Wien-Wahl

"Im Traktor ins Rathaus? Der Gedanke ist mir gekommen"

Im Öffi-Talk erzählt uns Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (G), mit wem sie Tandem fahren würde und warum Rot-Grün-Fans Grün wählen müssen.

Louis Kraft
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    Für unseren Öffi-Talk mit der Grünen Spitzenkandidatin Vizebürgermeisterin Birgit Hebein treffen wir uns an der Endhaltestelle des 13A an der Alserstraße (Alsergrund).
    Für unseren Öffi-Talk mit der Grünen Spitzenkandidatin Vizebürgermeisterin Birgit Hebein treffen wir uns an der Endhaltestelle des 13A an der Alserstraße (Alsergrund).
    Helmut Graf

    Für die Grüne Spitzenkandidatin und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein ist der "Heute"-Öffi Talk eine kleine Zeitreise in ihre Vergangenheit. "Ich bin früher oft auf dieser Strecke gefahren", erzählt sie, als wir uns an der Endstation des 13A in der Alserstraße (Alsergrund) treffen. Obwohl sie heute häufiger mit dem Fahrrad unterwegs ist ("im Sommer, wie im Winter. Wenn es friert, ziehe ich auch manchmal die Spikereifen auf"), ist sie dennoch mehrmals die Woche mit den Öffis unterwegs. Daher habe sie natürlich auch eine Jahreskarte.

    Das 365 Euro-Jahresticket "ist ja auch eines der tollen rot-grünen Umsetzungsmaßnahmen der letzten Jahre. Davor gab es viel Widerstand seitens des Koalitionspartners und viel 'geht nicht, geht nicht, geht nicht'". Aber jetzt sei das ein "klasses Erfolgserlebnis", freut sich Hebein. So gebe es nun in Wien schon mehr Besitzerinnen und Besitzer von Jahreskarten als Autofahrer.

    "Am Tandem würde ich Michael Ludwig mitnehmen. Aber vorne sitz' ich".

    Sobald wir gemütlich und natürlich mit Schutzmaske (Hebein trägt zwar eine Mundnasenschutzmarke der Wiener Grünen, jedoch ohne das Logo "Mehr Grün für Wien". Auf Rückfrage erklärt sie: "Dazu fühle ich mich zu sehr als Vizebürgermeisterin der Stadt") im Bus sitzen, stellen wir die passionierte Radlerin vor die Wahl: Wenn sie sich ein Tandem mit Bundeskanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP), Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) oder Heinz-Christian Strache (Team HC Strache) teilen müsste, wen würde sie wählen und wen vom Sattel schupfen? Hebein will keinen der Genannten, sie würde lieber mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) radeln. Dabei sei aber klar: "Vorne sitze ich", lacht Hebein, denn "ich habe mehr Erfahrung beim Radeln".

    "Die SPÖ ist bemüht, braucht aber die Grünen zum Handeln".

    Im politischen Tandem wollten SPÖ und Grüne zwar oft in dieselbe Richtung, jedoch mache die unterschiedliche Geschwindigkeit Probleme. "Die SPÖ ist sehr bemüht, aber sie braucht die Grünen, um zu handeln. Wir sind uns mit der SPÖ oft nicht einig, was den Zeitfaktor, die Notwendigkeit und das Tempo angeht. Wir haben gemeinsam ur-super Papiere beschlossen, etwa dass wir in den nächsten Jahren die Abgase um die Hälfte reduzieren. Aber mein Eindruck ist, dass der SPÖ die Parkplätze noch immer wichtiger sind als der Klimaschutz und dass wir um jeden einzelnen Parkplatz streiten. Projekte werden durch die SPÖ immer wieder abgebremst, daher braucht es die Grünen als Initiatoren. Der SPÖ fehlt manchmal einfach der Mut", erklärt Hebein.

