muss man sich verdienen, sie wird nicht vererbt. Die Mullahs wissen, dass Reza Pahlavi keinen Regimewechsel herbeiführen wird – deshalb lassen sie dieses Narrativ, dass er es tun wird, unkontrolliert wachsen.
Im Februar veröffentlichte eine auflagenstarke Zeitung, die eng mit dem IRGC verbunden ist, einen aufschlussreichen Artikel. Darin hieß es: "Mit seiner spaltenden Rolle innerhalb der Opposition hat Pahlavi der Islamischen Republik einen Dienst erwiesen, den keine andere Gruppe leisten könnte. Die Existenz einer schwachen und wurzellosen Strömung wie dem Monarchismus kann dazu beitragen, das Überleben des Regimes zu sichern."
NCRI-Führer, darunter die designierte Präsidentin Maryam Rajavi, haben ihre Vision eines säkularen, demokratischen Irans in Foren wie dem Europäischen Parlament, dem US-Kongress und dem UN-Menschenrechtsrat vorgestellt und dabei breite parteiübergreifende Unterstützung erhalten.
Vor Ort hat die Volksmudschahedin (MEK) ein weit verzweigtes Netz von Widerstandseinheiten aufgebaut, die allein im vergangenen Jahr über 3000 Protest- und Trotzaktionen gegen die IRGC und das Regime durchgeführt haben. Sie spielten eine entscheidende Rolle bei der Organisation von Aufständen, der Dokumentation von Regimeverbrechen und der Aufrechterhaltung der Hoffnung auf einen Wandel im Land.
Wir haben immer gesagt, dass wir nicht um Geld oder Waffen bitten. Was wir von der internationalen Gemeinschaft verlangen, ist eine entschlossene Politik gegenüber dem Regime und die Anerkennung des Rechts des iranischen Volkes, seine Zukunft selbst zu bestimmen. Dies liegt nicht nur im Interesse des iranischen Volkes, sondern ist auch für dauerhaften Frieden und Stabilität im Nahen Osten und in der Welt unerlässlich.