Der italienische Agrarminister Francesco Lollobrigida hat in Brüssel Gläser mit Fertigsaucen entdeckt, die aussehen sollen wie "echte" italienische Klassiker, dies aber aus seiner Sicht bei Weitem nicht sind.
Der Politiker aus der rechtsnationalen Fratelli-d’Italia-Partei von Regierungschefin Giorgia Meloni stieß im Supermarkt des EU-Parlaments auf eine Carbonara-Sauce, auf deren Glas die italienische Flagge abgedruckt ist, obwohl sie in Belgien produziert wird.
Auf dem Glas wirbt der Hersteller außerdem damit, dass italienischer Bauchspeck in der Sauce enthalten ist. Für den Italiener wurde somit ein doppeltes Sakrileg begangen: Erstens, weil mit der Italienflagge impliziert wird, dass die Sauce aus Italien komme, obwohl das nicht stimmt. Zweitens, weil die traditionelle römische Carbonara nicht mit Bauchspeck, sondern mit Schweinebacke gemacht wird. Wie die Zeitung "The Guardian" schreibt, bestehe die belgische Sauce zudem zu fast 40 Prozent aus Schlagobers. Im traditionellen Rezept sei auch diese Zutat gar nicht enthalten.
Die Folge des Vorfalls ist ein öffentlicher Aufschrei und eine erneute politische Debatte dazu, wie viel Italien in "Italian-Style"-Produkten wirklich stecken muss. Zum kritisierten Verkauf von Pseudo-italienischen Produkten im Supermarkt des EU-Parlaments sagte Lollobrigida: "Ich habe die Einleitung einer sofortigen Untersuchung gefordert".
Am Rande der Jahrestagung der italienischen Bauern äußerte sich der Minister erneut zu dem Thema: "In wenigen Tagen wird ein sehr wichtiges Gesetz verabschiedet, das es uns ermöglicht, Produkte mit italienisch klingenden Namen noch energischer zu bekämpfen. Es wird im Parlament beraten und dient dem Schutz unseres Agrar- und Ernährungssystems, einschließlich des Vertriebs. Ich bin überzeugt, dass es ein entscheidender Schritt nach vorn sein wird."
Der Ärger um den Vorfall kommt nicht aus dem Nichts. Italien kämpft seit Jahren gegen sogenannte "Italian sounding"-Produkte. Also Produkte, die mit den Farben der italienischen Flagge, Symbolen oder italienischen Namen spielen, aber gar nicht aus Italien stammen.
Der Bauernverband Coldiretti spricht von einem wirtschaftlichen Schaden von rund 120 Milliarden Euro pro Jahr und warnt, dass weltweit mehr als zwei Drittel aller "italienisch" vermarkteten Agrarprodukte gar keinen Bezug zu Italien hätten. Die größten "Fälscher" säßen in Industrieländern wie den USA, heißt es in einer Stellungnahme des Verbandes.
Gerade bei Pasta und Käse sei der Markt mit Nachahmungen voll. Für Italien geht es dabei nicht nur um das verlorene Geld, sondern auch um seine kulturelle Identität. Italien wartet derzeit auf die Entscheidung der UNESCO, ob die italienische Küche als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird. Eine Zusage würde Rom zusätzlich Munition liefern, um auf internationaler Bühne gegen vermeintliche "Verwässerungen" der eigenen Esskultur vorzugehen.