    Aktuell zu langsam geht es den Grünen gleich an mehreren Ecken Wiens (für Hebein die "beste Stadt wo gibt“), viele davon passieren wir auf unserer Reise mit dem 13A. Auch ein Grund, warum sich die Vizebürgermeisterin die Route bis zum Hauptbahnhof (Favoriten) ausgesucht hat. Die für Hebein "tolle Strecke" führt vorbei an Projekten, auf die die Wiener Grünen stolz sind: Dazu zählt etwa die neue Begegnungszone Neubaugasse (Neubau) - für Hebein "ur-klass, ein Vorbild für ganz Wien"‘ - den neuen "Cooling Park" beim Haus des Meeres (Mariahilf) oder der Wiental-Radweg ("da sieht man, wie viel Freude Jung und Alt beim Radeln auf sicheren Radwegen hat"). Der 13A passiert aber auch Teile Wiens, für die Grünen bereits konkrete Vorstellungen haben, wie diese verbessert werden könnten. Etwa die Josefstädter Straße (Josefstadt), die die Grünen ebenso wie die Gumpendorfer Straße (Mariahilf) oder die Margareten Straße (Margareten) gerne zur Begegnungszone machen würden.

    Obwohl der Wille zur Verbesserung grundsätzlich bei der SPÖ da ist, geht es den Grünen oft zu langsam. Auch ein Grund, warum Hebein, die neben dem Auto- und Motorradführerschein auch den Traktorschein besitzt, schon einmal mit dem Traktor bei der SPÖ im Rathaus einfahren wollte. Die Frage, ob sie schon einmal das Bedürfnis hatte, das zu tun, beantwortet Hebein mit einem Lachen und "Ehrlich gesagt, Ja!".

    "Wir haben als Rot-Grün schon viel erreicht. Darauf können wir stolz sein"

    Das würde sicher für Aufmerksamkeit sorgen und eventuell das unterbrechen, was für Hebein im Wahlkampf "sehr zach" ist: "Das Klein-Klein, die vielen Inszenierungen und die Anspannung. Dabei wundere ich mich, wo die herkommt. Die SPÖ liegt in den Umfragen extrem hoch, manche Vöglein zwitschern schon, dass sie von einer absoluten Mehrheit träumen. Daher gibt es keinen Grund, so nervös zu sein. Wir könnten ja auf Rot-Grün stolz sein, wir haben in den letzten Jahren so viel erreicht. Und damit meine ich nicht nur die Begegnungszone Mariahilfer Straße, sondern etwa auch die neue Bauordnung, die Wohnen auch in Zukunft leistbar macht", so Hebein.

    Nur einige Projekte, die Hebein in ihrer nicht ganz eineinhalbjährigen Amtszeit als Verkehrs- und Planungsstadträtin schon umgesetzt hat. Dazu zählen auch die Begegnungszonen Rotenturmstraße (City) und Neubaugasse (Neubau), die Fast-Umsetzung der "autofreien" City (diese wurde nach einem Rechtsgutachten der Stadt durch Bürgermeister Michael Ludwig, SPÖ, verhindert, Anm.), die Erstellung der ersten Hitzekarte für Wien sowie die Schaffung temporärer Begegnungszonen und Pop Up-Radwege. Einen neuen Rekord will die Verkehrsstadträtin damit aber nicht aufstellen. "Ich nehme das einfach sehr ernst. Als ich vor 14 Monaten Stadträtin und Vizebürgermeisterin geworden bin, habe ich versprochen, dass ich alles für den Klimaschutz und den Zusammenhalt tun werde".

    Dieses Versprechen will sie auch weiterhin einhalten, etwa mit 50 Projekten, in deren Zuge "wir in den letzten Monaten Plätze und Straßen umgestaltet und abgekühlt und der Bevölkerung als Aufenthaltsraum und für mehr Lebensqualität gegeben haben". Dazu zählen aber auch 30 Rad-Projekte. "Ich mache das, weil wir den öffentlichen Raum, der zu sehr von Autos besetzt ist, umverteilen müssen. Wir haben eine Klimakrise und wissen, dass sich die Stadt aufheizen wird, daher müssen wir diese Maßnahmen setzen". Dazu gehöre neben der Mobilitätswende auch die Energiewende und das "Raus aus Öl und Gas", dafür aber mehr Solardächer und Fassadenbegrünungen. Das sei auch eine Chance, nachhaltig Arbeitsplätze zu schaffen.

    Eine "Stadt der kurzen Wege", in der man alles Wichtige innerhalb von 15 Minuten und unabhängig von einem Auto erreichen kann, ist für Hebein die Zukunft. Daher brauche es Alternativen wie neue Sharing-Modelle und Mobilitätspunkte. "Wir wollen die Bequemlichkeit ermöglichen, aber auch alleine in den nächsten fünf Jahren den motorisierten Individualverkehr um fünf Prozent auf 20 Prozent senken. Das ist unglaublich viel, denn in den letzten neun Jahren haben wir nur ein Prozent geschafft", erklärt Hebein.

    "Unbequeme Hebein: "Ich will handeln und das taugt halt nicht allen".

    Dass sie dabei manchen "unbequem" wird, kann Hebein verstehen. "Ich will handeln und das taugt halt nicht allen". Ob sie bei der Neuauflage von Rot-Grün Verkehrs- und Klimastadträtin bleiben oder doch in ein anderes Ressort wechseln könnte, will Hebein nicht beantworten. "Das ist schon sehr weit gedacht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass mir der Bereich unheimlich taugt und ich es als Privileg sehe, die Möglichkeit zu haben, für die Stadt was beizutragen". Vor allem weil Stadtentwicklung und Lösungen für den Verkehr "ja Zukunft heißt". Das sei auch eine Frage der Gerechtigkeit, denn "wen trifft denn die Klimakrise am meisten? Das sind die Menschen, die entlang des Gürtels oder an den Ausfahrtsstraßen wohnen und die sich keine Landhäuser oder Gärten leisten können". Man unterschätze leicht, wie eng Klima und Soziales zusammenhängen würden und was das für Auswirkungen auf die Gesundheit habe.

    Trotz der "rot-grünen Erfolgsgeschichte" geht Hebein derzeit nicht von einer Fortsetzung der rot-grünen Koalition aus. "Weil der Herr Bürgermeister absolut nicht ausschließt, einen Herrn Blümel (ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel, Anm.) zum Vizebürgermeister zu machen".

    Hebein kann das, vor allem "nach dem Wahlkampf, den der Herr Blümel führt", überhaupt nicht nachvollziehen. Etwa weil Blümel in Bezug auf das Thema Moria Meinungsumfragen wichtiger seien als Menschlichkeit. Hebein sieht im türkisen Wahlkampf nur noch Rechts-Außen-Politik. Da sich Ludwig dennoch die Option einer Zusammenarbeit mit der ÖVP offen lasse, ist für Hebein damit klar: "Wer Rot-Grün will, der muss Grün wählen".

    "Rot-Grün trotz all der Wickel die beste Option für Wien"

    Die letzten zehn Jahre hätten gezeigt, dass, "trotz all der Wickel, die man natürlich hat", Rot-Grün die beste Option für Wien sei. Ganz ohne Brösel würde es dabei aber weiter nicht gehen. So kehrte etwa das "geht nicht, geht nicht" der SPÖ bei der Grünen Forderung nach einem Gratis-Öffi-Jahr für die Wiener zurück. Für Hebein keine Überraschung: "Das erleben wir sehr oft, dass runtergebremst wird. Das finde ich schade, weil einerseits wissen wir alle, dass die wirtschaftlichen Folgen und die Arbeitslosigkeit durch die Coronakrise so massiv sind und einige tatsächlich jeden Euro umdrehen müssen. Und andererseits brauchen wir wieder das Vertrauen in den öffentlichen Verkehr. Mit einem Gratis-Jahr könnte man jetzt beides rasch erreichen: die Entlastung des Geldbörserls und andererseits was Gutes für das Klima machen".

    Gesetz für Parkpickerl Neu soll bis Ende des Jahres auf dem Tisch liegen

    Einig sind sich Rot-Grün aber bei der Zukunft der Wiener Parkraumbewirtschaftung. Dazu habe es laut Hebein bereits fünf Runde Tische und ein Bürgerbeteiligungsverfahren gegeben. "Das waren sehr konstruktive Gespräche und es war sehr spannend zu erfahren, dass etwa auch der ÖAMTC überlegt, mehr in den Radverkehr zu investieren und hier etwas anzubieten", erzählt sie.

    Ein Ergebnis sei die Entscheidung für ein neues Gesetz mit dem sich die Leute auskennen. "Ein einfaches, vereinheitlichtes Zonen-Modell und ein Tarif-Modell, wo es von außen nach innen immer teurer wird", so Hebein. Darauf hätten sich alle geeinigt, mit der SPÖ sei ausgemacht, dass "wir dieses Gesetz bis Ende des Jahres auf den Weg bringen". Das Grüne Ziel bleibe: "Halb so viel Verkehr, doppelt so viele Öffis. Vor allem in den Außenbezirken fehlen die Querverbindungen". Daneben sollen auch die Nachbar-Bundesländer Park&Ride-Alternativen anbieten und die S-Bahnstrecken ausgebaut werden. "Denn dass jeden Tag 200.000 Pendler nach Wien rein fahren, das geht sich nicht mehr aus".

    Dass die Grünen Visionen für ein verkehrsberuhigtes Wien polarisieren, ist Hebein bewusst. Jedoch würden in vielen Fällen ganz andere Gründe stecken, wie sie erzählt: "Ich habe unlängst mit einer älteren Frau gesprochen, die über eine der 'Coolen Straßen' irrsinnig wütend" war, weil sie dadurch 20 Minuten Parkplatz suchen musste. "Die war echt sauer", erinnert sich Hebein. Im Gespräch habe sich dann aber das tatsächliche Problem herausgestellt: nämlich, "dass die Frau alleine ist, ihre Mutter in einem Außenbezirk pflegen und daher sehr flexibel sein muss, aber kaum Wertschätzung bekommt". Die "Coole Straße" war also nur das I-Tüpfelchen.

    "Ich habe ihr gesagt, dass das völlig in Ordnung ist, mit dem Auto zu fahren. Es wird immer Menschen geben, die auf das Auto angewiesen sind. Wir haben dann über das Klima und die Hitze geredet und sie hat selbst gesagt, dass sie kaum schlafen kann, wenn die Nächte nicht mehr abkühlen. Dabei habe ich wieder gemerkt, dass es sich auszahlt, den Menschen zuzuhören und herauszufinden, welche Wut dahintersteckt".

    "Bei  Schlagwörtern, wo es um nichts geht, denke ich mir schon oft: 'Heast'"

    Dass das Reden mit den Menschen im Wahlkampf wegen des Corona-Virus nur eingeschränkt möglich ist, bedauert Hebein. "Aber ich bemühe mich dennoch, am Wochenende unterwegs zu sein, einfach um mitzubekommen, wie es den Menschen geht". Die Begegnungen mit den Menschen würden ihr auch Energie geben, "wir haben ja die Aufgabe, die Menschen ernst zu nehmen". Als "sehr zach" empfindet Hebein aber die Inszenierungen und Worthülsen anderer Parteien. "Das sind Schlagwörter, wo es um nichts geht – da denke ich mir schon oft 'Heast'". Und vermutlich auch das eine oder andere "Schaß mit Quastln", schließlich ist das Hebeins liebstes und am häufigsten verwendetes Schimpfwort.

    Entspannung im Wahlkampf findet Hebein aber bei ihrer Familie. Einen Abend pro Woche hält sich die Vizebürgermeisterin frei, um mit ihren Söhnen zu kochen und gemeinsam zu essen. Wenn es die Zeit erlaubt, spielt Hebein auch gerne Tarock. "Wenn man Kinder hat, ist sowieso unmittelbar was anderes wichtig". Familie und ein soziales Umfeld seien besonders im Wahlkampf wichtig, damit "man den Kopf dann wieder freibekommt".

    Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin der Wiener Grünen Birgit Hebein im Öffi-Talk-Wordrap
    Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin der Wiener Grünen Birgit Hebein im Öffi-Talk-Wordrap
    heute.at